von der Tür bis zu Patsy Mecos Schreibtisch gekommen. Chefinspektor Hempshaw räusperte sich. Die Sekretärin blickte mit dem höflich geschäftsmäßigen Lächeln auf, das in Maklerbüros üblich war.
»Was kann ich für Sie tun, Sir?« erkundigte sie sich und streifte Rick Masters mit dem Hund auf dem Arm nur mit einem flüchtigen Blick.
Hempshaw präsentierte seinen Ausweis. Patsy Meco reagierte darauf überhaupt nicht.
»Ich habe ein paar Fragen an Sie zu stellen«, erklärte der Chefinspektor.
»Ich hole den Chef.« Miss Meco wollte aufstehen, doch Hempshaw hielt sie zurück.
»Sie haben mich falsch verstanden«, sagte er geduldig. »Es geht nicht um die Agentur, sondern um Sie persönlich. Wo waren Sie gegen neun Uhr?«
»Heute vormittag neun Uhr?« vergewisserte sich Patsy Meco ohne das geringste Erstaunen. »Nun, hier, in meinem Büro. Ich habe um diese Zeit keine Pause.«
»Sind Sie sicher, daß Sie den Raum nicht verlassen haben?« vergewisserte sich der Chefinspektor.
»Ich arbeite gewissenhaft«, lautete die gelassene Antwort.
Hempshaw warf Masters einen hilfesuchenden Blick zu. Was sollte er tun? Es war absolut unglaubwürdig, daß diese Frau einen durchtrainierten Halbschwergewichts-Boxer zusammengeschlagen hatte. Als Rick Masters nichts tat oder sagte, zuckte Hempshaw die Achseln.
»Ich werde später noch mit Ihrem Chef sprechen«, kündigte er an und ging auf die Tür zu.
Rick Masters tat, als wolle er sich dem Chefinspektor anschließen. Dabei behielt er die Sekretärin scharf im Auge. Sie wandte sich sofort wieder ihrer Schreibmaschine zu, als wäre nichts passiert.
Rick faßte in seine Jackentasche und umfaßte die Silberkugel. Sofort hob die Sekretärin irritiert den Kopf als habe sie ein unangenehmes Geräusch gehört.
»Interessiert es Sie eigentlich gar nicht, weshalb der Chefinspektor gefragt hat?« erkundigte sich Rick.
Die Sekretärin blinzelte, als sie ihn ansah. Sie wirkte, als werde sie durch zu grelles Licht geblendet.
»Weshalb sollte ich ihn fragen?« rief sie mit schriller Stimme. »Polizisten teilen einem nie mit, weshalb sie Fragen stellen.«
Rick zog die Silberkugel hervor, behielt sie jedoch in der geschlossenen Hand. »Jeder andere hätte eine Auskunft verlangt, Sie nicht!« sagte er scharf. »Weshalb nicht?«
»Das ist doch meine Sache!« Patsy Meco preßte die Fingerspitzen an die Schläfen, als habe sie Kopfschmerzen. »Und jetzt gehen Sie! Ich habe zu arbeiten!«
Kaum hatte der Geisterdetektiv die weißmagische Kugel wieder weggesteckt, als Patsy Meco sich entspannte. Mit einem leichten Lächeln lehnte sie sich zurück. Um ihren Mund erschien ein amüsierter Zug.
»Polizisten sind große Geheimniskrämer. Ich habe in meiner Familie einen. Sie können Gift darauf nehmen, daß er mir nichts von seiner Arbeit erzählt.«
»Das ist auch richtig so«, erwiderte der Chefinspektor und trat auf den Korridor hinaus.
Rick folgte ihm und ging mit ihm zu den Aufzügen. Auf halbem Weg blieb er stehen.
»Haben Sie das Verhalten dieser Frau bemerkt, als ich die Silberkugel anfaßte?« fragte er. »Sie steht unter einem schwarzmagischen Einfluß. Ich wundere mich nur, warum Dracula das nicht angezeigt hat. Sonst reagiert er sehr empfindlich.«
»Ein Hund, der Polizisten beißt, taugt nichts«, stellte Hempshaw grinsend fest.
