Edna Meare

Mami Staffel 11 – Familienroman


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hin und her und hatte das Gefühl, gleich durchzudrehen.

      Sie mußte sofort zu Daniel. Sie hatte ihn im Stich gelassen. Niemals hätte sie ihn ihrer Mutter überlassen dürfen…

      Sie bestellte wieder ein Taxi und wartete auf der Straße, bis es endlich kam. Ihre Nerven lagen blank. Sie machte sich ohne Unterbrechung Vorwürfe.

      Auf der Kinderstation wurde sie zu ihrem Sohn geführt. Er lag mit geschlossenen Augen da, an eine Infusion angeschlossen. Ihre Mutter war nach Hause gefahren, wurde Christine mitgeteilt.

      »Bitte wecken Sie ihn nicht. Er ist erst vor einer halben Stunde eingeschlafen, nachdem er dauernd geweint und nach Ihnen gefragt hatte.«

      Die Schwester sah Christine vorwurfsvoll an.

      »Ich… war zum Essen aus. Er war doch gut aufgehoben bei meiner Mutter… Ich verstehe das alles gar nicht… Was war das denn für ein Medikament, das er nicht vertragen hat? Dr. Klausner ist doch immer sehr vorsichtig mit Medikamenten…«

      »Dr. Klausner? So hieß der Hausarzt aber nicht. Es war ein Dr. Bernd.«

      »Dr. Bernd? Sie müssen sich irren…«

      »Ich irre mich nicht. Ich habe das Medikament da, Ihre Mutter hatte es mitgebracht und uns den Namen des Arztes genannt.«

      »Dann war sie also bei ihrem Arzt…«

      »Mir scheint, Sie haben nicht unbedingt den Überblick.«

      Das hatte Christine wohl nicht anders verdient. Tief beschämt senkte sie den Kopf. Die Schwester ließ sich von ihrem Anblick offenbar erweichen, etwas freundlicher zu sein.

      »Er wird es ja schaffen, es besteht keine Gefahr mehr. Übrigens bekommt er Masern, deshalb liegt er isoliert.«

      »Kann er denn wieder nach Hause?«

      »Ein paar Tage muß er hierbleiben. Um sicher zu sein, daß es keine Nachwirkungen für die Nieren gibt.«

      »Ja…, natürlich…«

      »Bleiben Sie noch einen Moment und kommen Sie dann morgen früh wieder.«

      Christine setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und sah Daniel unverwandt an. Er wirkte so blaß und spitz, nur die roten Flecken auf den Wangen zeugten noch von dem Fieber. Beinahe hätte sie ihn verloren…

      »Es tut mir so leid, Daniel…, ich habe dich lieb…«, flüsterte sie fast stimmlos, um ihn nicht zu wecken, obwohl sie sich nichts mehr wünschte, als daß er die Augen aufschlagen und sie anlächeln möge.

      Die Nacht lag sie schlaflos im Bett und lauschte angsterfüllt auf das Telefon. Mit ihrer Mutter hatte sie noch zu sprechen versucht, doch ihr Vater hatte ihr grob erklärt, daß sie für genug Aufregung gesorgt habe und er nicht zuließe, daß sie seine Frau jetzt noch störe. Christine hatte keine Ahnung, was ihre Mutter ihm erzählt hatte, aber vermutlich nicht die Wahrheit.

      Am nächsten Morgen rief sie noch einmal an. Ihre Mutter überschüttete sie sofort mit Vorwürfen.

      »Du treibst dich in der Gegend herum, während dein Sohn auf Leben und Tod liegt! Du bist wirklich unverantwortlich, Christine!«

      »Du warst nicht bei Dr. Klausner, sondern bei deinem alten Hausarzt! Was denkst du dir nur dabei?«

      »Jetzt versuch bloß nicht, die Schuld zu verwischen! Daß er allergisch ist, konnte ja keiner wissen, aber du hättest zu Hause bleiben müssen! Das Kind hat so nach seiner Mutter geweint!«

      Christine wußte nichts zu entgegnen. Ihre Mutter hatte ja recht, sie hätte nicht weggehen und sich amüsieren dürfen…

      »Ich hole Daniel morgen wieder ab. Geh du nur arbeiten. Das ist dir ja so wichtig.«

      »Nein, ich bleibe zu Hause, solange Daniel krank ist. Ich muß nur noch hin und die Termine verteilen.«

      »Ich schaffe das sehr gut.«

      »Das habe ich ja gesehen. Schon gut, schon gut. Ich sage nichts mehr. Ich fahre jetzt ins Krankenhaus.«

      Christine fiel ein, daß sie auch Herrn Wolf Bescheid geben mußte. Ob er noch zu Hause war?

