Inka Loreen Minden

Dunkle Träume


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das letzte freie Separee zu und setzte sich auf ein Sofa. Nick nahm an der Bar platz, denn von dort hatte er einen wunderbaren Blick in die Nische. Er bestellte sich einen Sex in the Dungeon und schlürfte an dem dunkelroten Drink, ohne jemals die Augen von dem Kleinen abzuwenden.

      Als ein nackter Mann vorbeilief und Jamie grinsend begrüßte, zog sich Nicks Magen zusammen. Alessandro, auch Al genannt, war schon längere Zeit im Desiderio beschäftigt. Der Lustsklave mit dem kurzen braunen Haar, bestimmt nicht älter als zwanzig, war das Eigentum des Klubbesitzers Malestus und noch dünner als Jamie. Dadurch wirkte er viel jünger. Nick wusste, dass sich Jamie vorzugsweise mit Al vergnügte, was ihm immer weniger gefiel. Zähneknirschend beobachtete er, wie sich die beiden erst unterhielten und dann zu knutschen anfingen. Al saß auf Jamies Schoß, rutschte bald tiefer, streichelte seine Brust und öffnete schließlich die Hose. Jamie warf den Kopf zurück, als Al seine Erektion in den Mund nahm. Hastig stellte Nick das Glas zurück auf den Tresen, bevor er es noch zerdrückte. Sein Magen knurrte. Nein, das war nicht sein Magen, sondern der Laut drang aus seiner Kehle, wie er erschrocken feststellte. Jamie starrte ihn ununterbrochen an, was es noch unerträglicher machte. Sein Verhalten verletzte ihn. Er war unglaublich wütend. Doch als er bemerkte, dass sich Jamie kein bisschen auf den Jungen zu seinen Füßen konzentrierte, wusste er: Der Kleine forderte ihn heraus, wollte ihn verführen. Denn er wollte sterben.

      Jetzt reichte es ihm. Er leerte sein Glas, ging um den Brunnen herum und betrat Jamies Separee. Nick versuchte die Stimme so ruhig klingen zu lassen, wie er es in seinem Zorn vermochte, und schickte Al weg. Der sah Jamie fragend an.

      »Ist schon okay«, sagte dieser, woraufhin der Sklave verschwand.

      Sofort schloss Nick den schweren Vorhang. Im Separee wurde es dunkler. Nur ein elektrischer Kerzenleuchter an der Wand spendete schummriges Licht. Jamie beobachtete Nick von der Couch aus. Er saß immer noch mit geöffneten Beinen da; seine Erektion glänzte von Alessandros Speichel. Nick konnte kaum wegsehen. Er hockte sich neben ihn und griff ihm in die Haare. »Hör auf damit!«

      »Ah, endlich mal eine Regung. Hat ja ewig gedauert, bis du hier warst«, sagte Jamie kühl und klang mehr wie der Zash als der Mann, den Nicolas kannte. Er wusste, der Kleine spielte mit ihm. Und er hatte gewonnen. Nick gab auf. Er bog Jamies Kopf zurück und küsste ihn hart auf den Mund. Dabei griff er mit der anderen Hand an das pralle Geschlecht. Es zuckte, und Jamie stöhnte an seine Lippen.

      »Ich sehe es in deinem Blick, wie du dich nach mir verzehrst.«

      »Und du nutzt das schamlos aus«, knurrte Nick.

      Jamie sah ihn flehend an. »Schlaf mit mir, nimm mich, lass mich vergessen. Bitte.«

      Wie gern wollte er das tun, nur wäre das Jamies Untergang. »Kann nicht, es würde dich zu sehr schwächen, du brauchst deine letzten Kräfte für …«

      »Erwähne nicht seinen Namen«, unterbrach er ihn. »Ich bin hier, um für einen Moment auszublenden, dass er mein Leben beherrscht.«

      Nick konnte ihn vergessen lassen, auf andere Weise. Es wäre nicht erfüllend für ihn selbst, aber vielleicht für den Kleinen. Nick massierte den heißen Schaft, bis Jamies Körper bebte und es warm über seine Hand lief. Nun war er derjenige, der Jamie keine Sekunde aus den Augen ließ, jede seiner Regungen betrachtete, das erst angespannte Gesicht, dann die Erlösung. Ein Lächeln huschte über Jamies Lippen.

      »Nick«, wisperte er, »bitte küss mich noch mal.«

      Und das tat er.

      Kapitel 10 – Weissagungen

      Kyrian atmete auf und inhalierte die salzige Meerluft, als sie an der Nordseeküste die Hafenstadt Bridlington erreichten. Mit Jenna im Auto zu sitzen, zerrte an seiner Selbstbeherrschung. Sie war allein mit ihm und vertraute ihm, weil er einer von Noirs Goyles war. Er könnte sich sofort mit ihr ins Dunkle Land translozieren. Aber er musste sich gedulden. Falls sie nur eine gewöhnliche Hexe war, wollte er sie dem König nicht ausliefern.

