strich, um anschließend die seidig dunklen Haare zu berühren.
Ich griff also wieder ins Glas, bekam den zweiten Sauger im Schleim kaum zu fassen und platzierte ihn anschließend.
Gerade drückte ich das Tier noch einmal fest, da drehte Khaos plötzlich den Kopf zurück zu mir. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Automatisch hielt ich die Luft an und war für einen Moment viel zu erschrocken, um mich zu bewegen. Seine schmalen türkisfarbenen Augen bohrten sich in meinen Blick und mein Kopf war voller Gedanken und Gefühle, die ausnahmsweise einmal nur mir allein gehörten.
»Wie alt bist du, Daya?«, fragte seine dunkle Stimme leise und mir wurde ganz komisch in der Brust. Mein Herz raste, meine Lunge wusste nicht mehr, wie man atmete und mein Verstand konnte sich einfach nicht darauf konzentrieren, was er mit dieser Frage gemeint haben könnte, weil er von meinen eigenen Gefühlen überfordert war.
Khaos hatte zum ersten Mal meinen Namen gesagt.
»Wieso ist das wichtig?«, brachte ich heraus, weil es meine Standardantwort auf die meisten Fragen war, die mich direkt betrafen. In meinem Bauch flatterte es, das Blut rauschte mir in den Ohren. Zum Glück wirkten meine Medikamente noch, sonst hätte ich sicher gleich mit einem Anfall rechnen müssen.
»Weil du mich verwirrst«, antwortete er mir und mein Herz kam ins Stolpern. »Du siehst aus wie ein Kind, gibst dich wie ein Kind. Aber deine Blicke sind die einer Frau.«
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was er damit meinte. Dass ich mich wie ein Kind gab, war Absicht, das war schließlich meine Masche. Sie war schon so natürlich für mich, dass ich mir kaum die Mühe machte, mich von ihr zu lösen.
Doch was waren denn die Blicke einer Frau?
»Ich bin etwa achtzehn. Je nach Zeitrechnung«, gab ich zu und wusste selbst nicht warum. Ich hatte bisher noch niemandem, absolut niemandem, mein Alter offenbart. Nie und zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben hatte ich zugegeben, älter als zehn Jahre alt zu sein und hatte auch jede Andeutung in diese Richtung im Keim erstickt.
Nur Krung hatte sich bisher die Mühe gemacht, es nachzurechnen, und das war meine eigene Schuld gewesen.
Doch vor Khaos schien ich keine Geheimnisse bewahren zu können. Nicht, wenn er sie mir auf diese Weise entlockte. Das machte mir Angst vor mir selbst.
»Also eine Frau«, stellte er fest und wandte dann den Kopf wieder ab, als sei es nur eine allgemeine Frage gewesen, die nicht im Geringsten etwas bedeutet hatte.
Und vielleicht war es ja auch so und nur ich hatte die Spannung gefühlt, das Herzklopfen ausgehalten, die Kontrolle über mich selbst verloren. Ich hätte in seiner Seele nachsehen können, doch mir fehlte immer noch die Konzentration dafür.
Verwirrt und ein bisschen vor den Kopf gestoßen trat ich einmal auf der Stelle und lief dann planlos, wie ich war, in irgendeine Richtung, bis ich beim Waschbecken landete. Geistesabwesend ließ ich das schmutzige Glasbehältnis hineingleiten und öffnete den Hahn, um es auszuwaschen.
Mein Herz schlug mir immer noch bis zum Hals und ich ahnte, dass, wenn diese Sache beendet war, ich an meiner eigenen zerbrochenen Seele zugrunde gehen würde.
10
Herzschlag
Ich versuchte so schnell wie möglich zu gehen, ohne dabei außer Atem zu geraten.
Über mir spürte ich die Seelen. Boz, der sich früher auf den Weg gemacht hatte, weil er es einfach nicht mehr aushielt, und Khaos und Ares, die dem Ganzen seltsamerweise mit Ruhe begegneten. Nicht mit Angst und Befürchtungen, so wie ich.
Als ich die ersten Treppenstufen erklommen hatte, setzte bereits ein heißer Schmerz in meinem Hinterkopf ein. Ich würde es in nächster Zeit ruhiger angehen lassen müssen.
Ich war bei Erikson gewesen, hatte seinen Verband gewechselt und seine Schmerzmitteldosis erhöht. Es ging ihm den Umständen entsprechend ganz gut. Er war ein zäher Kerl und er würde es auf jeden Fall überleben. Seine Seele war schummrig und umnebelt gewesen, im Rausch der schmerzlindernden Drogen, die Nefrot ihm brav nach Anweisung verabreicht hatte.
