Stephanie von Deyen

Mami Staffel 9 – Familienroman


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ein Typ das ist, dieser Alfredo.«

      »Das ganze galt also ihm?«

      »Klar. Der Kerl war nie sauber. Das hat auch Madame Elèn gewußt. Deshalb wollte sie nicht, daß ihre Tochter etwas mit ihm hat. Aber Maurena war schon immer eigensinnig und hat nur gemacht, was ihr gefiel.« Es war die glücklich überstandene Aufregung, die den alten Rosario so gesprächig machte, wie ihn Mike noch nie erlebt hatte. »Er ist über die Rosen gehüpft, dieser Alfredo wie ein junger Hirsch. Trotzdem ist er hängengeblieben. Das hat seinen Schwung so gebremst, daß er wie ein Sack in die Dornen geplumpst ist. Es war ulkig, aber gelacht hat niemand. Ich konnte nicht einmal das Gesicht verziehen.

      Weit wäre Alfredo ohnehin nicht gekommen, weil die Beamten Waffen hatten, und ich glaube, sie hätten geschossen. Vielleicht war das mit den Rosen ein Glück, obwohl der Alfredo gar nicht mehr so fein aussah hinterher. Vor zwei Tagen erst hat Madame nämlich Mist vom Pferdehof bekommen, und ich mußte ihn zwischen die Rosen schütten, damit sie bis zur Hochzeit schön blühen. Die Kutsche soll doch mit Rosen geschmückt werden. Ja, und deshalb waren Alfredos weiße Hosen braun hinten, was schon merkwürdig aussah. Aber auch darüber hat keiner gelacht.« Jetzt, nach glücklich überstandenem Abenteuer schmunzelte Rosario.

      »Wie hat Maurena reagiert?« wollte Mike wissen.

      »Sie wollte ins Haus, wohl um nicht mitansehen zu müssen, wie ihr Liebhaber abgeführt wird.«

      »Liebhaber?« vergewisserte sich Mike, obwohl ihm Maurenas Verhältnis zu Alfredo längst klar war. Er wollte sich seine Meinung von Rosario bestätigen lassen.

      »Hab’ ich das gesagt?« fragte der Alte erschrocken. Er verdrängte die Erinnerung an die leidenschaftlichen Küsse, die er vom Kellerfenster aus beobachtete und meinte diplomatisch: »Ich kann das natürlich nicht beurteilen. Auf jeden Fall haben die Beamten Maurena aufgehalten. Sie würde als Zeugin gebraucht, haben sie gesagt. Und Madame mußte auch mitkommen. Alle wurden ins Polizeiauto gebracht. Einer der Polizisten fuhr Alfredos Auto. Es sei beschlagnahmt, sagte er, weil darin wahrscheinlich das unterschlagene Geld versteckt sei. Mehr weiß ich nicht. Nur, daß sie seither nicht wiedergekommen sind. Kann das denn so lange dauern?«

      Mike dachte an die Protokollaufnahme im Polizeirevier von Malaga und nickte. »Bis so ein Bericht im Zweifingersuchsystem getippt ist, das dauert. Aber wenn sie meinen, Rosario, daß ich mich darum kümmern soll, fahre ich hin.«

      »Madame hat mit allem nichts zu tun, das weiß ich.« Obwohl Elèn den alten Butler häufig schikanierte, erwies er sich als solidarisch. »Bei Maurena bin ich mir nicht sicher. Es mußte ihr doch klar sein, daß man innerhalb so kurzer Zeit nicht so viel Geld verdienen kann. Alfredo hat nämlich immer damit geprahlt, aber so laut, daß es überall zu hören war.«

      »Wenn eine Frau wie Maurena verliebt ist, setzt der gesunde Menschenverstand oft aus. Deshalb glaube ich nicht, daß sie etwas über seine Geschäfte weiß. Welcher Art waren sie überhaupt?«

      Rosario zog die Schultern hoch. »Das weiß ich nicht. Ich mache meine Arbeit, aber ich kümmere mich nicht um die Privatangelegenheiten meiner Herrschaft.«

      »Dann werde ich mal losfahren«, entschied Mike. Er tat es nicht aus Sensationslust, sondern aus der berechtigten Sorge um Elèn und Maurena heraus. Auch wenn seine Beziehung zu der schönen Französin als zerbrochen angesehen werden mußte, fühlte er sich doch verantwortlich für die beiden Damen.

      *

      Später hatte Mike den Eindruck, daß sich Maurena über sein Auftauchen noch nie so gefreut hatte wie an diesem Abend auf dem Polizeirevier von Marbella. Erleichtert fiel sie ihm um den Hals, was Mike etwas peinlich war, denn zweifellos wußten die anwesenden Beamten sehr genau darüber Bescheid, wie oft und wann ihn Maurena mit Alfredo betrogen hatte. Andererseits wollte er keine Rechenschaft von ihr fordern, solange so viele Leute zuhörten, die das nichts anging.

