daran nicht unschuldig war.
Aus der Sicht meiner Generation ist nicht nur der Einsatz der Atomwaffen an sich, sondern auch die ungeheure Vernichtung von Steuergeldern völlig inakzeptabel. Hinzu kommt die Tatsache, dass allein schon die Vorbereitung von kriegerischen Aktivitäten eine enorme Ressourcenverschwendung und Umweltbelastung ist. Wie werden kommende Generationen wohl über unser Zeitalter urteilen? Werden sie uns als verantwortungslose Primitivlinge bezeichnen? Wie kann man dieses Paradigma Frieden durch gegenseitige Abschreckung nur durchbrechen? Ist das wirklich das, was wir unter Frieden verstehen - dass keiner den Knopf zur Vernichtung drückt, oder sehnen wir uns nicht nach mehr?
1.5 Religiöse Kriege
Immer wieder äußern atheistische Schüler und Kollegen, dass es ohne die Religionen auf der Welt nahezu keine Kriege gäbe. Erst die Religionen würden die Menschen so richtig gegeneinander aufhetzen, dass sie bereit seien, sich gegenseitig abzuschlachten. Ich argumentiere dann, dass dieses Phänomen nicht auf Religionen begrenzt ist, sondern auf jede Art von geschlossenen Weltbildern. Es tritt immer dann auf, wenn man flammender Anhänger eines Ismus, wie beispielsweise des Kommunismus, Nationalsozialismus, Islamismus, Kapitalismus oder neuerdings auch des Oko-Faschismus ist. Das Problem dabei ist die Geschlossenheit des Weltbilds mit seinen unverrückbaren Dogmen und der Schwarz-Weiß-Malerei, die damit einhergeht. Dies ist der Nährboden der Kette der Gew:
Wir machen es richtig und ihr macht es falsch! Wie könnt ihr nur so leben? Das macht mich sehr wütend. Ihr seid minderwertig! Ändert euch, oder wir müssen euch zwingen, notfalls euch eliminieren!
Dieses Schema ist immer wieder in der Geschichte zu beobachten von den Kreuzzügen des Christentums bis hin zu den Feldzügen des Islamischen Staates. Sie entspringt, wie ich später zeigen werde, einem bestimmten Bewusstseinszustand. Im Islam ist der Verteidigungskrieg erlaubt, nicht aber der Expansionskrieg. Aus den Anweisungen Jesu sind kriegerische Handlungen wohl kaum zu rechtfertigen, denn der Meister gab in der angespannten Situation im Garten Gethsemane Mt 26,52 eine ganz eindeutige Anweisung an seinen Jünger:
Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.
Trotz der eindeutig pazifistischen Haltung Jesu finden sich sehr viele brutale Anweisungen in der Bibel, vor allem im Alten Testament. Das Thema Gewalt in der Bibel wurde im Katholizismus seit dem 2. Vatikanischen Konzil und im Protestantimus sogar schon früher untersucht. Zuvor war es tabu, die Bibel derart zu kritisieren. Eine gute Übersicht der kritischen Stellen gibt ein Wikipedia-Artikel zu diesem Thema, aber wenn man nach grausamen Bibelzitaten im Internet sucht, findet man diese in großer Zahl. Das Gleiche gilt auch für den Quran, der viele historische Bezüge hat und sogar zu kriegerischen Handlungen aufruft, von denen sich der Islam heute deutlich distanzieren sollte.6 Die Gedankenkette der Gewalt mit dem Absoluten zu verknüpfen hat zu großen Kriegen geführt.
Deshalb dürfen wir die Ausübung von Gewalt niemals religiös begründen!
Dies fügt der Religion einen großen Schaden zu, ja macht sie gänzlich unglaubwürdig. Doch man muss nicht immer nur den Islam bemühen, um diesbezügliche Negativbeispiele zu finden. Der mit der goldenen Palme ausgezeichnete Film Das weiße Band [11] stellt in erschreckender Weise die gewalttätige Erziehung in einer typischen protestantischen Bauernfamilie im 19. Jh. dar. Der Betrachter ist geschockt am Ende und stellt sich die konkrete Frage:
Was macht gerade religiöse Menschen so wütend, dass sie bereit wären, andere zu quälen und sogar umzubringen?
Meine These ist: Es passiert durch Handlungen oder Äußerungen, die das Paradigma, also das Weltbild und Glaubenssystem des anderen in seinen Grundfesten erschüttern.
