über mich sind mir auch nicht angenehm. Außerdem würden Sie mich jetzt nicht mehr loswerden. Wenn ich auf einen Fall gestoßen bin, in dem lebende Leichen und magische Kräfte eine Rolle spielen, lasse ich nicht mehr locker.«
Mort Brinkfield riß die Augen auf und starrte Rick an, als habe dieser von ihm verlangt, aus dem Fenster zu springen. Ernest Patmore hingegen legte den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend.
»Brinkfield!« rief er und schlug dem Manager auf die Schulter. »lch nehme alles zurück! Mr. Masters gefährdet den Ruf unseres Unternehmens in keiner Weise! Man kann ihn nämlich nicht ernst nehmen!«
Damit trat er aus dem notdürftig eingerichteten Büro und ließ einen völlig verstörten Manager zurück.
»Haben Sie das eben ernst gemeint, Mr. Masters?« vergewisserte sich Brinkfield.
»Absolut!« Rick stand auf und nahm Dracula auf den Arm. »Wenn Sie sich alles durch den Kopf gehen lassen, was bisher geschehen ist, werden Sie erkennen, daß ich recht habe. Sie brauchen mir jedoch nicht zu glauben. Es stört mich nicht. Ich liefere Ihnen den Täter, der das alles angezettelt hat, ob Sie wollen oder nicht!«
Damit ging auch der Geisterdetektiv. Er sah eben noch das fassungslose Gesicht des Managers, dann schloß er die Tür hinter sich und wandte sich dem Aufzug zu.
Eine der Kabinen hielt soeben auf seiner Etage. Die Schiebetüren glitten zurück und gaben den Blick auf den einzigen Benützer des Aufzuges frei. Rick kannte den Mann von dem Foto in einer Personalakte.
Es war der Nachtwächter Frank Bletcher.
*
»Mr. Bletcher?« Rick Masters war für einen Moment so sprachlos, daß er nichts mehr hervorbrachte.
Der Wächter musterte ihn mit einem starren Blick. »Ja, warum nicht?« fragte er kopfschüttelnd.
Der Geisterdetektiv erholte sich rasch. »Weil Sie angeblich in der letzten Nacht einen Herzinfarkt erlitten haben.«
Bletcher zeigte sich nicht beeindruckt. »Wer erzählt solchen Unsinn?« fragte er. »Ach so, ich kann mir schon vorstellen, worum es geht. Mir wurde schlecht, das stimmt, aber ich habe mich rasch wieder erholt. Sonst noch etwas?«
»Nein.« Rick schüttelte den Kopf und gab den Weg frei. Er hatte wirklich keinen Grund, den Mann festzuhalten, obwohl er ein merkwürdiges Gefühl hatte. Da Dracula jedoch keinen Alarm schlug, schöpfte er keinen Verdacht. Die Erklärung des Wächters klang glaubwürdig. Rick wußte außerdem, daß in diesem Haus offenbar alle Angestellten ständig um ihren Job zitterten und deshalb Fehler und Schwächen nicht zugaben.
Als Chefinspektor Hempshaw gleich darauf das provisorische Büro des Managers der City Tower Gesellschaft verließ, war Bletcher bereits in einem anderen Büro verschwunden.
Rick erzählte seinem Freund, was er soeben erlebt hatte. Der Chefinspektor atmete erleichtert auf. »Dann wäre das ja geklärt«, meinte er. »Ich sage gleich Brinkfield Bescheid. Und dann unterhalte ich mich auch noch mit Bletcher. Ich brauche seine Aussage für das Protokoll.« Er stutzte, als er Ricks Gesicht betrachtete. »Was ist, Rick? Sie sehen so unzufrieden aus. Wäre Ihnen lieber, Sie wären einer ganz bösen Sache auf die Spur gekommen?«
»Das nicht«, räumte der Geisterdetektiv ein. »Aber merkwürdig kommt mir das alles schon vor.«
Hempshaw klopfte ihm auf die Schulter. »Sie haben sich so in Ihre Ideen von Geistern, Dämonen und Schwarzer Magie verrannt«, meinte er gönnerhaft, »daß Sie manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Es gibt eben für alles eine natürliche Erklärung.«
Rick runzelte die Stirn. Er kannte die Vorliebe des Chefinspektors, sich an die natürlichen Erklärungen zu halten, aber diesmal wollte er Hempshaw dennoch einen Dämpfer verpassen »Dann verraten Sie mir bitte die natürliche Erklärung für das Verschwinden einer Leiche«, sagte er grinsend. »Oder wissen Sie schon, wo Benjamin Potter geblieben ist?«
Sofort verdüsterte sich Hempshaws Gesicht. »Sie gönnen mir aber auch gar nichts, Rick«, murmelte er. »Aber Sie werden sehen, daß es auch dafür eine vernünftige Erklärung gibt.«
»Eine Erklärung auf jeden Fall.« Rick grinste noch breiter. »Die Frage ist nur, ob sie Ihnen gefallen wird.«
Der Chefinspektor spielte den Wütenden und stampfte wortlos zu den Aufzügen. Als er jedoch den Knopf für das Erdgeschoß drückte, schmunzelte er. Sie stritten sich nur ganz selten ernstlich.