      Selbst von der sonst so zurückhaltenden Elèn bekam Mike einen Kuß, was er mit leidender Miene über sich ergehen ließ.

      »Mon dieu, wie gut, daß du kommst. Man hält uns hier gegen unseren Willen fest. Sag diesen Polizisten, daß wir mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.«

      »Immerhin konnten Sie uns wertvolle Hinweise geben, Madame«, meinte der ermittelnde Beamte höflich. »Ohne Sie wäre Alfredo entwischt. Es ist eine hohe Prämie für diese Hinweise ausgesetzt. Sie wird in den nächsten Tagen auf Ihr Konto überwiesen.«

      »Warum sagen Sie das erst jetzt?« Ein Lächeln erhellte Elèns strenges Gesicht.

      Maurena war wütend auf ihre Mutter, die Alfredos Flucht verhindert hatte. Doch diesen Zorn durfte die rothaarige Frau hier nicht zeigen. Für sie gab es jetzt nur eine Rettung: Mike. »Nimm mich mit«, bettelte sie in rührend kindlichem Ton.

      »Meine Herren, es ist schon spät. Wenn Sie noch Fragen an die beiden Damen haben, stehen sie Ihnen morgen wieder zur Verfügung. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn wir uns jetzt verabschieden.« Mike sprach Deutsch, und doch verstanden ihn alle.

      Die Beamten grüßten höflich zurück und ließen die beiden Zeuginnen gehen. Alfredo war zu diesem Zeitpunkt längst in Untersuchungshaft. Das Geld, das er bei sich gehabt hatte, war sichergestellt worden.

      Während der Fahrt zum Wohnsitz der Familie, lehnte sich Maurena an Mike und küßte ihn immer wieder verspielt auf die Wange. »Ich bin so froh, daß du gekommen bsit«, flüsterte sie wiederholt.

      Elèn saß hinten und war ebenfalls bemüht, Mike bei Laune zu halten. »Wir hatten die Beamten schon wiederholt gebeten, uns zurückzubringen, doch sie vertrösteten uns ständig. »Wir sind dir sehr dankbar Mike, daß du uns aus dieser unangenehmen Amtsstube befreit hast.«

      »Dafür hast du bei mir jeden Wunsch frei«, flüsterte Mauren

      Mike ins Ohr.

      Er versuchte, Haltung zu bewahren, rutschte immer weiter zur Seite und sah stur geradeaus, obwohl um diese Zeit kaum noch Verkehr auf der Straße war. Maurena würde ihn nicht noch einmal becircen. Die Sache war für ihn gelaufen. So verliebt er auch in sie gewesen war, durch Maurenas häßlichen Äußerungen existierten diese Gefühle nicht mehr. Allerdings wollte er ihr das nicht in Elèns Anwesenheit sagen.

      Gelegenheit ergab sich, als Maurena noch in derselben Nacht in sein Zimmer kam. Sie hatte sich umgezogen. Ein Hauch von einem Nachthemd, reich mit kostbaren Spitzen besetzt, trug sie. Dieses Kleidungsstück war geeignet, in jedem Mann Wünsche zu wecken, denn es zeigte Maurenas Reize auf raffinierte Art.

      Mike, der noch seine Sachen zusammengepackt hatte und eben dabei war, ins Badezimmer zu gehen, schluckte. Noch vor wenigen Tagen hätte er Maurena stürmisch in die Arme geschlossen, wenn sie ihm so begegnet wäre. Doch jetzt waren seine Gefühle für sie erloschen. Er fand ihre Aufmachung nur noch schamlos.

      »Es ist gut, daß du kommst, denn wir müssen miteinander reden«, meinte er sachlich. »Nachdem du mir gestern so klar und deutlich gesagt hast, daß es in deinem Leben einen anderen gibt, den du mir vorziehst, werde ich gehen.«

      »Mike, Mikilein, das kannst du doch nicht machen«, flötete Maurena, der noch gar nicht bewußt war, wie ernst diese Äußerung war. »In eineinhalb Wochen ist unsere Hochzeit, die Einladungen sind verschickt, das Essen ist bestellt und die Messe in der Kathedrale von Sevilla. Das alles kannst du nicht einfach ignorieren.« Maurena kam langsam näher wie eine Tigerin, die ihre Beute anschlich.

      »Gestern war dir das alles nicht mehr wichtig. Du warst bereit, mit diesem Alfredo nach Südamerika oder Australien zu fliegen, um deine Mutter oder mich hast du dir keinerlei Gedanken gemacht. Das kannst du unmöglich vergessen haben. Und du wirst auch einsehen, daß dies keine Basis ist, auf der man eine Ehe aufbaut.«

      Maurena zog einen Schmollmund. »Laß uns vergessen, was gestern war, Mike. Wir wollen nur noch an unsere Zukunft denken.«

      »Bis dir ein neuer Alfredo über den Weg läuft. Du bist zu weit gegangen, Maurena, und ich ziehe die Konsequenzen daraus.«

      »Liebst du mich denn nicht mehr?« fragte sie und stellte sich so, daß ihr