ihm und redete leise auf ihn ein. Er machte eine ungeduldige Bewegung, schließlich folgte er ihr hinaus.
Und gleich stand er aufs neue an derselben Stelle, den Hut noch auf dem Kopf.
Agathe war es mit einem Mal, als habe sie ungeheuer viel Champagner getrunken. Sie lachte zu allem, was Raikendorf sagte und sah ihn mit glänzenden, übermütigen Blicken an. Als sie dazwischen herumtanzten, verlangte sie keck, auf ihren alten Platz geführt zu werden. Da hatte Lutz auf sie gewartet, und an den fremden Gesichtern vorüber grüßten ihre Augen sich.
Jemand fragte den Maler, ob er die Absicht habe, während des ganzen Balles den Überzieher anzubehalten.
»Ja – so! – Ich wollte längst gehen – ich muss ja fort«, antwortete er.
… Seine Stimme – seine leise, hastige, absonderliche Stimme wieder zu hören …
Nun würde er aufgeweckt sein, nun würde er gehen …
Nein, er ließ sich den Mantel von einem jungen Manne abnehmen und auch den Hut entreißen. Lachend zeigte er, dass er keinen Frack trug, ein paar Komiteeherren klatschten Beifall und zogen ihn tiefer in den Saal.
Agathe wurde von anderen Tänzern geholt, schlenderte mit Freundinnen in den Räumen umher, nahm unter Eugenies Schutz, die als verheiratete Frau das Recht erworben hatte, Mutterstelle an ihr zu vertreten, eine Portion Eis und ein Stückchen Kuchen zu sich – überall fand sie Lutz in ihrer Nähe.
Ob es nicht eine Selbsttäuschung war? Das Glück hatte etwas so Unwahrscheinliches.
»Traumwandlerin«, rief Eugenie sie an, »sollen wir Dich in unsern Wagen nach Haus schicken? Wir wollen im Restaurant noch ein Glas Bier trinken. Oder möchtest Du auch noch bleiben?«
»Bleiben, bleiben!«
Walter lachte. – Agathes Bitte klang inständig, als hinge ein Schicksal davon ab. »Was werden die Alten sagen, wenn Du Dich unter unserm Schutz so unsolide beträgst?«
»Lass das Würmchen«, entschied Eugenie. »Siehst Du nicht, dass sie ohne Muttern gleich viel lebendiger geworden ist?«
*
Lutz hatte Agathe angesprochen – im Tabaksqualm des Restaurants – zwischen zwei und drei Uhr morgens – und sie gefragt, ob sie kürzlich Nachricht von Woszenskis gehabt habe. Und dann bat er sie, ihn mit ihrer Schwägerin bekannt zu machen.
Er erinnerte sich ihrer also doch noch.
*
Agathe musste am anderen Morgen eine ordentliche Strafpredigt über sich ergehen lassen. Für ein junges Mädchen schicke es sich nicht, nach einem Ball mit Männern in der Kneipe zu sitzen. Wenn Walter es seiner Frau erlaube, so wäre das seine Sache. Sie sollte künftig nicht mehr mit Walter und Eugenie ausgehen.
Das Komitee hatte eine Art von Nachfeier verabredet. – Lutz wollte auch kommen.
Würde Papa sie hindern – gut – so ging sie eben heimlich. Aber sie bat Mama himmelhoch, wie sie noch niemals gebeten hatte – denn sie fand es unwürdig, dies Quälen und Betteln, das die anderen jungen Mädchen immerfort mit ihren Eltern aufführten. Und die gute, süße, liebste Mama brachte Papa schließlich dazu, verdrossen ein »Ja« zu sagen.
Man blieb nur im kleinen Saal – gar nicht viel Menschen.
Es wurde geradezu auffallend, wie Lutz ihr den Hof machte. Er tanzte zwar nicht mit ihr – er tanzte überhaupt nicht – aber er beobachtete sie, an die Tür zum Rauchzimmer gelehnt, mit einem heiteren und befriedigten Lächeln. So völlig ging er in dieser Beschäftigung auf, dass er allen Herren, die ihn begrüßten, zerstreute und kurze Antworten gab. Dann zog er sich zu einer Zigarette zurück.
»Agathe, kommst Du mit, ich suche Walter«, sagte Eugenie, als dieser Zeitpunkt eingetreten war, fasste ihre Schwägerin unter den Arm und zog sie ins Rauchzimmer.
»Lass Dir nicht zu sehr merken, dass Du ihn gern hast«, flüsterte sie ihr ins Ohr und verließ sie nach wenigen Sekunden in einer langen Unterhaltung mit dem Maler. Lutz sprach viel und lebhaft, Agathe hatte nur halblaute, kindische Töne als Antwort, wie ein furchtsames kleines Mädchen. Er musste sie für dumm und albern halten … die schöne, einzige Gelegenheit, ihm zu gefallen, ging ungenützt vorüber.
Eugenie hatte sich für den Abend einen treuherzigen Fähnrich zum Opfer erkoren. Es machte ihr den größten Spaß, damit ihren Mann und den kahlköpfigen Hauptmann, der viermal in der Woche bei ihnen vorsprach, zu ärgern. Sie ging auf die Passionen des rotbäckigen Knaben in Uniform ein, ließ sich von seiner Mutter erzählen und von seinen Leibgerichten. Und dem wurde sehr heiß, der rote steife Tuchkragen erstickte ihn fast, seine Brust durchglühte tiefe ritterliche Verehrung für diese anbetungswürdige Frau.
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Wie sonderbar – Agathe sah sich schon beinahe am Ende ihrer Kraft, nun das wahre Leben doch erst beginnen sollte. Sie war oft entsetzlich müde: bei weiteren Wegen in der Stadt wusste sie plötzlich gar nicht mehr, wo sie sich befand und vermochte sich nur mit der größten Anstrengung zu besinnen. Dann kam ihr das Straßentreiben, an das sie doch von Kindheit auf gewöhnt war, unheimlich fremd vor, die Häuser und die Schilder an den Läden, als habe sie sie niemals vorher gesehen und die Menschen wie Maschinen, die nicht aus eigenem Willen gingen und sich bewegten, sondern von irgend einem geheimnisvollen Mittelpunkt aus geleitet, seelen- und leblos an ihr vorüberschnurrten und glitten.
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In dieser Zeit erfuhr Agathe, ein junger Mann aus ihrem Kreise liebe sie. Er warte nur auf eine Anstellung als Richter und wolle dann um sie anhalten, sagten ihr die Freundinnen, und die hatten es von seiner Mutter. Seine Neigung war verschwiegen und bescheiden. Schon jahrelang kannte ihn Agathe, war ihm immer freundlich begegnet und hatte nie geahnt, dass in ihrer Nähe ein ernstes, ausdauerndes Verlangen nach ihrem Besitz lebte.
Der Gedanke war ihr unerträglich. Er empörte sie. Kein Funke von Mitleid erwachte in ihr – sie behandelte den jungen Mann von dem Augenblick an mit eisigem Hochmut. Er wurde irre an ihrem Charakter, sie schien ihm Freude an der Grausamkeit zu haben. Aber das war ihr gleichgültig, denn er beleidigte sie. Er sollte sich nicht unterstehen, sie zu lieben – er sollte sich nicht mit seinen Träumen in den Zauberkreis wagen, der um sie und den einen gezogen war, dem ihr Herz gehörte.
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»Gestern bin ich in den Anlagen der Daniel begegnet«, sagte Referendar Dürnheim, »ist die aber abgefallen! Die Treppe bei dem chinesischen