erklärte sie. „Sie hilft mir ein bisschen und sorgt dafür, dass ich nicht völlig durchdrehe - nach dem, was passiert ist.”
Ein ungefähr siebenjähriger Junge schaute durch die Tür herein und musterte uns. Ich sah ihn an.
„Jagen Sie die Drogenhändler?”, fragte der Junge.
„Unter anderem tue ich auch das”, sagte ich.
„Dann hoffe ich, dass Sie den kriegen, der die Drogen an meinen Vater verkauft hat”, meinte er und sein Gesicht wurde ziemlich finster dabei. Er drehte sich um und ging wieder hinaus.
„Kannst du dich um die Kinder kümmern?”, wandte sich Janina Nöllemeyer an ihre Schwester.
„Natürlich.”
„Dann kann ich mich besser unterhalten.”
Wenige Augenblicke später waren wir mit Janina Nöllemeyer allein im Raum. Sie saß in sich zusammengesunken da, die Schultern nach vorn gebogen, das Gesicht von ein paar markanten Linien durchzogen, die sich unmöglich erst in der kurzen Zeit, die seit dem Tod ihres Mannes vergangen war, in ihr feingeschnittenes Gesicht gebildet haben konnten.
„Wie haben denn Ihre Kinder den Tod Ihre Mannes aufgenommen?”, fragte ich.
„Ich glaube, die haben das noch gar nicht richtig begriffen”, sagte Janina Nöllemeyer. Sie hob die Schultern etwas an. Den direkten Blickkontakt vermied sie. „Irgendwie ist das auch nicht verwunderlich. Friedhelm war mehr in der Agentur als zu Hause. Das Geschäft mit der Werbung ist nicht mehr die Goldgrube, die es vielleicht vor ein paar Jahren noch war. Der Wettbewerb ist enorm hart und da bleiben nur die besten Agenturen letztlich über Wasser.”
„Sie wussten, dass Ihr Mann Kokain genommen hat?”
„Ja. Je schlimmer der Druck wurde, desto mehr hat er davon genommen. Ich weiß, es klingt schrecklich, aber irgendwie habe ich damit gerechnet, dass man ihn irgendwann mal so finden würde. Mit einer Überdosis.” Eine zusätzliche Falte erschien auf ihrer Stirn, als sie nun den Blick hob. „Sie sind vom BKA? Es gibt so viele Drogentote. Wieso interessiert sich das BKA für meinen Mann?”
Rudi und ich warfen zur gleichen Zeit einen fragenden Blick zu Maik Ladberger, der nur mit den Schultern zuckte. Offenbar hatte man die Angehörigen von Friedhelm Nöllemeyer zwar darüber informiert, dass Nöllemeyer umgekommen war, aber nicht darüber, dass man davon ausging, dass man es mit einem Mord zu tun hatte.
„Ihr Mann hat Heroin-Pulver geschnupft - anstatt Kokain”, sagte ich.
„Das hat man mir gesagt. Und auch, dass das wohl die Todesursache war. Aber früher oder später musste er ja mal an einen Dealer geraten, der ihm falschen Stoff anbietet. Ich habe mich etwas im Internet schlau gemacht. Wenn man so hört, was da manchmal so alles an Zusätzen drin ist, fragt man sich, wie jemand so etwas überhaupt zu sich nehmen kann!”
„In diesem Fall gehen wir davon aus, dass das mit Vorsatz geschah”, erklärte ich.
Sie sah mich an. „Wie meinen Sie das?”
„Heroin ist dreimal so teuer wie Kokain. All die Zusätze, von denen Sie sprachen, dienen dazu, den Stoff zu verlängern und mehr Gewinn herauszuschlagen. Wer immer Ihrem Mann dieses falsche Kokain verkauft hat, muss ein sehr schlechtes Geschäft gemacht haben.”
„Und wer... sollte so etwas tun?”
„Das wissen wir nicht. Es gibt mehrere Fälle, die dem Ihres Mannes ähneln. Ob das ganze Teil einer Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Drogensyndikaten um Marktanteile ist, oder ob die Opfer irgendetwas gemeinsam haben, wissen wir bisher nicht.”
Frau Nöllemeyer schluckte. Ihr Gesicht wirkte angestrengt und wurde jetzt dunkelrot. „Davon hat mir bisher niemand etwas gesagt.”
