Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman


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Susanne hatte davon kein Foto. Sie ließ deshalb Platz. Außerdem gibt es noch leere Seite, wenn sich auch Basti als Koch versucht.«

      »Basti, der ist nicht so der Typ für Kochen am Herd. Er liebt das Grillen und mixt verschiedene Senfsoßen.« Anna lachte. »Ich warne dich, niemals von ihnen zu probieren. Sie sind sehr scharf. Basti meint, dann trinken die Leut’ mehr.«

      »Tüchtiger und cleverer Junge!«

      »Ja, das ist er! Wir lassen ihm auch die Freude. Auch wenn die Soßen oft so scharf sind, dass es schon einer Körperverletzung nahe kommt. Aber die jungen Burschen aus Waldkogel, die zu unseren Hüttenabenden heraufkommen, die mögen Bastis Senfsoßen gern. Sie wetteifern, wer mehr davon essen kann.«

      »Es gehört wohl dazu, dass Männer immer in Wettbewerb treten.«

      »Ja, jeder will der Platzhirsch sein«, lachte Anna.

      Toni kam mit schmutzigem Geschirr herein.

      »Sue schickt dir auch ein Geschenk!«

      »Mei, des ist ja eine Überraschung!«

      Toni wischte sich die Hände ab und packte das flache, rechteckige Geschenk aus. Es kam ein grauer flacher Pappkarton zum Vorschein. Er öffnete ihn.

      »Mei, Anna, schau! Des ist ein gerahmter Stich vom Frankfurter Bahnhof. Er ist wunderschön. Und weckt Erinnerungen.«

      Toni schaute Judith an.

      »In der Lebensgeschichte von der Anna und mir, da nimmt der Frankfurter Bahnhof eine besondere Stellung ein. Hat dir Sue erzählt, wie die Anna und ich uns kennen gelernt haben?«

      »Sie hat es angedeutet!«

      »Nur angedeutet, dann werden wir es dir in einem ruhigen Augenblick erzählen. Es ist ein Wunder, dass wir beide uns begegnet sind. Bleibst du länger auf der Berghütte?«, fragte Toni. »Wir halten dich einige Tage hier fest!«, gab er sich gleich die Antwort. »Das haben wir Susanne versprochen. Und Versprechen muss man halten, das weißt du doch, oder?«

      »Dann muss ich wohl zustimmen!«

      »Ja, das musst du! Morgen ist es nimmer so voll. Viele Hüttengäste reisen am Nachmittag ab. Die neuen Gruppen, die länger Quartier beziehen, kommen meistens erst gegen Montagabend. So ist der Montag ein bisserl ruhiger. Da setzen wir uns morgen schon zusammen und reden.«

      »Ja, es ist wirklich sehr voll. Da ist nicht viel mit der Ruhe der Berge. Ich habe den Weg von der Oberländer Alm hier herauf genossen. Ich habe ein altes Ehepaar vor der Almhütte sitzen sehen, ein Paar wie aus einem Bilderbuch.«

      »Das sind Wenzel Oberländer und seine Frau Hildegard, die Hilda gerufen wird. Statt sich aufs Altenteil zurückzuziehen, wählten sie ihre Alm. Die beiden sind dort sehr glücklich. Sie sind schon über fünfzig Jahre verheiratet. Sie sind fast das ganze Jahr hier oben. Im Herbst werden die Kühe ins Tal gebracht. Aber Hilda und Wenzel bleiben mit den Ziegen auf der Alm. Nur wenn der Winter gar zu kalt und frostig ist, dann werden die beiden mit dem Schneepflug nach unten gebracht, zusammen mit den Ziegen. Aber die beiden mögen das nicht. Sie wollen auch im Winter auf der Alm bleiben. Und ganz so einsam ist es nicht. Es kommen immer wieder Langlaufskifahrer vorbei. Es hat sich in der Szene herumgesprochen, dass die beiden im Winter auf der Alm sind und es bei ihnen immer ein warmes Plätzchen am Ofen gibt. Die Skifahrer, meistens Burschen aus Waldkogel und Umgebung, bringen ihnen Sachen aus dem Dorf mit herauf.«

      »Das hört sich alles sehr gut an! Es scheint in Waldkogel eine gute Dorfgemeinschaft zu geben, eine traumhafte Idylle.«

      Toni schmunzelte.

      »Ja, wir kommen hier gut miteinander aus. Weißt, es gibt auch mal Streit. Aber des wird dann schon irgendwie geregelt. Die Waldkogeler sind im Grund freundliche Leut’. Sicher gibt es auch ein paar, die net so gut miteinander können, net so dicke befreundet sind, aber wenn es darauf ankommt, dann halten wir zusammen.«

      »Es muss schön sein, hier zu leben!«

      »Das ist es, Judy! Ich hatte es mir auch nicht vorstellen können, bis ich mich in Toni verliebte!«, sagte Anna mit leuchtenden Augen, aus denen so viel Liebe sprach.

