Meine Geschichte
Gut zehn Jahre lang klagte ich über Bauchschmerzen, anfangs alle paar Tage, zuletzt täglich. Während ich größtenteils bis spät nachmittags beschwerdefrei blieb, kamen die krampfartigen Bauchschmerzen meist abends ein bis zwei Stunden nach dem Abendessen. Lust, noch auszugehen, hatte ich dann meist keine mehr: Mein aufgeblähter Bauch sah nicht nur äußerst unschön aus, ich konnte mich an schlimmen Tagen kaum aufrecht halten. Am liebsten blieb ich also zuhause und kuschelte mich in Embryonalstellung und mit meiner heiß geliebten Wärmflasche auf dem Bauch auf das Sofa oder ins Bett. Morgens waren die Schmerzen dann weg – und der Tag verlief ähnlich wie der vergangene Tag.
Diesen Ablauf versuchte ich mehrmals zu durchbrechen, besuchte zahlreiche Ärzte: Allgemeinmediziner, Internisten, Gynäkologen, Hautärzte – keiner konnte mir weiterhelfen. Alle Blut- und Stuhluntersuchungen verliefen ohne auffälligen Befund, auf eine Laktose- und Fruktose-Unverträglichkeit wurde ich untersucht, ebenfalls mit negativem Ergebnis. Auch eine grundlegende Darmsanierung mit Milchsäurebakterien hatte ich schon hinter mir – mit keinerlei positiven Effekten, zeitweise hatte ich sogar das Gefühl, dass sich die Beschwerden verstärken würden. Letztendlich lautete die Diagnose RDS: »Sie leiden am Reizdarmsyndrom, da kann man nichts machen. Da werden Sie mit leben müssen, ich kann Ihnen höchstens etwas gegen die Schmerzen verschreiben …«. Immer hörte ich Ähnliches. Da ich stets sehr sportlich war und mich gesund ernährt habe, schoben es die Ärzte auf den Stress, doch auch in ruhigen Zeiten, im Urlaub, stellte ich nur gelegentlich Besserung fest.
Ich entschied mich für einen vegetarischen Lebensstil, der mir anfangs sehr gut zu bekommen schien, mein Versuch, auf vegane Ernährung umzusteigen, scheiterte jedoch daran, dass ich feststellte, Soja – und besonders Sojadrink – nicht zu vertragen, zumindest nicht in großen Mengen – ich blieb Vegetarierin. Und ich führte Tagebuch: Bei Rohkost am Abend waren meine Bauchschmerzen schlimmer, nach Alkohol am Vortag auch. Ich ernährte mich streng nach Ayurveda – warme Gewürze, viel Curry und Kurkuma – und stellte fest, dass mir das nicht nur schmeckte, sondern auch sehr gut bekam.
Doch so sehr ich auch versuchte, herauszufinden, welche Nahrungsmittel ich nicht vertrage und welche schon, so ganz dahinter kam ich jahrelang nicht – es gab einfach gute und schlechte Zeiten.
Eines Tages kam dann die Erleuchtung: Kein Arzt hatte mir geholfen, ich selbst hatte einmal mehr auf meinen Körper gehört. Im achten Jahr machte ich nach dem immer gleichen Programm in der Fastenzeit vor Ostern Heilfasten – am fünften Tag, nachdem ich bereits vier Tage lang nichts gegessen hatte, waren die Schmerzen plötzlich wieder da – stärker denn je. Ich hatte die Nase voll, schnappte mir meinen Laptop und verzog mich – natürlich mit meiner Lieblingsbegleiterin, der Wärmflasche, – auf mein Sofa im Büro.
Fünf Stunden später war es mir sonnenklar: Ich litt schon seit Jahren an einer Histamin-Unverträglichkeit. Alle Informationen, Beschreibungen von Krankheitsbildern und Symptomen hatte ich eins plus eins zusammengezählt und besorgte mir noch am selben Tag einen Termin bei meinem Hausarzt für einen Histamin-Bluttest. Die zuständige Ärztin war anfangs von meiner »Selbstdiagnose« keineswegs begeistert und versuchte mir klarzumachen, dass Histaminintoleranz sehr selten sei, – zwei Wochen später und fünfzig Euro leichter hatte ich es schwarz auf weiß: Mir »fehlt« ein Enzym, um Histamin aus Lebensmitteln vollständig im Darm abzubauen. Meine Histamin-Unverträglichkeit wurde mir damit bestätigt: Ich verfüge nicht über ausreichende Mengen des Enzyms Diaminoxidase (DAO).
Da meine Nichte bereits im jungen Alter von sieben Jahren über erste ähnliche Symptome klagte, ließen wir sie ebenfalls überprüfen und unser Verdacht bestätigte sich entgegen der anfänglichen Meinung eines erfahrenen Homöopathen: Auch sie ist von einer leichten Unverträglichkeit gegenüber Histamin betroffen, sodass wir bei ihr schon jetzt rechtzeitig mit einer diätetischen Lebensweise mit wenig Histamin versuchen können, die Beschwerden zu verringern und einer möglichen Verschlimmerung vorzubeugen.