»Dracula beißt nur Chefinspektoren«, konterte Rick. »Und er taugt eine ganze Menge. Er hat mir schon mehrfach das Leben gerettet. Weshalb nun dieses plötzIiche Versagen?«
Nachdenklich musterte der Chefinspektor den Hund, der zufrieden auf dem Arm seines Herrchens saß. »Wenn ich das wüßte, wäre ich Hellseher«, murmelte er. »Verraten Sie mir lieber, wie eine solche Frau einen Preisboxer zusammenschlägt!«
Der Geisterdetektiv gab sich einen Ruck. »Probieren wir es einfach aus«, sagte er ernst, »wie sie einen Geisterdetektiv zusammenschlägt. Dann wissen wir es!«
*
Der Hausmeister Chuck Bensen wußte, was auf dem Spiel stand. Sein Leben oder das eines nahen Verwandten. Dementsprechend vorsichtig ging er ans Werk. Er durfte kein Risiko auf sich nehmen. Wenn ihn der Magier bei der Kontaktaufnahme mit Rick Masters beobachtete, war alles verloren. Gegen diesen Mann kam er nicht an.
Zuerst erkundigte sich Bensen ganz unauffällig, wo sich der Chefinspektor und der Detektiv aufhielten. Allein das war schon schwierig genug, wußte er doch nicht, wer bereits alles für den Magier arbeitete. Vertrauen durfte er niemandem mehr.
Erst einer der Polizisten, die den Chefinspektor begleiteten, konnte ihm Auskunft geben. Bensen ging aber nicht direkt zu der Maklerfirma, in der die beiden zu tun hatten. Das wäre zu auffällig gewesen. Statt dessen fuhr er ein paar Etagen höher und kehrte über das Treppenhaus zurück. Hier beobachtete ihn niemand, weil die meisten Leute zu bequem waren, um Treppen zu steigen. Sie benutzten lieber die Fahrstühle, auch wenn sie manchmal ganz schön lange warten mußten.
Endlich hatte er das richtige Stockwerk erreicht. In diesem Moment traten Chefinspektor Hempshaw und Rick Masters auf den Korridor heraus. Sofort zog sich Chuck Bensen zurück. Er mußte sicher sein, daß sonst niemand in der Nähe war.
Stimmen im Treppenhaus ließen ihn zusammenschrecken. Eine ganze Gruppe von Männern kam von oben herunter. Ungewöhnlich, daß sie zu Fuß gingen.
Der Hausmeister konnte nicht in den Korridor, sonst hätten ihn Hempshaw und Masters gesehen. Er durfte diesen Leuten aber auch nicht in die Arme laufen, da er die Stimme des Magiers hörte. Der Vertreter des Bösen befand sich bei der Gruppe.
Bensen zog sich nach unten zurück. Er erwartete, daß sie immer weiter auf ihn zukommen würden, doch zu seiner Überraschung verstummten die Stimmen. Türen schlugen. Die Männer verteilten sich auf mehrere Etagen.
Auf seiner Stirn standen Schweißtropfen, als der Hausmeister nach oben stieg. Das hatte er gerade noch geschafft. Eine Begegnung mit dem Magier hätte tödlich verlaufen können.
Trotzdem fühlte er sich in seiner Haut nicht wohl, als er nach einigen Minuten wieder nach oben stieg. Lauerte vielleicht der Magier irgendwo in der Nähe?
Behutsam öffnete er die Tür zum Korridor und ließ sie enttäuscht los. Zwar war der Magier nirgends zu sehen, doch auch der Privatdetektiv und der Chefinspektor waren verschwunden.
Auf diese Weise versäumte Chuck Bensen eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen es für ihn noch eine Rettung gegeben hätte…
*
»Was haben Sie vor, Rick?« fragte Chefinspektor Hempshaw mißtrauisch. »Sind Sie sich klar darüber, was Sie tun wollen? Habe ich richtig verstanden, daß Sie Köder spielen möchten?«
»Genau richtig«, bestätigte Rick. »Benjamin Potter war ein Untoter – und ist es auch noch«, korrigierte er sich selbst. »Das weiß ich. Aber ich habe keine Ahnung, was ich von dieser Patsy Meco halten soll. Vielleicht steht sie nur unter einem bösen Bann. Vielleicht ist sie aber auch eine wandelnde Leiche.«
»Ich denke, das würde Dracula merken«, warf Hempshaw ein.
Rick zuckte die Schultern. »Kann sein, daß sich die schwarzmagischen Kräfte gegen Entdeckung abschirmen. Jedenfalls hat die Silberkugel auf diese Frau verheerend gewirkt, und das gibt mir zu denken. Deshalb möchte ich die Probe aufs Exempel machen. Sie bleiben in meiner Nähe, und Sie greifen ein, wenn ich es nicht allein schaffe.«
Er erklärte dem Chefinspektor in groben Zügen seinen Plan. Genau konnten sie sich nicht absprechen, weil sie nicht wußten, wie sich der Gegner verhalten würde.
Sie fuhren zwei Etagen höher. Wenn Patsy Meco unter dem gleichen Bann stand wie die lebende Leiche des Aufzugsmonteurs, würde sie versuchen, Rick auszuschalten. Dann hatte sie