Christian Macharski

Die Höhle des Löwen


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schüttelte den Kopf. „Nee, nicht so direkt.“

      „Komm Schatz, lass uns jetzt hier auf der Couch ein Kind machen.“

      Fredi brach der Schweiß aus. Mit sanfter Gewalt löste er sich aus der Umklammerung und sagte: „Moment, ich geh mich eben schnell frisch machen im Badezimmer.“

      Sabrina gab ihm noch einen Kuss und hauchte ihm ins Ohr: „Ich warte hier auf dich, Baby. Beeil dich.“

      „Ja klar.“

      Fredi lief hoch ins Bad und schloss die Tür hinter sich ab. Sein Herz raste. Mit zittrigen Händen zog er sein Handy aus der Hosentasche und tippte hektisch eine Nummer ein. Ungeduldig wartete er, bis am anderen Ende endlich das Gespräch angenommen wurde.

      „Borowka!“

      „Hör zu, ich hab nicht viel Zeit. Sabrina liegt unten auf der Couch und die will mich verführen. Stell dir vor – einfach so, auf der Couch vorm Fernseher bei normales Licht.“

      Borowka brauchte ein paar Sekunden, um den Satz zu entwirren. Dann rief er erfreut: „Ja super. Was ist dein Problem? Ran an der Speck. Hör mal, ich wär froh, wenn Rita mal wieder spontan der Küchentisch freiräumen würde. Aber die Zeiten sind bei uns lange vorbei. Wir brauchen den bloß noch zum Essen. Also, lass der Hammer kreisen!“

      „Ja, Moment. Die will aber, dass wir ohne … hier, du weißt schon. Ohne Verhütungsmittel …“

      Betretenes Schweigen am anderen Ende. Plötzlich war jede Euphorie aus Borowkas Stimme verschwunden. „Ach du Scheiße. Ich verstehe. Das ist also eine Falle“, begann er, sachlich die Lage zu analysieren. „Pass auf. Lass dich da bloß nicht drauf ein. Sag, du hättest spontan Migräne bekommen, für ein bisschen Zeit zu gewinnen. Und dann lässt du dich die Tage irgendswo in eine holländische Klinik heimlich stilisieren. Ich könnte dir ein paar Adressen besorgen.“

      „Bist du bekloppt, Borowka?“, rief Fredi entsetzt in sein Telefon. „Du hast mich falsch verstanden. Ich will ja Kinder mit Sabrina haben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das im Moment nicht vielleicht noch was zu früh ist.“

      „Okay, beruhig dich erst mal. Du befindest dich gerade in ein psychischer Ausnahmezustand. Ich habe diese Diskussionen gefühlte tausend Mal mit Rita geführt. Aber irgendswann hat die auch eingesehen, dass Kinder bloß Ärger bedeuten. Überleg doch mal. Mit Kinder ist von heute auf morgen Schluss mit Party, Palmen, Sonnenschein. Dann siehst du unsere Stammdisko Himmerich nur noch von außen, wenn du da vorbeifährst, für dein verwöhntes Kind durch die Gegend zu gondeln. Aber das wär noch nicht das Schlimmste, weil du sowieso nicht mehr weggehen könntest. A, weil du keine Zeit mehr hast und B, weil du keine Kohle mehr hast. Da gibst du dein sauer verdientes Geld nämlich nur noch für Babybrei, Windeln und kaputte DVD-Laufwerke aus, wo Schokolade drin geschmolzen ist. Du kannst nie wieder ausschlafen, nie wieder Bundesliga gucken, ständig läufst du mit nackte Füße über Legosteine. Und wenn die Rotzlöffel erst mal reden können, dann löchern die dich der ganze Tag mit bescheuerte Fragen: Warum sind Pizzaschachteln eckig? Warum hat Tarzan kein Bart? Warum stinken Fische, obwohl die ständig baden? Nur so ein Scheiß. Das weiß ich alles von der Ralf Richterich. Der ist doch nur noch ein Schatten von sich selbst, seit der Kinder hat. Aber weißt du, was das Allerschlimmste ist?! Lass dir das von ein Frauenexperte gesagt sein: Kinder machen aus Frauen Mütter! Und das bedeutet im Klartext: Das Vergnügungsviertel im Schlafzimmer wird mit sofortige Wirkung von Amts wegen geschlossen. Und dass die Sabrina sich jetzt gerade unten auf dein Wohnzimmerteppich am rumräkeln ist, das ist alles nur ein Fortpflanzungstrick. Das habe ich mal zufällig bei ‚Discovery Channel‘ gesehen. Erinner dich mal dadran, wie der Grillcontainer hier bei uns in Saffelen aufgemacht hat. Die ersten Wochen gab es Riesenportionen für kleines Geld. Von da an ist das immer weniger geworden. Und heute kannst du froh sein, wenn die paar labberigen Fritten überhaupt richtig heiß sind.“

      „Jetzt mach aber mal ein Punkt, Borowka. Du kannst Sabrina doch nicht mit eine Portion Fritten vergleichen.“

      „Das ist doch nur ein Beispiel. Oder hier der Sascha Paulussen von der Pastor-Müllerchen-Straße. Der hatte sein ganzes Leben lang keine Freundin. Da lernt der an sein 39. Geburtstag die Natascha kennen. Ein Monat später ist die hochschwanger. Und jetzt muss der die heiraten. Der ist total am Ende der Mann.“

      Fredis Puls hatte sich wieder beruhigt. Leise sprach er ins Telefon: „Ist ja gut. Ich hab verstanden, was du mir sagen willst, Borowka. Aber ganz so dramatisch seh ich das gar nicht. Wir wollen ja Kinder. Ich weiß nur nicht, ob das nicht noch ein bisschen zu früh ist. So lange sind wir ja auch noch nicht zusammen.“

      Plötzlich hörte er, dass Sabrina die neue „Kuschelrock“ aufgelegt hatte, seine Lieblings-CD. Erneut überkam ihn die Lust, die ihn bereits vorhin im Wohnzimmer fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Die Hormone übernahmen wieder das Kommando in seinem Kopf und strichen alle seine Bedenken mit rosaroter Farbe an. Schnell verabschiedete er sich von Borowka und hatte ihn so schnell weggedrückt, dass er dessen lang gezogenes „Neeeeein!“ gar nicht mehr mitbekam.

      Richard Borowka stand in seiner Küche und starrte auf das erloschene Display. Fassungslos schüttelte er den Kopf. Er hoffte inständig, dass sein Kumpel zur Besinnung kommen würde, bevor es zu spät war. Doch jetzt musste er sich auf seine Mission konzentrieren. Nachdem Rita zu ihrem allwöchentlichen Mädelsabend aufgebrochen war, hatte er alles bereitgelegt, was er brauchte: Werkzeug, Stemmeisen und eine Sturmhaube. Während er auf Hastenraths Will wartete, der ihn abholen wollte, sobald Marlene in der Badewanne saß, trank er sich ein wenig Mut an, um im Falle des Erwischtwerdens auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren zu können. Vier, fünf Wodka-Red-Bull waren kein Problem, da er sich durch den Adrenalinkick, den ihm diese illegale Aktion verlieh, topfit fühlte. Endlich wieder Action. Er streifte seine schwarze Bomberjacke über und fühlte sich dabei wie ein Mitglied der „Avengers“, das sich auf einen Einsatz vorbereitete. Es klingelte. Iron Man griff seine Tasche mit den Wunderwaffen und öffnete die Tür. Dort wartete bereits Captain America in Gummistiefeln.

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