rennt er los und sieht gerade noch, wie der hagere York drüben mit einem Panthersatz über den Bretterzaun fliegt. Rechts von Rosco stemmt sich der alte Newton hoch. Er blutet heftig. Das Scheit hat seine Nase getroffen und die Augenbraue aufgeschlagen. Rosco rennt auf das kleine Tor zu, springt hindurch und wirft sich aus dem Sprung flach hin.
Es ist keine Sekunde zu früh.
Der hagere York ist in die schmale Gasse hinter der Kneipe keine zehn Schritt weit gelaufen. Dann erreicht er einen Schuppen, wirft sich hinter der Ecke herum und reißt den Revolver heraus. In der Sekunde, in der Rosco aus dem kleinen Tor auftaucht, drückt York ab.
Rosco hört den brüllenden Knall, spürt einen kurzen, heftigen Schlag an seinem linken Arm und prallt dann zu Boden. Während er rollt, sieht er zur Ecke des Schuppens, aber sein Mann ist bereits fort. Ein taubes Gefühl im linken Arm, stemmt sich Rosco hoch, springt vorwärts und schwingt sich über die Bretter, die den Schuppen von einem kleinen Anbau des Hauses gegenüber trennen. Er landet auf einem Misthaufen, sieht keine zehn Schritte vor sich einen niedrigen Zaun und springt über ihn hinweg.
Vor ihm liegt ein Holzplatz. Der Blechschornstein einer Sägemühle ragt hoch – Holzstapel sind überall – und zwischen ihnen der Schatten eines Mannes, der durch einen der Gänge huscht, die sich zwischen den Stapeln befinden.
Sofort rennt Rosco nach rechts. Er beschreibt einen Bogen um den Stapel, läuft an zwei, drei Männern vorbei, die einen Baumstamm auf zwei Loren rollen, und sieht ihre verstörten Blicke. Dann ist er an der rechten Seite des länglichen Gatterschuppens. Eine Kreissäge singt grell los, ein Stamm poltert irgendwo im Schuppen dumpf auf den Boden. Rosco rennt auf den Berg der übereinandergestapelten Baumstämme zu, die hinter dem Sägeschuppen liegen.
An seinem Ende macht er halt, duckt sich und schiebt sich vorsichtig an den Stammenden entlang. Im nächsten Augenblick kann er seinen Mann kommen sehen. Es ist die kühle Rechnung Roscos, die jetzt aufgeht. Der Mann musste, als er die Leute sah, ausweichen. Das konnte er nur nach links tun. Jetzt ist er fort. Er kann nicht mehr gesehen werden und versucht nun, nach rechts zu laufen.
Joe Rosco zieht sich blitzschnell zurück, steigt dann auf die Baumstämme und spürt plötzlich, wie sie unter ihm zu rollen beginnen. Das fürchterliche Gefühl in sich, vielleicht zwischen die rollenden Stämme zu geraten, setzt Rosco mit einem Riesensprung wieder herunter und läuft auf den Haufen Schwarten zu, der rechts gut mannshoch liegt.
Kaum ist er hinter ihm, als er den Schrei hört.
Jemand stößt einen gellenden, weithin hallenden Schrei aus, der das dumpfe Poltern der schweren Baumstämme noch übertönt. Vor Roscos Augen rollen die Stämme wirbelnd, hüpfend und drehend, nicht zu seiner Seite, sondern genau entgegengesetzt herab.
Und an der anderen Seite ist ein Mann gewesen!
Eine Sekunde steht Rosco vor Schreck wie gelähmt, dann rennt er los, biegt um die Stämme, die am Sägemehlhaufen zur Ruhe gekommen sind – und sieht seinen Mann!
Der hagere York liegt auf dem Rücken im Sägemehl, sein Oberkörper bäumt sich auf, und aus seinem Mund dringt wieder der gellende, fürchterliche Schrei.
»Du großer Gott«, sagt Rosco entsetzt, der die beiden Baumstämme mit den Enden über den Beinen Yorks liegen sieht, wenngleich das Sägemehl die Beine bedeckt.
»Das habe ich nicht gewollt – ich wollte ihn von oben anrufen, aber …«
Er hastet auf den Mann zu, der seine Hände verzweifelt in das Sägemehl gräbt und doch die Stämme um keinen Zoll verschieben kann. Jenseits des Haufens sieht Rosco den Revolver blinken. Vom Sägeschuppen her kommt jetzt der erste Mann gelaufen, zwei, drei andere erscheinen und blicken verstört auf Rosco und den Revolver, den Rosco immer noch in der Hand hält.
