G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 4 – Western


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und Garcia schrie, sie sollten die Patronen sparen, solange diese Hunde da unten ihnen nicht zu nahe auf das Fell rückten. Charlton schob sich um die letzten Felsen nach oben. Er erreichte einen kleinen Vorsprung und sah unter sich die Wand steil in die dunkle Tiefe fallen. Aber sie lagen hier sicher vor Kugeln.

      »Louis, hörst du… sie schießen nicht mehr. Louis…«

      Sie lag neben ihm, das Gesicht an seiner Schulter.

      »Ja, sie wären Narren, wenn sie es täten. Sie brauchen nur zu warten. Die Sonne wird kommen, der Durst. Vielleicht halten wir es zwei Tage aus, vielleicht auch drei. Dann können sie uns einsammeln.«

      »No, wir werden kämpfen!«

      »Kämpfen – hier?« fragte er verwundert. »Das ist doch Wahnsinn. Es ist aus, begreifst du nicht?«

      »Es ist aus, wenn man keine Patrone mehr hat.«

      Charlton sah sie an und tastete nach seinem Bein.

      »Laß«, sagte sie, »ich verbinde dich. Morgen sind wir tot… vielleicht erst gegen Mittag, aber… wir werden sterben, Louis. Weißt du, ich habe es immer gewußt. Wir hätten zusammen leben und alt werden können. Oder wir mußten jung sterben. Nun sterben wir…«

      Sterben, dachte Charlton. Ich nicht! Und wenn, dann schieße ich so lange, bis sie mich erwischt haben!

      »Louis… Louis!«

      Das Krachen war da wie die grelle, sengende Mittagssonne. Ein Brüllen, ein Prasseln folgte, ein massenhaftes Klatschen und Heulen.

      Maddalena schrie, preßte sich jäh an ihn, sie zitterte am ganzen Leib.

      »Louis, was war das?«

      »Die Kanone«, sagte er kaltblütig. »Sie haben eine hergebracht. Ich dachte es mir schon. Jetzt haben sie das verdammte Ding dort unten. Sie brauchen nicht mehr aus den Gewehren auf uns zu schießen, sie haben die Kanone. Keine Angst, uns erreicht nichts.«

      »O Gott – dios, dios, wer – wer schreit da so, Louis?«

      Jemand schrie wie ein Tier, das in der Schlinge sitzt.

      »Einer der anderen«, murmelte er. »Die Kartätschenkugeln fliegen überall hin. Einen hat es erwischt. Es war ein schlechter Schuß – zu tief. Der nächste wird besser sitzen!«

      Sie klammerte sich an ihn und wartete. Charlton lag still, er zählte die Sekunden. Zehn Sekunden für einen mittelschnellen Kanonier, die Zündschnur einzuführen, weitere zehn, um die Pulverladung festzustoßen, fünf bis zehn für die Granate. Für das Richten würden sie fünfzehn Sekunden brauchen – mehr nicht. Diese Gebirgskanonen waren schnell eingerichtet.

      »Was zählst du?«

      »Sie schießen gleich – paß auf…, jetzt ungefähr müßten sie fertig sein.«

      Rumms!

      Ein Doppelecho, ein berstender Knall kurz hinter ihnen. Das Pfeifen von Kugeln in der Luft, das heulende Geschrei von Männern. Jemand schrie, daß sie hochrennen sollten, aber als wirklich einer über die Felsen tauchte und auf dem schmalen Band, auf dem auch Maddalena und Charlton lagen, Deckung suchen wollte, knatterten unten die Gewehre. Der Mann schrie gellend auf. Dann fiel er in die Tiefe.

      »O Gott, Louis…«

      »Sei ruhig, sie schießen gleich wieder. Hier kommt keiner mehr hin, die schießen sie ab, sobald sie eine Nasenspitze sehen. Gleich…«

      Das Brüllen war da, der schmetternde Schlag, mit dem die Kartätsche sich zerlegte. Wieder schrien Männer, jemand wimmerte klagend. Gewehrfeuer setzte von oben ein. Garcias heisere, sich überschlagende Stimme kreischte: »Schießt! Schießt! Trefft die Hunde hinter der Kanone! Ah, es ist zu weit. Teufel, ihr müßt höher halten – zielt über sie! Diese Hunde, sie schießen mit der Kanone!«

      Es peitschte und knatterte, bis das nächste Brüllen alle anderen Geräusche fortblies.

