Andrew Hathaway

Der Geisterjäger Staffel 1 – Mystikroman


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jedoch nicht ganz den vorschnellenden Händen. Eine Pranke des Angreifers streifte ihn. Es fühlte sich an, als wäre der Heizungskessel auf Ricks Arm gefallen.

      Die andere Hand des Untoten schlug mit voller Wucht auf die Stelle, an der Rick eben noch gelegen hatte. Entsetzt sah der Geisterdetektiv, wie die schwere Betonplatte des Bodens brach. Ein tiefer Riß entstand. Hätte er sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht, wäre er von dem Schlag getötet worden.

      Rick durfte sich nicht auf einen Zweikampf einlassen. Kein Mensch konnte ihn gewinnen. Mit einem Panthersatz brachte er sich hinter einem Gewirr von armdicken Rohren in Sicherheit.

      Es war nur eine trügerische Sicherheit, wie er gleich darauf merkte. Der Untote folgte ihm, doch anstatt über die Leitungen zu klettern, zerschlug er sie wie Spinnweben. Die dicken Eisenrohre splitterten. Dampf sprühte nach allen Seiten. Heißes Wasser schoß aus den Bruchstellen.

      Rick warf sich rücklings gegen die Wand, um nicht verbrüht zu werden. Der Untote wurde in den kochend heißen Dampf gehüllt und voll von einem Strahl getroffen. Es machte ihm nichts aus. Sein wächsernes Gesicht blieb unverändert. Die Wucht des Dampfdruckes trieb ihn jedoch einige Schritte zurück.

      Das gab Rick Masters die Atempause, die er brauchte. Seine Hand tauchte unter sein Jakett.

      Wenn er auf Einsatz ging, trug er stets zwei Waffen bei sich. Die automatische Pistole konnte er jetzt allerdings nicht gebrauchen. Gegen einen Untoten war sie wirkungslos. Die Kugeln hätten ihn nicht einmal aufgehalten.

      Die Silberkugel jedoch mußte Rick retten. Nur walnußgroß und unscheinbar, besaß sie weißmagische Kräfte, die den Geisterdetektiv schon ein paarmal vor tödlichen Gefahren bewahrt hatten.

      Hastig zerrte Rick die Kugel hervor, gerade noch rechtzeitig, denn der Untote überwand die Wucht des Dampfstrahls, stemmte sich dagegen und kam hinter die Rohrleitungen.

      Rick konnte nicht mehr ausweichen. In seinem Rücken befand sich eine Betonmauer, links ebenfalls, rechts die Leitungen. Wenn die Kugel gegen diesen Untoten nicht wirkte, war er verloren.

      Trotz des scharfen Zischens des Dampfes und des Plätscherns des ausströmenden Wassers hörte Rick das durchdringende Jaulen seines Hundes. Dracula merkte, in welcher Gefahr: sich sein Herr befand, konnte ihm nicht helfen und versuchte, jemanden aufmerksam zu machen.

      Dann war der Untote heran. Rick blickte ihm starr in die Augen, nicht auf die gefährlich vorgestreckten Hände. Nur an den Augen würde er erkennen, wie sich die weißmagische Kraft der Silberkugel auswirkte.

      Die Mordlust war diesem unheimlichen Wesen nicht anzusehen, wohl aber das plötzliche Erschrecken. Die leblosen Augen bekamen Glanz, das Gesicht verzerrte sich in namenlosem Grauen.

      Der Untote begriff, daß er einer starken Macht gegenüberstand. Seine Augen richteten sich auf die Silberkugel, die Rick hoch erhoben hielt. In den Pupillen glomm ein unheimliches Feuer. Die blutleeren Lippen öffneten sich zu einem heiseren Entsetzensschrei.

      Der Untote wollte schützend die Arme vor das Gesicht reißen, doch dazu reichte seine Kraft nicht mehr aus. Er begann zu wanken.

      Rick mußte die günstige Gelegenheit nutzen und den lebenden Leichnam endgültig ausschalten. Als er aber einen Schritt vorwärts tat, wich der Untote zurück und geriet in den Dampfstrahl.

      Wieder schrie er auf, als ihn die Wucht des ausströmenden Dampfes zurückschleuderte. Er flog mit ausgebreiteten Armen durch die Luft, überschlug sich und stürzte hart. Diesmal dauerte es länger, bis er auf die Beine kam, doch er stand aufrecht, als Rick endlich die zerstörte Stelle in den Leitungen umgangen hatte.

      Noch war der Untote gefährlich. Bei einem direkten Angriff hätte er Rick trotz seines geschwächten Zustandes spielend besiegt, da ihm die Kräfte der Hölle halfen. Doch Rick war nicht so unvorsichtig. Er versuchte, den lebenden Leichnam in eine Ecke zu treiben, aus der er nicht mehr entkommen konnte. Dort hätte die Silberkugel die magische Kraft aus dem toten Körper vertrieben. Benjamin Potter hätte seine Ruhe gefunden.

