Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke


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Füh­rer, doch bin ich nicht si­cher. Dann wa­ren nach ei­nem wei­te­ren wei­ten Satz die Fel­sen­mau­ern auf bei­den Sei­ten in Sicht, und in noch zwei Sät­zen war ich im Tun­nel, wo ich mei­nen Schritt sei­nem nie­de­ren Dach an­pas­sen muss­te. Ich lief bis zu ei­ner Bie­gung wei­ter, blieb dann ste­hen und dreh­te mich um; klipp klapp kam Ca­vor in Sicht; er schlug bei je­dem Schritt in den Strom blau­en Lich­tes, wur­de grö­ßer und rann­te ge­gen mich. Wir stan­den da und hiel­ten uns ge­packt. Ei­nen Mo­ment we­nigs­tens hat­ten wir un­se­re Fein­de ab­ge­schüt­telt und wa­ren al­lein.

      Wir wa­ren bei­de stark au­ßer Atem. Wir spra­chen in keu­chen­den, ge­bro­che­nen Sät­zen.

      »Sie ha­ben al­les ver­dor­ben!«, keuch­te Ca­vor.

      »Un­sinn!«, rief ich. »Das oder den Tod hieß es!«

      »Was wol­len wir tun?«

      »Uns ver­ste­cken.«

      »Wie kön­nen wir das?«

      »Es ist dun­kel ge­nug.«

      »Aber wo?«

      »Eine von die­sen Sei­ten­höh­len hin­auf.«

      »Und dann?«

      »Über­le­gen.«

      »Recht – los.«

      Wir schrit­ten fort und ka­men als­bald zu ei­ner dunklen strah­len­för­mi­gen Höh­le. Ca­vor war vor­aus. Er zö­ger­te und wähl­te eine schwar­ze Mün­dung, die gu­tes Ver­steck zu ver­spre­chen schi­en. Er ging auf sie zu und dreh­te sich um-

      »Sie ist dun­kel«, sag­te er.

      »Ihre Bei­ne und Füße wer­den uns leuch­ten. Sie sind nass von dem leuch­ten­den Zeug.«

      »Aber – –«

      Ein Aufruhr von Tö­nen und ins­be­son­de­re ein Ton wie ein dröh­nen­der Gong, der den Haupt­tun­nel her­auf­kam, wur­de hör­bar. Er deu­te­te in furcht­ba­rer Wei­se auf eine wil­de Ver­fol­gung. Wir stürm­ten als­bald auf die un­be­leuch­te­te Sei­ten­höh­le los. Als wir da­hin­lie­fen, wur­de uns der Weg durch die Strah­lung von Ca­vors Bei­nen er­leuch­tet. »Es ist ein Glück«, keuch­te ich, »dass wir uns die Schu­he aus­ge­zo­gen ha­ben, sonst wür­den wir al­les mit dem Ge­klap­per er­fül­len.« Vor­wärts stürz­ten wir und mach­ten so klei­ne Schrit­te, wie wir konn­ten, um nicht ge­gen das Dach der Höh­le zu schla­gen. Nach ei­ner Wei­le schie­nen wir dem Aufruhr zu ent­ge­hen. Er wur­de ge­dämpf­ter, er sank zu­sam­men, er erstarb.

      Ich hielt an und blick­te zu­rück; ich hör­te das Klipp­klapp von Ca­vors Fü­ßen flie­hen. Dann hielt auch er an. »Bed­ford«, flüs­ter­te er, »vor uns ist et­was wie Licht.«

      Ich blick­te hin und konn­te zu­erst nichts se­hen. Dann sah ich, dass sein Kopf und sei­ne Schul­tern dun­kel ge­gen ein schwä­che­res Dun­kel um­ris­sen wa­ren. Ich sah auch, dass die­se Mil­de­rung der Dun­kel­heit nicht blau war, wie al­les an­de­re Licht im Mon­de ge­we­sen war, son­dern ein blei­ches Grau, ein sehr un­be­stimm­tes, blas­ses Weiß, die Far­be des Ta­ges­lich­tes. Ca­vor be­merk­te die­sen Un­ter­schied noch schnel­ler als ich, und ich glau­be, er gab ihm so ziem­lich die­sel­be wil­de Hoff­nung ein.

      »Bed­ford«, flüs­ter­te er, und ihm zit­ter­te die Stim­me. »Die­ses Licht – ist es mög­lich – –«

      Er wag­te nicht zu sa­gen, was er hoff­te. Dann kam eine Pau­se. Plötz­lich er­kann­te ich am Schall sei­ner Schrit­te, dass er auf die­se Bläs­se zu­ging. Ich folg­te ihm mit klop­fen­den Her­zen.

      16 – Gesichtspunkte

      Das Licht wur­de stär­ker, als wir nä­her ka­men. In kur­z­er Zeit war es fast eben­so hell wie die Phos­pho­res­zenz an Ca­vors Bei­nen. Un­ser Tun­nel er­wei­ter­te sich zu ei­ner Höh­le, und die­ses neue Licht war am ent­fern­te­ren Ende. Ich be­merk­te et­was, was mei­ne Hoff­nung sprin­gen und tan­zen ließ.

