Form in eine andere umgewandelt werden kann, bleibt die Gesamtenergie immer konstant.
G.5 Die Beziehung zwischen molekularen und makroskopischen Eigenschaften
■ Das Wichtigste in Kürze: (a) Die Energieniveaus von räumlich eingegrenzten Teilchen sind quantisiert. (b) Die Boltzmannverteilung ist eine Gleichung, mit der die relativen Besetzungszahlen von Zuständen mit unterschiedlichen Energien berechnet werden können. (c) Der Gleichverteilungssatz macht es möglich, die mittleren Energien mancher Systeme zu berechnen.
Die Energie eines Moleküls, Atoms oder subatomaren Teilchens, das auf einen Raumbereich eingegrenzt ist, ist quantisiert (oder gequantelt), d. h. auf einen Satz von diskreten Werten eingeschränkt. Diese erlaubten Energien werden als Energieniveaus bezeichnet. Die Werte der erlaubten Energien hängen von den Eigenschaften des Teilchens (beispielsweise seiner Energie) und der Größe des Raums ab, in den es eingesperrt ist. Die Quantisierung der Energie ist am wichtigsten, d. h. die Abstände zwischen den erlaubten Energieniveaus sind am größten, wenn sehr leichte Teilchen auf einen sehr kleinen Raumbereich eingeschränkt sind. Folglich ist die Quantisierung für Elektronen in Atomen und Molekülen von großer Bedeutung, für makroskopische Objekte jedoch in der Regel vernachlässigbar. Für Teilchen in makroskopischen Behältern sind die Abstände der Energieniveaus so klein, dass die Bewegung der Teilchen durch den Raum – also ihre Translation – für alle praktischen Zwecke als unquantisiert betrachtet werden kann. Wie wir in Kapitel 7 sehen werden, wird die Quantisierung zunehmend wichtiger, wenn wir von Rotationszu Schwingungsbewegungen und schließlich zu elektronischen Bewegungen übergehen. Die Abstände der Energieniveaus der Rotation (in kleinen Molekülen etwa 10–23 J oder 0.01 zJ entsprechend 0.01 kJ mol–1) sind kleiner als die der Energieniveaus der Schwingung (etwa 103 kJ mol–1), die wiederum kleiner als die Abstände der elektronischen Niveaus (etwa 10–18 J oder 1 aJ entsprechend 103 kJ mol–1). In Abb. G-4 sind die typischen Abstände der verschiedenen Energieniveaus dargestellt.
Kommentar G-1
Die ungewöhnlichen, aber nützlichen Präfixe z (für zepto) und a (für atto) werden in Abschnitt G.7 erläutert.
G.5.1 Die Boltzmannverteilung
Abb. G.4 Die typischen Abstände der Energieniveaus (als Wellenzahlen ausgedrückt) in vier Arten von Systemen.
Die unaufhörliche thermische Bewegung der Moleküle in einer Probe bei T > 0 sorgt dafür, dass sie gleichmäßig über alle verfügbaren Energieniveaus verteilt sind. Ein bestimmtes Molekül mag in einem konkreten Moment in einem Zustand mit niedriger Energie sein und dann einen Moment später in einen energiereichen Zustand angeregt werden. Obwohl wir den Zustand dieses individuellen Moleküls nicht verfolgen können, können wir etwas über die durchschnittlichen Zahlen von Molekülen in jedem Zustand aussagen. Auch wenn einzelne Moleküle ihre Zustände als Ergebnis von Stößen verändern können, bleibt die durchschnittliche Zahl von Molekülen in jedem Zustand doch konstant (so lange die Temperatur des Systems konstant bleibt).
Die durchschnittliche Zahl der Moleküle in einem Zustand wird seine Besetzungszahl oder Population genannt. Bei T = 0 ist nur der Zustand mit der niedrigsten Energie (der Grundzustand) besetzt. Durch eine Erhöhung der Temperatur werden einige Moleküle in energiereichere Zustände angeregt, und je weiter die Temperatur erhöht wird, desto mehr Zustände werden für die Teilchen zugänglich (Abb. G-5). Die relativen Besetzungszahlen von Zuständen mit unterschiedlicher Energie kann man mithilfe der Boltzmannverteilung berechnen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts von dem österreichischen Physiker Ludwig Boltzmann hergeleitet wurde. Obgleich wir diese Verteilung in Kapitel 15 im Detail herleiten und diskutieren werden, müssen wir schon jetzt festhalten, dass sie für das Verhältnis der Teilchenzahlen in zwei Zuständen mit den Energien Ei und Ej
Abb. G.5 Die Boltzmannverteilung der Besetzungszahlen für ein System mit fünf Energieniveaus bei einer Erhöhung der Temperatur von null bis unendlich.
ergibt, wobei k die Boltzmannkonstante ist, eine Fundamentalkonstante mit dem Wert k = 1.381 × 10–23 J K–1. Diese Konstante wird uns überall in der Physikalischen Chemie wieder begegnen, oft auch in versteckt (auf ein Mol bezogen) in Form der Gaskonstante; es gilt
(g.10)
wobei NA die Avogadrokonstante ist. Wir werden in Kapitel 15 sehen, dass die Boltzmannverteilung die entscheidende Verbindung ist, mit deren Hilfe wir die makroskopischen Eigenschaften von Materie aus den Eigenschaften der sie aufbauenden Atome und Moleküle berechnen können.
Die entscheidenden Merkmale der Boltzmannverteilung, die wir uns merken müssen, sind:
Je höher die Energie eines Zustands ist, desto weniger wird er besetzt.
Je größer die Temperatur ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein energiereicher Zustand besetzt wird.
Wenn die Abstände der Energieniveaus von der Größenordnung kT oder kleiner sind (wie z. B. die Energieniveaus der Translation oder Rotation), werden mehr Niveaus signifikant besetzt als wenn sie weit voneinander entfernt sind (wie die Niveaus der Schwingung oder der elektronischen Zustände).
Abbildung G-6 skizziert die Form der Boltzmannverteilung für einige typische Sätze von Energieniveaus. Der eigenartige Verlauf der Populationen für Rotationsniveaus hängt damit zusammen, dass Gl. (G-9) für individuelle Zustände gilt, bei Rotationszuständen aber die Zahl der Zustände einer gegebenen Energie mit steigender Energie stark zunimmt. Vereinfacht gesagt nimmt die Zahl der möglichen Rotationsebenen mit steigender Rotationsenergie zu. Obwohl daher die Population der individuellen Zustände mit steigender Energie abnimmt, verläuft die Population der Energieniveaus durch ein Maximum.
Eines der einfachsten Beispiele für eine Beziehung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Eigenschaften stammt aus der kinetischen Gastheorie, einem Modell eines idealen Gases. In diesem Modell wird angenommen, dass die Moleküle, die man sich als Teilchen mit vernachlässigbarer Ausdehnung vorstellt, sich in unaufhörlicher zufälliger Bewegung befinden und nicht miteinander wechselwirken außer durch kurze Stöße. Unterschiedliche Geschwindigkeiten entsprechen unterschiedlichen kinetischen Energien, weshalb wir die Boltzmannverteilung verwenden können, um zu berechnen, welcher Anteil der Moleküle bei einer gegebenen Temperatur eine bestimmte Geschwindigkeit hat. Der Ausdruck