      Wünschte er etwa, sie wäre nicht diejenige, die er suchte? Wo er schon so lange darauf wartete, endlich seine Schwester zu befreien und selbst frei zu sein? Und würde König Lothaire ihnen tatsächlich die Freiheit schenken?

      Außerdem wusste er nicht, wie stark Jenna war, bisher hatte er noch nichts von ihren magischen Künsten gesehen. Das sollte er zuerst herausfinden.

      Sie wies ihn an, die Hafenstraße entlangzufahren und zog eine Karte aus der Handtasche. Es war keine gewöhnliche Straßenkarte, sondern eine der Magiergilde. Sämtliche Kultstätten und andere für Hexen und Magier bedeutsamen Orte waren darauf verzeichnet, wovon es in Bridlington nicht besonders viele gab. Kyrian besaß solch einen Plan von London. Bisher hatte er ihn noch nicht Lothaire überreicht. Die Karte wollte er als Bonus behalten.

      Systematisch begannen sie im Ortskern von Bridlington und arbeiteten sich nach außen vor. Zuerst fragten sie in den Hotels und Pensionen, in denen Jennas Vater übernachtet hatte, doch dort erinnerte sich niemand an ihn. Er hatte wohl einen Vergessenszauber angewandt und seinen korrekten Namen verschwiegen.

      Im Schnelldurchlauf suchten sie anschließend alle medizinischen Einrichtungen auf und machten eine Führung im historischen Bayle Museum mit. Sogar einen Bunker sahen sie sich an. Jenna zeigte jedem Angestellten ein Foto von William Fairchild und fragte, ob sie sich an ihn erinnern konnten. Alle verneinten.

      Kyrian prägte sich das Bild gut ein. Vor der Operation hatte er Mr. Fairchild nur mit Gesichtsschutz zu sehen bekommen. Der Mann hatte kaum Ähnlichkeit mit seiner Tochter, wirkte eher stämmig, mit einem rundlichen Gesicht und rotblondem Haar.

      Kyr hielt sich im Hintergrund und sprach nur das Nötigste. Doch er studierte die kleine Hexe, ihre Art, sich zu bewegen, zu sprechen und auf andere Menschen einzugehen. Sie besaß ein Wesen, das alle sofort gefangen nahm. Die Leute lachten mit ihr und erzählten ihr alles, was sie wissen wollte. Das passte ihm irgendwie nicht.

      Gegen Nachmittag und drei Sehenswürdigkeiten später saßen sie in einem Café am Hafen und beobachteten Möwen, die auf dem hellen Sandstrand nach Fressen suchten. Es war ein klarer Sommertag und von der Promenade hatten sie einen hervorragenden Blick auf die Kreidefelsen im Hintergrund.

      Jenna sah müde aus, ihre Füße taten ihr offensichtlich weh, denn sie zog ihre Sandaletten aus. Kyrian riskierte einen Blick auf ihre kleinen Zehen, auf denen perlmuttfarbener Nagellack schimmerte. Alles an ihr war grazil. Perfekt.

      Seufzend lehnte sie sich im Korbstuhl zurück und schlürfte ihren Eiskaffee durch einen Strohhalm. »Ich weiß nicht, wo ich noch suchen soll. Niemand kennt meinen Vater. Vielleicht bin ich auf der völlig falschen Fährte.« Sie stellte ihre Handtasche auf den Tisch und zog die Karte hervor. »Wir haben alle Orte angesehen, an denen er sich laut der Rechnungen aufgehalten haben könnte. Viele Plätze gibt es hier nicht, die irgendwie mit unserer magischen Welt in Verbindung stehen.«

      Unserer Welt … Wenn sie wüsste, aus welcher Welt er kam.

      Er räusperte sich und stellte die Kaffeetasse ab. »Zeig mal her.« Diese Suche langweilte ihn, und wenn er sie beschleunigen konnte, um endlich zu einem Ergebnis zu kommen, würde er das tun.

      Sie reichte ihm den Plan.

      »Etwas außerhalb gibt es keltische Kultstätten, Steinkreise, das Übliche. Es würde Tage dauern, bis wir das alles abgeklappert haben.«

      Sie seufzte erneut. »Ich weiß. Vielleicht sollten wir nach Hause fahren.«

      Jenna machte einen so unglücklichen Eindruck, dass etwas in Kyrian auftaute. Plötzlich wollte er ihr zuliebe ihre Vergangenheit aufdecken. Angestrengt studierte er noch einmal die Karte und tippte den Namen der Ortschaft in sein Smartphone. Sofort bombardierte ihn die Suchmaschine mit Informationen. »Bei West Heslerton gibt es eine bekannte archäologische Stätte mit Funden aus verschiedenen Zeitaltern.« Solche Plätze waren bei Magiern begehrt, denn oft bezogen sie Kräfte aus den altertümlichen Kultstätten. Kyrian blickte erneut auf das Display und tippte weitere Namen ein. »Nicht weit von hier erstreckt sich der Danes Dyke, ein großer, doppelwandiger Erdwall, dessen Ursprung