Kinder tun das oft, weil sie noch gar kein Paradigma haben. Aber auch Erwachsene, die ein anderes Paradigma haben, können durch ihre Handlungen und Äußerungen den Zorn anderer Menschen derart auf sich ziehen. Es gibt viele Beispiele hierfür in der Geschichte:
Der Mönch Giordano Bruno war Pantheist und Panpsychist, d.h. er nahm das Göttliche in der ganzen Schöpfung wahr und sah die ganze Schöpfung als beseelt an und jedes einzelne Teilchen mit Bewusstsein ausgestattet. Er lehrte, dass das Universum unendlich sei und bestätigte das 1543 veröffentlichte heliozentrische Weltbild des Kopernikus. Für Muslime interessant ist noch, dass er betonte, dass Jesus nicht der Sohn Gottes sei und dass er auch andere Planeten besucht habe. Nachdem er aus Italien geflohen war und in Deutschland auch in Marburg, Wittenberg und in Frankfurt gelehrt hatte, kehrte er schließlich nach Padua in Italien zurück. Dort wurde er dann aber als Ketzer verurteilt und 1600 auf einem Scheiterhaufen in Rom verbrannt. Sein Lehrstuhl in Padua ging danach an Galilei Galileo, der schließlich seinen berühmten Spruch „Und sie dreht sich doch!“ mithilfe der Beobachtungsdaten seines neuerworbenen Fernrohres beweisen konnte. Aber auch er ist nur knapp dem Vernichtungswahn der Inquisitoren entgangen, die die Grundfesten des Glaubens attackiert sahen. Im Jahre 1572 hatte der Däne Tycho Brahe bereits eine Supernova im Sternbild Kassiopeia beobachtet und konnte zeigen, dass dieses Ereignis in einem größeren Abstand zur Erde stattfand als dem, den die anderen bekannten Sterne hatten. Somit wankte die allgemeine Vorstellung, dass alle Sterne auf der Himmelssphäre positioniert waren. Der Deutsche Johannes Kepler und Galileo Galilei lieferten dann schließlich aufgrund der vorliegenden Beobachtungen die Theorie, dass sich die Himmelskörper auf Ellipsenbahnen frei um die Sonne durch den leeren Raum bewegten und nicht die Erde das Zentrum des Universums sei. Diese Umänderung der Denkart, die man einen Paradigmenwechsel nennt, löste bei vielen Menschen damals sicherlich große Ängste aus. Sie stellten sich die Frage: „Welchen Sinn sollte das menschliche Dasein haben, wenn wir nicht das Zentrum der Schöpfung sind, sondern irgendwo im leeren Weltall herumschweben?“ Dementsprechend hart agierte die Kirche gegen die Kopernikanische Wende und verteidigte die alten Dogmen, um Chaos und Ängste, aber vor allem auch ihren Einfluss zu verlieren.
Ähnliche Angstzustände könnte man heute bei streng religiösen Christen erzeugen, wenn man behauptet, dass Jesus gar nicht gekreuzigt wurde. Der Quran sagt nämlich in Sure 4 Vers 157:
[…] sie sagten: „Gewiss, wir haben Jesus, den Sohn Marias, den Gesandten Allahs getötet.“ - Aber sie haben ihn weder getötet noch gekreuzigt, sondern es erschien ihnen so.
Der letzte Satz wird von den meisten muslimischen Gelehrten so ausgelegt, dass ein anderer gekreuzigt wurde, der Jesus ähnlich sah, wie etwa Simon von Sirene, der auch in den ersten christlichen Überlieferungen erwähnt wird.
Auch wenn man die Aussage des Quran ablehnt, so bleibt die kürzlich veröffentlichte These des Frankfurter Historikers Johannes Fried, mit der er die Christen in seinem Buch Kein Tod auf Golgatha [12]. Er behauptet, dass Jesus durch seine Verletzungen während der Geißelung nur einen Scheintod erlebt habe und nach seiner Genesung im kühlen Grab nach Indien zu den verlorenen Schafen Israels gehen können. Heutige medizinische Kenntnisse sollen ergeben haben, dass Jesu Lunge teilweise voll Wasser lief, wodurch er eine Art CO2-Hypnose erlitt. Ausgerechnet der Lanzenstich soll dazu beigetragen haben, dass das Wundwasser abfloss und er langsam wieder zu sich kommen konnte. Für mich als Muslim stellt diese Theorie überhaupt kein Problem dar, zumal es in Kaschmir in Indien tatsächlich ein Haus gibt, von dem die Leute behaupten, dass Jesus darin gewohnt habe. Vielleicht wird es eines meiner nächsten Reiseziele, damit ich die Energie an diesem Ort spüren und sie vergleichen kann, mit der Energie, die ich als Kind immer gefühlt habe, wenn Jesus in mir präsent war.
Viele strenggläubige Muslime kann man schon mit Mohamed-Karikaturen oder Kritik am Quran so wütend machen, dass sie bereit wären, gewalttätig zu werden. Dies hat sich 2011 gezeigt, als auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo ein Brandanschlag verübt wurde, eben weil es Karikaturen veröffentlicht hatte, welche viele Muslime zutiefst verletzten. Obwohl im Arabischen das Wort Dschihad so etwas wie Anstrengung bedeutet, sehen gerade strenggläubige Muslime darin einen Auftrag, alles, was sie als Gotteslästerung ansehen, aus der Welt zu schaffen, und notfalls dabei über Leichen zu gehen. In ihren Augen greift man die Basis ihrer Existenz und Würde an.
Ich persönlich finde, dass es auch bei solchen Gotteslästerungen keine Rechtfertigung für die religiös