Andrew Hathaway

Der Geisterjäger Staffel 1 – Mystikroman


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der Chefinspektor hastig ab. Obwohl er schon oft gemeinsam mit Rick Masters gegen Übersinnliches gekämpft hatte, wehrte er sich stets bis zum Vorliegen unumstößlicher Beweise gegen das Eingeständnis, es mit einem Geist oder einem Magier zu tun zu haben. »Ich habe nur angedeutet, daß es im City Tower rätselhafte Vorfälle gibt. Sie müssen uns helfen! Ich habe auch einen Auftraggeber für Sie, Rick! Morgen vormittag können Sie mit dem Manager der City Tower Gesellschaft sprechen. Die Gesellschaft ist daran interessiert, daß diese Vorfälle so schnell wie möglich aufhören, besser noch gestern als heute.«

      »Verständlich«, murmelte der Geisterdetektiv, der sich schon ganz auf seinen neuen Fall einstellte. »Und wie war das mit dem Mord? Wer ist das Opfer, wer der Täter?«

      »Den Täter haben wir noch nicht«, erwiderte der Chefinspektor verdrossen. »Das Opfer heißt Benjamin Potter und arbeitete als Wartungsingenieur für jene Aufzugsfirma, die die Aufzüge im City Tower gebaut hatte. Er wurde in einer der Liftkabinen mit durchschnittener Kehle gefunden. Seine Leiche liegt in der Gerichtsmedizin.«

      Rick Masters nickte knapp und stand auf. »Dann werden wir dort beginnen«, erklärte er und warf einen Blick aus dem Fenster, gegen das die Regentropfen prasselten.

      »Bei diesem Wetter und um diese Zeit?« rief der Chefinspektor entsetzt.

      Rick Masters lächelte. »Sie hatten es doch sehr eilig, oder nicht? Außerdem richten sich diese rätselhaften Zwischenfälle vermutlich nicht nach dem Wetter. Gehen wir!«

      Dagegen hatte der Chefinspektor nichts mehr einzuwenden. Achselzuckend stand er auf und warf Dracula einen finsteren Blick zu, der die Zähne fletschte und ihn anknurrte.

      »Also gut, gehen wir«, meinte Hempshaw. »Aber lassen Sie Ihren Hund um Himmels willen zu Hause.«

      Doch Rick schüttelte grinsend den Kopf. »Im Gegenteil, Kenneth. Dracula kommt mit. Er soll mir verraten, ob dieser Aufzugsmonteur etwas mit Schwarzer Magie oder einem Geist zu tun hatte.«

      Daraufhin murmelte Hempshaw etwas, das Rick nicht verstand. Es hörte sich jedoch nicht freundlich an.

      Die beiden Männer und der Hund machten sich auf den Weg, ohne zu ahnen, was in der Zwischenzeit in der Gerichtsmedizin geschehen war. Und was sich zur selben Zeit im City Tower abspielte.

      Ungehindert nahm das Grauen seinen Lauf.

      *

      Die Versorgungseinrichtungen des Wolkenkratzers mußten rund um die Uhr überwacht und notfalls sofort repariert werden. Die Heizungsanlage gehörte dazu.

      Roddy Benares gehörte zu der ständigen Wartungsmannschaft. Gegen Mitternacht unternahm er einen seiner regelmäßigen Rundgänge. Er verließ den Aufzug im zweiten Untergeschoß und wandte sich nach rechts.

      An den nackten Betonmauern liefen Röhren entlang, die für einen Laien ein verwirrendes Chaos darstellten. Benares wußte genau, welche Röhre zu welchem Kreislauf gehörte und konnte feststellen, ob alles in Ordnung war.

      Er kam zu den Kesseln der Ölheizung.

      In diesen Räumen herrschten tropische Temperaturen, die vergessen ließen, welch kalter und unfreundlicher Sturm in London wütete. Mit Unbehagen dachte Benares an das Ende seiner Schicht, wenn er nach Hause fahren mußte. Er wohnte nicht im City Tower. Das war nur etwas für finanzkräftige Leute. Gegen die Wärme dieser unterirdischen Räume würde ihm die Kälte in den Straßen doppelt schlimm erscheinen.

      Als er die Heizungsanlage wieder verließ, drehte er sich irritiert um. Er hatte ein Geräusch gehört, das nicht zu den üblichen Betriebsgeräuschen gehörte. Da besaß er ein besonders feines Ohr. Tatsächlich hatte er sich nicht geirrt.

      Im nächsten Moment tauchte zwischen den Kesseln und den dicken Rohrleitungen ein Mann auf.

      Im ersten Moment verkrampfte sich Benares. Er hatte sich also doch von den Schauergeschichten anstecken lassen, die manche Leute über dieses Hochhaus erzählten. Als er den Mann jedoch erkannte, entspannte er sich wieder und nickte freundlich.