Soeben kam Mort Brinkfield aus seinem Büro. Rick hielt ihn an.
»Können Sie sich einen Grund für die Verwüstung Ihres Büros vorstellen?« fragte er den Manager der Vermietungsgesellschaft.
Brinkfield hob hilflos die Achseln. »Ich habe auch schon darüber nachgedacht«, gestand er ein. »Vielleicht ist es ein Mieter, den wir an die frische Luft gesetzt haben. Oder jemand, der sich über die hohen Preise in diesem Haus ärgert. Oder jemand, der einfach Freude an Zerstörung hat.«
»Nicht gerade aufschlußreich.« Rick Masters zuckte bedauernd die Schultern. »Sorgen Sie bitte dafür, daß ich alles erfahre, was in diesem Gebäude geschieht. Der kleinste Zwischenfall kann von Bedeutung sein.«
»Auch, wenn die Raumtemperatur schwankt?« fragte Brinkfield spöttisch.
»Auch das«, erwiderte Rick ernst. »Führen Sie über alles, was sich ereignet, Buch. Und wenn es ein ernster Vorfall ist, verständigen Sie den Chefinspektor oder mich! Und nehmen Sie es nicht auf die leichte Schulter. Die Sache ist ernster, als Sie denken.«
Brinkfield sah ihn verblüfft an. »Eine Frage, Mr. Masters. Was Sie vorhin gesagt haben, nämlich daß Geister und Magie im Spiel ist, das haben Sie doch nicht ernst gemeint!«
Seufzend zuckte der Geisterdetektiv die Schultern. Es hatte keinen Sinn, sich mit diesem Mann zu streiten. Brinkfield würde sich nur überzeugen lassen, falls er selbst in einen Kampf gegen Geister und Schwarze Magie verwickelt wurde.
»Genügt es Ihnen, daß ich bisher immer erfolgreich war?« fragte Rick. »Sie haben mich engagiert, und ich werde meine Arbeit ausführen. Darauf können Sie sich verlassen.«
Damit ließ er den Manager stehen und fuhr in das zweite Kellergeschoß hinunter. In der vergangenen Nacht hatte diese Etage eine gewisse Rolle gespielt, weshalb Rick sich hier umsehen wollte.
Er wurde bereits erwartet.
Kaum verließ er den Aufzug, als ihn zwei tote, erloschene Augen nicht mehr losließen und jeden seiner Schritte verfolgten.
*
Beim Betreten des City Towers konnte Joe Tiger ein amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken.
Sein Manager Alf Clatter hatte sich immer nur in Trainingshallen zu Hause gefühlt. Er war am Boxring groß geworden und hatte sein Leben lang die Luft der Trainingscamps geatmet. Jetzt, mit zweiundfünfzig, wollte er hoch hinaus. Das bezog sich nicht nur auf die Höhe des City Towers. Manager Alf Clatter besaß jetzt ein Büro, das mit Teppichen ausgelegt war und von dem aus man die St. Paul’s Cathedral sah. Früher hatten ihm rohe Holzbretter auf dem Boden und die Aussicht auf den Ring genügt.
»Vornehm, vornehm«, murmelte Joe Tiger und musterte die elegante Einrichtung der Halle. Er strebte dem Aufzug zu. Joe Tiger war Boxer, mit vierundzwanzig Jahren eines der großenTalente Londons, und er wollte seinen Manager besuchen.
Joe Tiger erhoffte sich von den nächsten Wochen eine ganze Menge. Er befand sich in Topform, besser konnte es gar nicht werden. Er fühlte sich stark genug, um jeden Gegner zu schlagen.
Der Aufzug katapultierte ihn in Rekordzeit nach oben. Joe Tiger war allein in der Kabine. Auch auf der Etage, auf der Clatters Büro lag, war niemand zu sehen. Hinter einigen Türen klapperten Schreibmaschinen, hinter anderen schrillten Telefone. Im City Tower waren außer teuren Wohnungen auch teure Büros untergebracht.
Da Joe Tiger niemanden nach der richtigen Tür fragen konnte, machte er sich selbst auf die Suche nach Clatters Schild. Er kam allerdings nicht weit.