»Oh, meine Beine – oh, mein Gott, helft mir doch – oh, mir sind die Beine zerschmettert!«
Das Schreien des Mannes wird immer leiser. Er läuft hochrot an – die Folge des Blutstaues. Plötzlich knickt York ein, sinkt nach vorn und bleibt mit dem Gesicht auf einem der Stämme liegen. Einer der Männer schreit etwas – im Schuppen verstummt das Zischen der Sägen – es wird still.
»Mann!«, keucht einer der Männer, als er bei Rosco ist. »Habt ihr denn das Schild nicht gelesen? Da steht es doch dick und breit!«
Er deutet auf einen Pfahl, der vor den Stämmen gestanden haben muss, von ihnen aber zerschmettert wurde und nun am Boden liegt. Obwohl das Schild mit dem Kopf zu Rosco liegt, ist es für den Spieler keine Mühe, es zu lesen.
»Vorsicht – Stämme rollen!«, sagt Rosco leise. »Tut mir leid, ich bin an der anderen Seite gewesen. Hebt sie hoch und zieht ihn heraus – er ist ein Fell- und Pferdedieb und hat Abe Adams bestohlen!«
Hinten sieht er jetzt den alten Newton auftauchen, dessen weißer Bart in einer Bahn rot vom Blut aus Augenbraue und Nase ist. Newton kommt, immer noch leicht unsicher auf den Beinen, heran und starrt York ins Gesicht. Dann hebt er den Blick, starrt auf Roscos Arm und sagt heiser: »Rosco – Mann, du blutest ja!«
»Ich?«
Rosco sieht nach seiner Hand, über die das Blut zu Boden tröpfelt und winkelt den Arm an. Als er ihn drückt, spürt er den Schmerz unter der Stelle, an der der Jackenärmel zwei Löcher hat.
»Tatsächlich«, sagt der Spieler kühl, »der Bursche hat mich doch erwischt. Das ist weiter nichts – es kratzt mich nicht, Newton. Hat Abe den zweiten Halunken?«
»Das denke ich – ich hörte Saxton brüllen, als ich aus dem Tor rannte. Junge, hast du ihm die Bäume etwa …«
»Glaubst du das?«, fragt Rosco hart. »Ich wäre beinahe selber unter sie gekommen. Der Mann wird froh sein können, wenn er jemals noch ein Pferd reiten kann. Was ist, übernimmt ihn der Sheriff?«
»Sicher«, gibt Newton zurück. Und Rosco, der ihm in die Augen blickt, erkennt den leisen Zweifel in ihnen. Der Alte ist nicht überzeugt, dass Rosco die Stämme unabsichtlich auf den Mann rollen ließ. »Ich würde Anklage wegen Pferdediebstahls erheben, aber – du kennst Old Abe nicht, Junge?«
»Ich denke doch. Also wird er nur wegen der Felle und des Geldes Anzeige erstatten?«
»Ja«, brummt Newton, »er hat, was er wollte – die beiden Burschen. Jetzt ist er zufrieden – so ist er nun mal!«
»Und das gefällt dir nicht?«
»Zum Teufel, einen guten Strick nehmen und zwei kräftige Fäuste. Und dann …, hoch mit ihm. Wir haben das früher immer so getan. Manchmal verstehe ich Abe nicht – aber Abe muss so sein. Gibt keinen besseren Mann als ihn. Na ja, seinen Willen muss er aber immer haben. Ich auch, verstanden? Zeig deinen Arm her, du Bluffer!«
»Und wenn ich nicht will?«
»Dann mache ich dir ein Loch in den Bauch.«
Er grinst, wischt sich über die Braue und hilft Rosco, die Jacke auszuziehen.
»Ja – hat der Mensch Worte«, sagt er dann bissig. »Das ist ein feines Loch. Söhnchen, schön durch das Fleisch. Was treibt dich dazu, uns alten Narren zu helfen?«
»Weiß ich selber nicht – ich bin manchmal nicht ganz richtig oben«, antwortet Rosco murrend. »Weißt du – Old Abe erinnert mich an jemanden.«
»Deshalb brauchst du dich für ihn nicht totschießen zu lassen, was?«
»Zerbrich dir nicht den Kopf über meine Taten, Zach – ich tue immer das, was ich will. Old Abe ist ein prächtiger, alter Bursche.«
»Da kennst du mich noch nicht!«, grinst der Alte und kichert. »Ich bin noch viel prächtiger, Sohn! He, da kommt Abe und bringt den Sheriff mit!«
In dem Moment, in dem Abe mit dem Sheriff ankommt, ziehen zwei der Sägewerkarbeiter York unter den Bäumen, die man hochgewuchtet hat, heraus. Das linke Bein des hageren Mannes ist gebrochen, das sieht man auf den ersten Blick. Das rechte scheint in Ordnung zu sein.
Während man eine Trage macht, auf die