„Frau Nöllemeyer, ich möchte dass Sie sich die Liste der bisherigen Opfer ansehen. Wenn Ihnen irgendein Name bekannt sein sollte, dann sagen Sie es uns. Wir haben außerdem Fotos, die Sie sich auf dem Laptop meines Kollegen Kriminalinspektor Meier ansehen können. Dafür gilt dasselbe: Wenn Sie irgendeine dieser Personen schon einmal gesehen haben oder Ihr Mann vielleicht mal einen der Namen erwähnt hat…”
„Gut”, sagte sie. „Ich werde tun, was Sie wollen.”
Rudi hatte sein Laptop dabei und klappte es auf. Bis es hochgefahren war, hatte ich ich Zeit für eine weitere Frage.
„Ich habe in den Unterlagen gelesen, dass man in der Manteltasche Ihres Mannes einen Revolver gefunden hat.”
„Ja, er hatte so ein Ding seit einiger Zeit immer bei sich.”
„Warum? Gab es dafür einen bestimmten Grund?”
„Er hat sich die Waffe angeschafft, nachdem er vor drei Jahren überfallen wurde und ihm irgendwelche Straßengangster die Brieftasche abgenommen haben. Er hat immer gesagt, das hätte ihn verändert….”
„Sie sagen das so, als…”
„...als ob ich das nicht so richtig geglaubt hätte?”
„Das sind jetzt Ihre Worte.”
Sie nickte. „In den den ersten anderthalb Jahren nach dem Überfall lag die Waffe meistens hier zu Hause im Schrank. Aber dann wurde es schlimmer mit ihm. Er glaubte andauernd, dass er verfolgt wird, und dass irgendwer es auf ihn abgesehen hätte.”
„Hat er genaueres dazu gesagt?”
„Ich glaube, das hing alles mit seiner Sucht zusammen. Ich habe mich erkundigt. Paranoide Schübe können eine Nebenwirkung sein.”
„Sie meinen, er hat sich das alles nur eingebildet?”
„Er war manchmal unausstehlich. Dass er mit einer Waffe herumlief war ja nur ein Aspekt. Ich war einmal dabei, als er den Revolver urplötzlich aus der Jacke zog und auf irgendeinen Passanten richtete, weil er glaubte, der hätte ihn verfolgt.”
„Was ist dann passiert?”
„Ich konnte die ganze Situation bereinigen. Und zum Glück hat der Mann das auf sich beruhen lassen und Friedhelm nicht angezeigt.”
„Hat Ihr Mann irgendwo Hilfe gesucht?”
„Nein. Hat er nicht. Er beharrte darauf, dass alles in Ordnung sei. Und dass er das Kokain nur ab und zu brauche, um länger wach zu bleiben und um mehr Ideen zu haben. Aber ich glaube nicht, dass er dadurch mehr Ideen hatte. Ich glaube eher, dass er sich damit zu Grunde gerichtet hat.”
„Ich habe im Tatort-Bericht gelesen, dass Ihr Mann in seiner Manteltasche noch die Karte einer Anti-Drogen-Organisation hatte. Werfen Sie darauf mal einen Blick?”
Ich hielt ihr mein Smartphone hin und zeigte ihr eine Aufnahme dieser Visitenkarte. Sie war deutlich zu lesen.
„Kampf den Drogen Stiftung”, las Janina Nöllemeyer.
„Sagt Ihnen nichts?”
„Nein.”
„Und der Name des Mitarbeiters: Gieselher Omienburg? Hat er den mal erwähnt?”
Sie schüttelte den Kopf. „Ich wäre sehr glücklich gewesen, wenn er tatsächlich professionelle Hilfe gesucht hätte. Vielleicht hätte das unsere Ehe und unsere Familie noch retten können.”
„So schlimm stand es also schon?”
„Ja”, murmelte sie. „Diese unbegründeten Stimmungsschwankungen, die plötzliche Aggression. Unser Ältester hatte nachts Alpträume davon. Friedhelm war nicht oft hier, aber wenn, dann war es für unseren Ältesten meistens kein schönes Erlebnis.”
Rudi hatte inzwischen die Anzeige auf dem Laptop soweit vorbereitet, dass sich Janina Nöllemeyer die Liste der anderen Opfer mit den dazugehörigen Fotos ansehen konnte.
Zuerst zeigte Rudi ihr die Bilder der anderen Opfer, die es in Frankfurt gegeben hatte. Anschließend