Mike nie sein würde. Dieser andere wußte zu leben. Sein Stil waren Abenteuer, rauschende Feste, das Bad in der Menge, nicht Pflichterfüllung im elterlichen Betrieb, wie Mike das praktizierte. Aber der andere war mit seinen risikoreichen Geschäften zu weit gegangen. Schon seit Monaten hatte Maurena nichts mehr von ihm gehört. Deshalb war es vernünftig, den vermögenden Mike Cramer zu heiraten. Alles andere würde sich ergeben.
Maurena seufzte, denn über all das konnte sie mit ihrer Mutter nicht reden. Elèn wollte, daß sie die Sicherheit wählte.
»Da ist ein Artikel mit Bild in der Zeitung, der vor allen Dingen dich interessieren wird«, meinte Elèn, ohne auf die Befürchtung der Tochter einzugehen.
Normalerweise war Maurena an den Regionalnachrichten nicht interessiert. Ihr erschien es viel wichtiger, was bei den Reichen aus aller Welt lief. Bald würde sie dazugehören, wenn Mike kein Interesse daran hatte, sich unter den Jet-Set zu mischen, würde sie es allein tun. Etwas widerwillig schielte Maurena auf die Seite, die ihre Mutter auf der Bettdecke ausbreitete.
Was sie da entdeckte, ließ sie wie elektrisiert hochfahren.
»Das gibt’s doch nicht!« ächzte sie und riß das Blatt hoch. »Der Schuft! Dieser gemeine Schuft!« Maurena heulte fast. »Aber der wird etwas erleben. Kommt hierher und lügt mir was vor. Das hat mir gerade noch gefehlt!« Maurena nahm sich nicht die Zeit, den Text zu lesen. Ihr genügte die Aussage des Bildes. Ihrer Meinung nach war das eindeutig.
Besänftigend legte Frau Elèn den Arm um ihre erwachsene Tochter. »Jetzt kommt es darauf an, daß du klug handelst. Deshalb bin ich mit der Zeitung auch gleich zu dir gekommen. Wir dürfen nichts überstürzen, sondern müssen sorgfältig überlegen, ob…«
»Für mich gibt es da gar nichts zu überlegen«, geiferte Maurena und schüttelte Elèns Arm von ihrer Schulter. »Den kauf’ ich mir. Und was er dabei zu hören kriegt, hat ihm noch niemand gesagt. Spielt bei mir den Biedermann und hat es faustdick hinter den Ohren! So etwas hab’ ich gern.«
»Genug jetzt!« stoppte die Ältere Maurenas Redefluß. »Willst du deine Hochzeit gefährden? Das wäre höchst unklug, mein Kind.« Belehrend hob Elèn den Zeigefinger.
»Ich will vor allen Dingen nicht betrogen werden, und schon gar nicht noch vor der Hochzeit!« zischte Maurena wütend.
»Du vergißt unsere Situation«, erinnerte Elèn mit ernstem Gesicht.
»Das ist deine Sache«, konterte Maurena unbeeindruckt.
»Da täuschst du dich aber gewaltig. Wir sitzen beide im selben Boot. Ist das klar?« Eindringlich sah Madame de Derceville ihre Tochter an.
»Du meinst, ich soll mich opfern, damit du herrschen kannst.« Fast feindselig klang diese Äußerung.
»Von einem Opfer kann wohl keine Rede sein. Cramer ist ein ausgesprochen ansehnlicher Mann, reich und gebildet, und er liebt dich. Was willst du mehr?«
»Ich werde seine Eskapaden nicht dulden! Mit mir macht er das nicht, nicht mit mir!«
»Wenn du ihn vergraulst, sind wir erledigt«, warnte Elèn.
»Wirtschaftliche Gründe können nicht für eine Ehe maßgebend sein. Über diese Ära sind wir hinaus.« Maurena schlug die Decke zurück und schwang ihre schlanken Beine aus dem Bett.
Gelassen sah ihr Elèn zu. »O nein, mein Kind. Die alten Regeln haben noch immer Gültigkeit. Die Schönheit einer Frau ist ihr Kapital. Denk daran, daß du nicht jünger wirst. Du bist achtundzwanzig, und es gibt Mädchen, die zehn Jahre jünger und ebenso reizvoll sind.«
»Aber nicht für Mike«, protestierte Maurena selbstbewußt.