      Er nahm den Hörer ab und fragte sofort besorgt, was passiert sei, als er Christines Stimme hörte.

      »Daniel… Er ist krank. Er hatte eine Allergie auf ein Medikament und mußte ins Krankenhaus. Ich wollte nur Bescheid sagen, daß er für die… nächsten zwei Wochen wohl nicht kommt.«

      »Mein Gott, Frau Baerwald, das tut mir aber leid. Kann ich etwas tun? Kann ich ihn besuchen?«

      Sie sagte ihm, in welchem Krankenhaus Daniel lag, und beendete das Gespräch schnell, denn die Tränen saßen schon sehr locker. Er sollte nicht hören, wie zitterig und elend sie sich fühlte.

      *

      Tobias Reiter versprach, sein Bestes zu geben, um soviel Mandanten wie möglich zufriedenzustellen. Frau Fellhaber, mit der Christine telefonierte, zeigte selbst in ihrer Situation noch Mitgefühl mit Daniel und versicherte, daß ihr Mann bestimmt nicht böse sei, wenn die Kanzlei für eine Woche nur das Nötigste abwickelte. Wie es schien, kamen ihr alle entgegen, aber Christine konnte trotzdem nicht froh werden. Sie hatte das Gefühl, kläglich versagt zu haben und zwar dem wichtigsten Menschen gegenüber, den sie hatte, ihrem Sohn. Sie fürchtete sich davor, ihm heute morgen gegenüberzutreten.

      Die Schwester hatte ihr am Telefon mitgeteilt, daß es Daniel den Umständen entsprechend gut ginge. Sie solle nicht vor der Visite um zehn kommen, deshalb war Christine auch zuerst in die Kanzlei gefahren. Jetzt schaute sie alle fünf Minuten auf die Uhr.

      Als ihr Telefon klingelte, riß sie den Hörer hoch, als sei er ein Rettungsanker.

      »Hier spricht Adrian, mein Liebes. Sehen wir uns heute?«

      Er konnte nichts dafür. Christine mußte sich beherrschen, um nicht unhöflich zu sein. Es war allein ihr Verschulden, daß sie nicht zu Hause gewesen war, als Daniel sie brauchte.

      »Nein. Mein Sohn ist im Krankenhaus.«

      »Oh, ist es schlimm?«

      »Er hatte eine Allergie, aber es geht ihm schon besser.«

      »Dann komm doch heute abend her. Dann mußt du nicht kochen, und Daniel ist ja gut aufgehoben.«

      Hatte der Mann Nerven! Dachte er vielleicht, sie würde gelassen neben ihm auf der Couch sitzen – oder liegen – und herumschäkern, während ihr Kind im Krankenhaus lag und sich fürchtete und so allein war?

      Damit war das Kapitel Adrian von Manger für Christine abgeschlossen.

      Ein toller Mann war er – unbestritten – aber leider keiner, den sich eine Frau erlauben konnte, die ein Kind hatte. Er würde es auch nicht lernen, denn sein Verhalten zeugte von mangelndem Einfühlungsvermögen, und das ließ sich nicht lernen.

      Komischerweise war die Enttäuschung gar nicht so groß. Seine Küsse waren vielversprechend gewesen, aber damit allein konnte man keine Partnerschaft aufbauen. Bye, bye, schöner Adrian.

      »Tut mir leid, aber es wird keine Fortsetzung geben, Adrian. Wir passen nicht zusammen.«

      »O doch, das tun wir, Liebling, und das hast du gestern auch gemerkt. Sei nicht so ängstlich, nur weil dein Sohn krank ist. Er wird wieder gesund, das weißt du doch auch. Entscheide jetzt nichts.«

      Er fragte nicht, ob er Daniel besuchen oder ihm eine Freude machen könnte…

      Lieber Jasper Wolf…

      »Ich habe bereits entschieden. Du bist ein attraktiver Mann und sehr charmant, aber nichts für mich. Ich muß jetzt auflegen.«

      Und das tat sie dann auch ohne zu zögern.

      Daniel sah ihr traurig entgegen. Christine zerriß es das Herz vor Mitleid. Sie beugte sich über ihn, um ihm einen Kuß zu geben, doch er drehte den Kopf weg.

      »Aber Daniel…, ich bin