Nefrot schien eine besondere Art der Beziehung zu Erikson zu pflegen, die mir vorher gar nicht aufgefallen war. Er sah zu ihm auf, bewunderte ihn und Erikson kümmerte sich im Gegenzug immer mal wieder um Nefrot, sah in ihm so etwas wie einen Schüler. Die Bindung war nicht stark und auch nicht von tiefen Gefühlen begleitet, aber doch genug, dass Nefrot sich weiter um Erikson kümmerte, solange er es nicht selbst konnte. Er hatte sogar das Gefühl, es ihm schuldig zu sein.
Was mir nur recht sein konnte. Ich brauchte meine Konzentration zurzeit für andere Dinge. Zwei völlig verrückte Supersoldaten zum Beispiel, die nicht davor zurückscheuen würden, es zu zweit mit Boz und seiner ganzen Bande aufzunehmen. Und Cobal hatte recht mit seinem Gefühl. Es würde etwas schiefgehen, ich spürte es genau wie er.
Mein Herz schlug immer schneller, je näher ich der Krankenstation kam, obwohl ich beinahe die Treppen hochgeschlichen war. Doch die Angst drückte mir auf die Lunge und mein Puls machte immer noch, was er wollte, vor allem dann, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf Khaos richtete.
Nur seine Seele von Weitem zu spüren, pumpte mir Adrenalin in den Körper und ließ meinen Magen flattern. Und ich ahnte langsam, was das alles zu bedeuten hatte.
Meine Mutter hatte sich immer sehr reserviert gehalten, was Umschreibungen betraf, besonders beim Thema Liebe.
Natürlich war ich aufgeklärt, was die menschliche Natur und den körperlichen Akt der Zuneigung anging, mit dem auf diesem Planeten so viel Schande getrieben wurde, und der, laut meiner Mutter, zu etwas Besonderem, etwas Magischem gehören sollte. Etwas, das Menschen aus Liebe taten.
Doch von der Liebe zwischen Mann und Frau selbst hatte sie wenig preisgegeben.
Vielleicht damit ich es mir nicht vorstellen konnte und es so nicht ersehnte. Und auch in den Seelen anderer hatte ich aufflackernde Gefühle, die in diese Richtung gingen, nur selten und auch nur wenig ausgeprägt gesehen.
Aber all die Gefühle, die mich in letzter Zeit überrannten, chemische Reaktionen meines Gehirns, die sich nicht von innen heraus erklären ließen, weil sie alle ihren Ursprung in der Begegnung mit diesem einen Mann hatten, ließen mich darauf schließen, dass ich wohl verliebt war.
Jetzt, wo es passiert war, verstand ich auch, was meine Mutter gemeint hatte, als sie behauptete, es würde mir auf diesem Planeten nicht passieren. Sie hatte recht gehabt. Bei den Männern, die hier herumliefen, wäre mir das tatsächlich niemals passiert. Nicht mal, wenn ich gewusst hätte, wie es war und es mir herbeigewünscht hätte.
Der Ekel, den ich empfand, wenn ich auch nur daran dachte, einer von ihnen könnte mich irgendwie, in irgendeiner Art anfassen, schüttelte mich am ganzen Körper und verdrehte meinen Magen zu einem sauren Knoten.
Doch wenn ich an den Mann dachte, den ich durch die Scheibe betrachtet hatte, dessen Körper ich aus dem Eis geholt und dem ich in die Seele geschaut hatte, ohne zurückzuschrecken, dann wurde mir ganz warm.
Die Erinnerung an seine Augen machte mich kribbelig. Seine Haut unter meinen Fingern, und ich bekam Wünsche, von denen ich niemals gedacht hatte, sie jemals in meinen Gedanken zu finden. Dieser Mann machte alles anders und ich wusste noch nicht, wie ich damit umgehen sollte.
Schließlich war ich nur ich. Ich war keine starke, schöne Frau, wie meine Mutter es gewesen war. Ich war nicht übermäßig schlau, nicht besonders willensstark und wahrscheinlich auch nicht hübsch genug.
Kopfschüttelnd vertrieb ich all diese Überlegungen, die mich dazu brachten, mich klein und armselig zu fühlen. Früher hatte ich mir schließlich auch keine Gedanken darüber gemacht und war