      »Garcia… Garcia!« wehte gleich darauf das Echo die Stimme zu ihnen hin. »Garcia… ergeht euch, sonst schießen wir weiter! Garcia – antworte!«

      Garcia antwortete nicht. Aber Felipe sagte etwas.

      »Er ist tot! Wollt ihr euch ergeben?«

      »No«, sagte jemand. »Niemals. Sie sollen mich nicht lebend…«

      »Tot… tot?« Das Flüstern war neben Charlton, ein Würgen. »Louis, hast du – gehört?«

      »Ja!«

      »Er ist tot – mein Bruder ist tot!«

      Sie kroch ganz eng an ihn, ihre Hände krallten sich in seine Schultern.

      »Louis, Louis, wir müssen sterben.«

      »Nicht hier, sie erreichen uns mit keiner Kugel, Maddalena. Tut mir leid um deinen Bruder, aber…«

      »Ja, es – es ist gut, Louis. Ich – ich liebe dich, ich liebe dich, hörst du? Louis…«

      Plötzlich sprang sie auf.

      Er jagte hoch, weil sie unten schossen. »Runter, Maddalena, runter…«

      Er schrie einmal, als sie sich herumwarf und ihn festhielt. Er sah nun ihr Gesicht vor sich und reagierte zu spät. Es gelang ihm nicht mehr, sie fortzustoßen. Sie hing an ihm, als wäre sie festgewachsen.

      So warf sie sich zur Seite und fiel über die Kante. Sie riß ihn mit und sah ihn an, während sie in die Tiefe stürzten. Es gab keine Gedanken mehr bei diesem Fall, dem ersten Aufprall an irgendeinem Zacken. Sie fielen gemeinsam in die Tiefe.

      Louis Charlton hatte die Schwester des Teufels geliebt.

      Jetzt folgte er ihr in die Hölle.

      *

      Es war ein Jahr später, Juarez schon Präsident, die Banden verjagt, Frieden über Mexiko.

      Mondschein lag über der Hazienda, die Zikaden schrillten ihr Lied. Laternen hingen überall, Feuer flammten durch die Nacht.

      Fiesta auf Loma Bonita. Musik hinter den Mauern, lachende, tanzende Menschen. Der Brunnen plätscherte leise. Das Mädchen saß auf seinem Rand, die Hand fuhr durch das Wasser.

      Sie tanzen, dachte sie. Mein Geburtstag, meine Fiesta. Alle sind fröhlich, weil die Herrin von Loma Bonita ihre Fiesta gibt. Die erste im Frieden.

      Gelächter überall. Gläser klirrten. Jemand sang von der Nacht, von Ramona und Liebe…

      Liebe, dachte sie, Liebe? Ob er weiß, was Liebe ist, der Mann, der Amerikaner mit den hellen Augen? Vor einem Jahr ging er fort, er sagte, er käme wieder, wenn er soweit wäre. Wann kommt er, wann ist er soweit… wann? Er hat gelächelt, als er davonfuhr mit den Wagen.

      Sie beugte sich vor und starrte ins Wasser. Sie sah einen Schatten in jenem Spiegel, der sich nun verzerrte. Jemand stand hinter ihr. Sie hatte ihn nicht gehört. Die Musik war zu laut, die Gäste zu fröhlich…

      Der Mann stand da und sah auf sie herab. Er war groß, hatte blauschwar­zes Haar und ganz helle Augen, wie das Wasser des San Juan Rivers unter der Mittagssonne.

      Mein Gott, dachte sie, mein Gott – und dann hob sie den Kopf.

      »Ich bin soweit – und ich bin da!«

      Als er die Hand ausstreckte, legte sie ihre Finger hinein. Er schloß die Hand vorsichtig und doch fest. Dann zog er sie empor, sah sie an und lächelte.

      »Komm«, sagte er leise. »Es ist acht Jahre her – wir haben acht Jahre nachzuholen, Isabel, oder?«

      »Concho!«

      Sie flüsterte nur. Sie war mittelgroß und reichte ihm knapp bis zur Schulter.

      »Concho…«

      Don Sebastiano sah sie gehen, sah dieses Lächeln, das den Mann Concho Hurst traf. Neben Don Sebastiano stand sein Sohn und Erbe. Auch er sah es und blickte seinen Vater an.

      »Also