      Die Anlage des Heizungskellers war jedoch ein gewaltiges Hindernis. Es gab keine Ecken. Immer wieder wich der lebende Leichnam aus, und je länger Rick ihn durch das Kellergeschoß trieb, desto größer wurden auch seine Kräfte. Er erholte sich so weit, daß er sich zu einer raschen Flucht aufraffen konnte.

      Rick nahm zwar sofort die Verfolgung auf, doch der wandelnde Tote verschwand in dem unübersichtlichen Gewirr aus Gängen, Kammern, Schächten und Kabeldurchlässen in den Mauern.

      Endlich mußte der Geisterdetektiv aufgeben. Als er sich umdrehte, stand Dracula in einiger Entfernung freudig wedelnd hinter ihm. Rick war erleichtert, daß ihm sein Hund auf den Fersen geblieben war und sich nicht in dem Labyrinth verlaufen hatte.

      »Das müssen wir dem Chefinspektor erzählen«, sagte Rick zu seinem Hund, nahm ihn auf den Arm und machte sich auf den Rückweg. »Aber beiß Hempshaw nicht gleich wieder. Er mag das nicht so gern.«

      *

      Obwohl Rick Masters damit rechnete, daß Chefinspektor Hempshaw wieder in den Yard gefahren war, sah er seinen Freund in der Halle des City Towers. Kaum teilte sich die automatische Schiebetür, als er auch schon die mächtige Stimme des Chefinspektors dröhnen hörte. Hempshaw gab einer Gruppe von ungefähr zehn Yarddetektiven Anweisungen. Sergeant Myers, seine rechte Hand, war dabei.

      »Rick!« rief Hempshaw, sobald er den Geisterdetektiv entdeckte. »Wo haben Sie gesteckt?«

      »Ich habe mich nur mit einer lebenden Leiche herumgeschlagen«, erwiderte Rick betroffen. »Sonst nichts. Und Sie?«

      »Ich wurde hierher gerufen, weil wieder einmal der Teufel los war!« Hempshaw sah seinen Leuten nach, die sich in der Halle verteilten und zu den Aufzügen gingen. »Kennen Sie Joe Tiger?«

      Rick brauchte nicht lange zu überlegen. »lst das nicht ein junger aufstrebender Boxer? Die Fachleute sagen ihm eine steile Karriere voraus.«

      »Möglicherweise hat diese Karriere heute und hier ihr Ende gefunden. Joe Tiger wollte seinen Manager Alf Clatter besuchen, wurde jedoch vor dessen Büro zusammengeschlagen.«

      »Donnerwetter!« entfuhr es dem Geisterdetektiv. »Tiger ist Halbschwergewicht, wenn ich mich nicht irre. Wer hat denn diesen Muskelmann geschafft?«

      Chefinspektor Hempshaw holte tief Luft, ehe er herausplatzte: »Eine Sekretärin!«

      Sekundenlang blickte Rick den Chefinspektor entgeistert an. »Sagen Sie das noch einmal!« rief er. »Wie kommen Sie darauf?«

      »Joe Tiger liegt im Krankenhaus.« Hempshaw räusperte sich und blickte sich wie gehetzt um. »Ich habe selbst mit ihm gesprochen. Der Junge ist voll bei Verstand, und er behauptet allen Ernstes, daß es eine Sekretärin war. Unbewaffnet. Kein Karate oder Judo. Sie hat ihn einfach zusammengeschlagen, obwohl er sich mit ganzer Kraft gegen sie wehrte. Was sagen Sie dazu?«

      »Diese Sekretärin werde ich mir genauer ansehen«, entschied Rick. »Haben Sie eine Beschreibung?«

      Der Chefinspektor deutete auf Sergeant Myers, der soeben einen der Aufzüge betrat. »Was glauben Sie, weshalb ich den halben Yard hierhergeholt habe? Tiger hat die Frau sogar sehr genau beschrieben, und meine Leute suchen sie jetzt. In spätestens einer Stunde haben wir sie gefunden, falls es keine zufällige Besucherin war.«

      Rick merkte den forschenden Blick, den der Chefinspektor auf ihn richtete, und verstand. »Dieser Untote war Benjamin Potter. Ich habe ihn an der Halswunde erkannt. Ich konnte ihn nicht ausschalten.«

      »Dann steckt er also noch irgendwo da unten.« Mit sichtlichem Unbehagen starrte der Chefinspektor auf die Marmorplatten der Halle, unter der sich die Kelleretagen befanden. »Soll ich meine Leute einsetzen?«

      Rick schüttelte den Kopf. »Davon verspreche ich mir nichts. In diesem Labyrinth kann sich jemand wochenlang verstecken. Bestimmt gibt es auch einen direkten Zugang zur Kanalisation. Und Ihre Leute würden nur in Gefahr geraten, weil sie sich gegen den Untoten nicht wehren können.«

      »Dann soll ich also untätig zusehen,