      Judy trank ihren Kaffee aus.

      »Welche schönen Plätze gibt hier in der näheren Umgebung? Sie müssen einfach zu erreichen sein. Ich bin keine erfahrene Bergwanderin. Ich würde gern noch heute eine kleine Wanderung machen.«

      »Dann gehst am besten zum ›Erkerchen‹! Des ist net weit! Von dort hast eine herrliche Aussicht, und tagsüber bist du ungestört. Nachts kannst dort schon mal auf Liebespaare treffen. Die Anna richtet dir Proviant! Ich rede mit dem Sebastian und der Franziska! Sie werden dir den Weg zeigen und dich hinbringen.«

      »Danke, Toni, danke für die gute Absicht! Die beiden sind bestimmt am Lesen. Da möchte ich sie nicht stören. Ich werde dieses ›Erkerchen‹ schon finden, wenn du mir den Weg genau beschreibst.«

      Judith holte ihren Rucksack.

      »Wo kann ich meine Sachen hintun?«

      »Im Augenblick haben wir keine Kammer frei, das wird noch bis zum späten Nachmittag dauern. Wenn du abends zurück bist, dann kannst du die erste Kammer hier unten haben. Bis dorthin kannst du deine Sache bei uns ins Wohnzimmer legen.«

      Anna ging mit, weil Toni zu den Hüttengästen auf die Terrasse musste. Es wurde nach ihm gerufen. Es war ein warmer Tag, und die Gäste genossen das kalte Bier.

      Bald darauf war Susanne unterwegs. Nach Tonis und Annas Wegbeschreibung war es für sie leicht, das ›Erkerchen‹ zu finden. Sie zog ihren Rucksack ab und setzte sich auf die Bank. Judith ließ ihren Blick schweifen. Sie lächelte still vor sich hin. Sie dachte daran, wie wütend sie war, als sie den Überredungskünsten ihres Chefs erlegen war. In Judith reifte ein Plan.

      Sie wollte mit ihrem Chef reden. Sie wäre bereit, alle Seminare zu leiten, die in Waldkogel stattfinden. Die Teilnehmer waren von dem Hotel begeistert gewesen und genossen die wunderbare Atmosphäre des Ortes. Auf diese Weise komme ich vielleicht noch öfters nach Waldkogel, überlegte sie. In Gedanken legte sie sich schon die Worte zurecht, wie sie ihren Chef überzeugen wollte, die Seminare zukünftig in Waldkogel statt in Kirchwalden abzuhalten. Hier in dem schönen Ort mit dieser herrlichen Umgebung könnte man auch Entspannungsseminare für gestresste Führungskräfte anbieten. Ich werde die kommende freie Woche nutzen und die ganze Gegend erkunden. Ich werde Wanderrouten zusammenstellen und meinen Chef mit einem ausgefeilten Konzept überraschen.

      Judith kramte aus ihrem Rucksack ihren Planer hervor und begann, sich sofort Notizen zu machen.

      Mittendrin hörte sie auf. Ihr kam noch einen besseren Einfall. Ich könnte nach Waldkogel umziehen und mich hier mit diesem Konzept selbständig machen. Ich biete meine Dienstleistungen den großen Seminaranbietern an.

      Sie machte sich weitere Notizen. Der Gedanke gefiel ihr immer besser und besser. Sie nahm sich vor, ihr Konzept mit Anna zu bereden. Sie war als Exbankerin eine gute Ansprechpartnerin für Judiths Pläne. Außerdem konnten Toni und Anna ihr bestimmt helfen, eine preiswerte Wohnung zu finden. Zwei Zimmer genügen mir zu Anfang, einen Raum zum Wohnen und einen Raum für das Büro. Vielleicht finde ich eine leerstehende Almhütte. Das wäre genial, träumte Judith so vor sich hin.

      Ich muss mich auch noch einmal mit Alban treffen und ihm den Gutschein zurückgeben. Ich werde ihn auch fragen, nahm sie sich vor. Er will sein Missgeschick wiedergutmachen, das kann er, indem er mir auf diese Weise hilft.

      Judy füllte Seite und Seite in ihrem Notizbuch. Zwischendrin stärkte sie sich mit Tee und dem Proviant, den Anna ihr eingepackt hatte. Sie wusste nicht warum, aber sie fühlte sich sehr gut, so gut wie schon seit langem nicht mehr.

      Die Sonne stand schon tief über den Bergen im Westen, als Judy mit ihren ersten Notizen fertig war. Sie legte sie zur Seite, lehnte sich zurück, schloss die Augen und träumte still vor sich hin. Und in ihren Träumen kam auch Alban vor.

      *

      Alinas Eltern saßen im Garten.