      Das Lächeln war aus seinem Gesicht wie weggewischt, als er das dünne Nylonseil in den Händen des Manries entdeckte. Im Schein der grellen Leuchtstoffröhren sah es wie ein glühender Lichtstreifen aus, der sich zwischen den Fingern des anderen drehte.

      Leicht geduckt und mit einem lauernden Gesichtsausdruck kam der Mann auf Benares zu. Das NylonseiI ließ er schwingen, daß es einen pfeifenden Ton erzeugte.

      »He, was soll das?« rief Benares erschrocken. »Tun Sie das weg! Sind Sie verrückt? Wieso…?«

      Er sah ein, daß es keinen Sinn hatte, mit diesem Mann zu sprechen. Alarmiert wich er auf den Korridor aus und wollte sich in Sicherheit bringen.

      Er hatte jedoch erst ein paar Schritte getan, als er gegen einen Widerstand stieß.

      Mit einem unterdrückten Aufschrei wirbelte er herum und brach fast zusammen, als er den hinter ihm stehenden Mann sah.

      Roddy Benares kannte den Mann nicht, dessen schauderhafter Anblick ihn fast um den Verstand brachte. An seinem Hals klaffte eine fürchterliche Wunde, die nicht blutete, als wäre sie schon mehrere Tage alt.

      Die Erkenntnis, daß der Unbekannte mit diesem schrecklichen Schnitt nicht leben konnte, lähmte den Heizungsfachmann. Regungslos stand Benares vor dem Untoten und sah ihm in das leichenblasse Gesicht mit den ausdruckslosen erloschenen Augen, die an blank polierte Steine erinnerten.

      Ohne erkennbare Gefühlsregung hob der Untote die Hände und streckte sie Benares entgegen. Mit einem kräftigen Ruck stieß er den Unglücklichen von sich.

      Benares taumelte rückwärts. Vor seinen Augen blitzte es kurz. Er hörte ein zischendes Geräusch.

      Die hauchdünne Nylonschnur legte sich um seinen Hals.

      Niemand wußte, daß sich in diesen Minuten im Keller des City Towers ein Mord ereignete, auch nicht der Nachtpförtner, der noch immer in der Halle stand und das Toben des Unwetters beobachtete. Der Mann hatte den kurzen Zwischenfall mit dem bleichen Gesicht vor dem City Tower bereits wieder vergessen.

      AIs er hörte, daß eine Aufzugskabine im Erdgeschoß hielt, drehte er sich um. Die Türen glitten zurück. Der Heizungsmonteur trat in die Halle.

      Der Pförtner nickte Benares flüchtig zu. »Alles in Ordnung?« rief er dem Techniker zu.

      Und Roddy Benares hob die rechte Faust und reckte den Daumen nach oben, um anzuzeigen, daß alles bestens lief.

      Zufrieden wandte sich der Pförtner wieder der sturmgepeitschten Straße zu. Hätte er geahnt, mit wem er soeben gesprochen hatte, wäre er schreiend davongelaufen.

      *

      Es dauerte eine ganze Weile, ehe jemand in der Gerichtsmedizin öffnete. Rick Masters war in seinem eigenen Wagen hierhergefahren, einem dunkelgrünen Morgan. Das war ein Nachbau eines Oldtimers mit moderner Technik, ein offener Sportwagen, an dessen Stoffverdeck der Sturm gewaltig rüttelte.

      Chefinspektor Hempshaw hatte sich selbst an das Steuer seines Dienstwagens gesetzt und war vorausgefahren. Nun preßte er seinen Daumen ununterbrochen auf den Klingelknopf, bis endlich eine Sichtklappe im Tor aufsprang. Der Nachtpförtner kannte den Chefinspektor, da er sofort öffnete.

      »Kommen Sie, Rick!« rief Hempshaw seinem Begleiter zu und winkte nur ab, als der Nachtpförtner etwas gegen Dracula einwenden wollte. Auch der verschlafene Angestellte, der den Chefinspektor in den Leichenkeller führen sollte, machte große Augen, als er den Hund auf Ricks Arm entdeckte. Er wagte jedoch keinen Einspruch.

      »Warten Sie, Kenneth!« Rick Masters blieb auf der Treppe stehen, die in die Tiefe führte. »Hier stimmt etwas nicht.«

      Hempshaw runzelte die Stirn. »Was soll nicht stimmen? Ich sehe nichts.«

      Rick setzte wortlos seinen Hund auf den Boden und deutete mit einem Kopfnicken auf ihn. Nun merkte auch Hempshaw, daß mit dem Hund eine Verwandlung vor sich ging.

      Dracula legte die Ohren an und zog den Schwanz ein. Mit