      »Ca­vor«, sag­te ich, »es kommt von oben! Ich bin si­cher, es kommt von oben.«

      Er gab kei­ne Ant­wort, son­dern eil­te wei­ter.

      Un­be­streit­bar war es ein grau­es Licht, ein silb­ri­ges Licht.

      Im nächs­ten Mo­ment stan­den wir dar­un­ter. Es kam durch einen Spalt in den Höh­len­wän­den her­ab­ge­si­ckert, und als ich hin­auf­starr­te, fiel mir ein Was­ser­trop­fen aufs Ge­sicht. Ich fuhr zu­sam­men und trat bei­sei­te – kling, fiel ein wei­te­rer Trop­fen ganz hör­bar auf den Fel­sen­bo­den.

      »Ca­vor«, sag­te ich, »wenn ei­ner den an­de­ren hebt, kann er den Spalt er­rei­chen!«

      »Ich will Sie he­ben!«, sag­te er und so­fort hielt er mich hoch, als wäre ich ein Baby.

      Ich hob einen Arm in den Riss und fand ge­ra­de an mei­nen Fin­ger­spit­zen einen klei­nen Vor­sprung, an dem ich mich hal­ten konn­te. Ich konn­te se­hen, dass das wei­ße Licht jetzt sehr viel hel­ler war. Ich zog mich fast ohne An­stren­gung an zwei Fin­gern in die Höhe, ob­gleich ich auf der Erde zwölf Stei­ne wie­ge, griff nach ei­ner noch hö­he­ren Felse­cke und be­kam so die Füße auf den schma­len Vor­sprung. Ich rich­te­te mich auf und such­te den Fels nach oben hin mit den Fin­gern ab; der Spalt wur­de oben wei­ter. »Man kann hin­auf­klet­tern«, sag­te ich zu Ca­vor. »Kön­nen Sie bis zu mei­ner Hand her­auf­sprin­gen, wenn ich sie Ih­nen hin­un­ter­hal­te?«

      Ich keil­te mich zwi­schen den Spalt­wän­den ein, stemm­te Knie und Fuß ge­gen den Vor­sprung und streck­te eine Hand aus. Ich konn­te Ca­vor nicht se­hen, aber ich konn­te das Ra­scheln sei­ner Be­we­gun­gen hö­ren, als er sich zum Sprung nie­der­kau­er­te. Dann schwipp! und er hing mir am Arm – und nicht schwe­rer als ein Kätz­chen! Ich hob ihn hoch, bis er eine Hand auf mei­nem Vor­sprung hat­te und mich los­las­sen konn­te.

      »Zum Hen­ker!«, sag­te ich, »auf dem Mond könn­te je­der Berg­stei­ger sein;« und da­mit be­gann ich ernst­haft zu klet­tern. Ein paar Mi­nu­ten lang klet­ter­te ich ste­tig fort, und dann blick­te ich wie­der nach oben. Die Spal­te er­wei­ter­te sich stän­dig, und das Licht wur­de hel­ler. Nur – –

      Es war doch kein Ta­ges­licht.

      Im nächs­ten Mo­ment konn­te ich se­hen, was es war, und bei dem An­blick hät­te ich vor Ent­täu­schung mit dem Kopf ge­gen die Fel­sen schla­gen kön­nen. Denn ich er­blick­te ein­fach einen un­re­gel­mä­ßig ab­schüs­si­gen, of­fe­nen Raum, auf des­sen schie­fem Bo­den ein Wald klei­ner keu­len­för­mi­ger Pil­ze wuchs, de­ren je­der glor­reich mit die­sem Sil­ber­licht leuch­te­te. Ei­nen Mo­ment starr­te ich ihre mil­den Strah­len an, dann sprang ich vor und hin­auf un­ter sie. Ich riss ein hal­b­es Dut­zend los und warf sie ge­gen die Fel­sen und setz­te mich dann bit­ter la­chend hin, als Ca­vors ro­tes Ge­sicht auf­tauch­te.

      »Es ist wie­der die Phos­pho­res­zenz!«, sag­te ich. »Kei­ne Eile not. Set­zen Sie sich und tun Sie, als ob Sie zu Hau­se wä­ren.« Und wäh­rend er über un­se­re Ent­täu­schung spru­del­te, be­gann ich, mehr von die­sen Ge­wäch­sen in den Spalt hin­ein­zu­schleu­dern.

      »Ich dach­te, es sei Ta­ges­licht«, sag­te er.

      »Ta­ges­licht!«, rief ich. »Ta­ge­s­an­bruch, Son­nen­un­ter­gang, Wol­ken und win­di­ge Him­mel! Wer­den wir sol­che Din­ge je wie­der zu se­hen be­kom­men?«

      Wäh­rend