»Das ist dein Glück. Aber ich würde mich nicht darauf verlassen. Ein gekränkter Mann ist unberechenbar. Vergiß das nicht.«
»Du verlangst, daß ich mir alles gefallen lasse? Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein. Eine de Derceville läßt sich nicht demütigen, hast du immer gesagt.«
»Das war zu der Zeit, als dein Vater noch lebte. Seither hat sich für uns vieles verändert. Wann begreifst du das endlich?«
»Ich nehme das nicht hin, basta. Und jetzt gehe ich duschen, Elèn!« Maurena verschwand im Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Es war überdeutlich, daß Elèn nicht länger erwünscht war. Empört schnaubend verließ sie den Raum. Im Badezimmer hörte sie Maurena schimpfen.
*
Mike war stolz auf seine hübsche Freundin. Über ihren Charakter hatte er sich noch nie Gedanken gemacht. Er war der Ansicht, daß in einem so schönen Körper nur ein bewundernswerter Geist wohnen konnte.
An diesem Vormittag wurde er eines besseren belehrt. Vergnügt kam er zum Frühstück, küßte Elèn artig die Hand und klopfte Rosario wohlwollend auf die Schulter, daß der Alte fast in die Knie ging.
»Herrlicher Tag heute, nicht wahr? Wir sollten mit dem Boot hinausfahren. Einmal um Gibraltar und dann hinüber nach Marokko.« Mike griff nach einem frischen Brötchen, schnitt es in der Mitte durch und strich dick Butter darauf. Bei seiner Figur konnte er sich das erlauben.
Maurena dagegen mußte stets vorsichtig sein, damit sie nicht zunahm und verzichtete deshalb auf Butterbrötchen. So ein bißchen neidete sie Mike den gesunden Appetit.
Doch das war nicht der Grund für ihre schlechte Laune. Heute saß der Ärger tiefer.
»Du hast wohl gar kein schlechtes Gewissen?« fragte sie lauernd.
»Nein, weshalb?« Mike hatte den Zwischenfall auf dem Flughafen in Malaga bereits vergessen. Nach einer Nacht voll Liebe und Zärtlichkeit war er überzeugt davon, daß es nichts geben konnte, das Maurena und ihn trennte.
Die rothaarige Frau war da ganz anderer Ansicht. Sie trug eine Seidenbluse mit einem Ausschnitt, der viel von ihren aufregenden Kurven zeigte. Dieses Kleidungsstück hatte sie absichtlich gewählt, damit Mike vor Augen hatte, auf was er verzichtete, wenn er sich mit einer anderen einließ.
»Da dich deine Erinnerung so schmählich im Stich läßt, empfehle ich dir, in die Zeitung zu schauen. Vielleicht wird dir da so manches wieder bewußt.« Es klang höhnisch, und es war auch so gemeint.
Mikes gute Laune sackte in Sekundenschnelle auf den Tiefstpunkt ab. Er ahnte Schlimmes, wußte aber nicht, wie er dem begegnen sollte. Am besten erschien es ihm, sich dumm zu stellen.
»Was steht denn in der Zeitung?« erkundigte er sich mit gequältem Lächeln.
»Soll ich dir die Bildunterschrift vorlesen?« Maurena hatte die von Rosario gefüllte Kaffeetasse noch nicht berührt.
Auch Mike war der Appetit schlagartig vergangen. Ihm war, als würde ihm das Stückchen Brot, auf dem er herumkaute, im Hals steckenbleiben. »Was für ein Bild?« fragte er so harmlos wie möglich. Unwillkürlich zog er den Kopf ein, denn er brauchte Maurena nur anzuschauen, um zu wissen, daß jeden Moment der Sturm der Entrüstung losbrechen konnte.
»Das weißt du sehr genau«, behauptete Maurena in schneidendem Ton.
»Wollen wir nicht in aller Ruhe frühstücken?« versuchte Elèn zu vermitteln. »Wenn du schlecht geschlafen hast, Maurena, dann ist das kein Grund, garstig zu Mike zu sein.«
»Mama, das ist meine Sache«, behauptete die Tochter so entschieden, daß es Elèn die Sprache verschlug, und das kam so selten vor wie Maurenas Anrede »Mama«.
»Der Grund deiner gestrigen Verspätung«, wandte sich Marena an Mike, »war nicht ein verpaßtes Flugzeug, sondern das Treffen mit deiner Ex-Freundin. Wie konntest du es wagen, mir eine solche Lügengeschichte aufzutischen?«
So muß der Racheengel ausgesehen haben, der Adam und Eva aus dem Paradies vertrieb, dachte Mike und sackte immer weiter in sich zusammen. In diesem Moment fürchtete er sich vor Maurena, und er hatte allen Grund dazu.
Dieser Ansicht schien auch der alte Rosario zu sein, denn er schlurfte erstaunlich flink herbei. »Brauchen