In der Zwischenzeit habe ich gelernt, damit umzugehen, dass ich eine Vielzahl von Lebensmitteln nicht essen darf oder den Verzehr teuer mit Schmerzen bezahlen muss. Anfangs habe ich Stunden im Supermarkt damit verbracht, Inhaltsangaben zu studieren, und mir vor jedem Essen überlegt, was ich wie jetzt überhaupt noch kochen kann. Eine eingehende Beratung seitens meiner Ärztin hatte ich im Anschluss an die Diagnose nicht bekommen. Da mir persönlich aber sowohl das Kochen als auch das Essen stets sehr viel Freude bereitet haben, entschied ich mich dazu, diesen Ratgeber zu schreiben mit dem Wunsch, anderen Betroffenen nach der Diagnose etwas helfen und ihnen Hoffnung geben zu können, und um aufzuzeigen, dass man trotz Histaminintoleranz gesund und vegetarisch essen und Spaß am Kochen haben kann … und es zudem auch allen anderen schmeckt.
Viel Spaß beim Nachkochen und Weiterentwickeln,
Ihre
Hintergründe zur Unverträglichkeit
Histamin
Histamin (2-(4-Imidazolyl)-ethylamin) ist ein biogenes Amin. Biogene Amine entstehen im Stoffwechsel von Menschen, Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen durch den Umbau von Eiweißbausteinen, den Aminosäuren. Der Zusatz »biogen« bedeutet, dass diese Substanz im lebendigen Stoffwechsel entsteht. Ein bestimmtes biogenes Amin geht dabei durch enzymatische Abspaltung einer Molekülgruppe aus seiner ursprünglichen Aminosäure hervor. So wird Histamin aus der Aminosäure Histidin gebildet. Die hierfür nötigen Enzyme sind in tierischen und pflanzlichen Geweben und auch in Mikroorganismen wie Bakterien weit verbreitet.
Histamin, das unser Körper selbst produziert, wirkt als Gewebshormon und Botenstoff. Beim Menschen und vielen anderen Säugetieren spielt dieser körpereigene Naturstoff eine zentrale Rolle bei Allergien, er ist an Reaktionen des Immunsystems, also an der Abwehr körperfremder Stoffe, an Entzündungsreaktionen und der Wundheilung beteiligt. Auch im Magen-Darm-Trakt, bei der Regulation der Magensäureproduktion und der Magen- und Darmbewegung, sowie im Zentralnervensystem, bei der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus, wirkt Histamin als wichtiger Botenstoff.
Histamin wird im Körper insbesondere in den körperabwehraktiven Mastzellen, in basophilen Granulozyten, die zu den weißen Blutkörperchen zählen, in Thrombozyten und in einigen Nervenzellen gespeichert. Aus diesen Zellen wird Histamin bei Stimulation freigesetzt. So sind zum Beispiel die körperlichen Reaktionen nach dem Kontakt mit Brennnesseln oder nach einem Bienenstich durch Histamin bedingt. Das Histamin kann in Augen und Nase zu Juckreiz und vermehrter Schleimbildung führen, die Bronchien können sich zusammenziehen, sodass die Atmung behindert ist, und Magen und Darm können mit Krämpfen und Durchfall reagieren.
Neben Histamin, das unser Körper selbst produziert, nehmen wir Histamin auch mit der Nahrung auf. In Lebensmitteln entsteht Histamin im Verlauf mikrobieller Tätigkeit, also durch gewünschte Reife-, Gärungs- und Fermentationsprozesse und durch (unsachgemäße) Lagerung, deshalb gilt: Je länger ein Produkt gereift ist, desto mehr Histamin enthält es.
Mit der Nahrung zugeführtes Histamin wird normalerweise größtenteils im Darm abgebaut, sodass Nahrungshistamin nur in kleinsten und gesundheitlich unproblematischen Mengen ins Blut gelangt. Erst bei hohen Zufuhrmengen oder wenn das Histamin ungenügend abgebaut wird, kann es zu Problemen und sogar Vergiftungen kommen. Eine Einzeldosis von etwa 10 mg Histamin gilt beim Erwachsenen als durchschnittlich gerade noch verträglich. Bei Menschen mit Histaminintoleranz kann die Verträglichkeitsgrenze jedoch deutlich herabgesetzt sein. Mehr als 10 mg Histamin können unabhängig von einer Intoleranz zu einer Histaminvergiftung mit akuten Beschwerden wie Atemnot, Blutdruckabfall, plötzlichem Hautausschlag und heißer, roter Haut, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Kopfschmerzen