Alexander Bálly

Hopfenbitter


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      »Dienstlich?« Bei Karola schrillten plötzlich die Alarmglocken.

      »Jawohl. Könnet Se uns sagen, wo mer den Herrn Wimmer finden können?«

      »Der muss gleich wiederkommen. Er hat nur ein paar Platten mit Kanapees ausgeliefert. Ah, da kommt er schon. Gehen wir doch bitte ins Brotzeitstüberl. Melanie?« Ein scharfer Blick, und Melanie wusste, dass sie bis auf Weiteres den Laden alleine zu betreuen und jede Störung zu unterbinden hatte.

      Als sie zu viert um den Tisch im Brotzeitstüberl herumsaßen, eröffnete Stimpfle sehr ernst das Gespräch.

      »Herr Wimmer. Mir ermittle in em Mordfall. Ich muss Sie fragen: Wo sind Sie gestern zwischen vierzehn Uhr und vierzehn Uhr dreißig g’wäh?«

      »Des fragen S’ mich jetzt im Ernst?«

      Wimmer mochte das Detektivspielen. Doch er war dabei immer der Detektiv gewesen. Nun war er offenbar verdächtig. Das missfiel ihm sehr. »Jetzt sagen S’ glei, dass S’ des nur wissen wollen, dass S’ mich ausschließen können und dass des a reine Routine is. Aber wieso kommen S’ denn zu mir?«

      Stimpfle waren Wimmers Hobbyaktivitäten als Detektiv immer schon ein Dorn im Auge gewesen. Dass Amateure in seinen Untersuchungen herumstöberten, fand er eine lästige, völlig unangebrachte Einmischung. Wenn aber die Amateure dabei so zielgerichtet, hartnäckig und auch noch erfolgreich an den Kriminalfällen schnupperten, wie Wimmer es getan hatte, dann war das nur umso schlimmer.

      »Bitte, Herr Wimmer, beantwortet Se uns die Frage.«

      »Gestern kurz vor halb drei?«

      Daschner wiederholte die Daten.

      »Da war ich in der Gemeindebücherei. Da hab ich mir ein neues Buch ausgeliehen. Das hier.«

      Er reichte Stimpfle ein Buch vom Fensterbrett. Der nahm es erst, als er sich einen Latexhandschuh übergezogen hatte.

      »Stürmische Ernte«, las Stimpfle. Dann fischte er einen automatisch bedruckten Beleg heraus. »Ausgeliehen … gestern um vierzehn Uhr achtunddreißig. Wie lange waret Se in der Bücherei?«

      »Hm … zwanzig Minuten mindestens. Eher a halbe Stunde. Viel mehr aber aa ned. Fragen S’ halt die Frau Winter. Die wird Ihnen das bestätigen können.«

      »Das werden wir ganz sicher tun. Diese Quittung werde ich an mich nehmen. Sie ist immerhin ein Beweis zu Ihren Gunsten.«

      Den Beleg steckte Stimpfle in eine Beweissicherungstüte, einem mit einem Formular bedruckten Ziplockbeutel aus Plastik, und beschriftete ihn.

      Inzwischen wurde Wimmer ungeduldig.

      »Ja, was ist denn los, zum Donnerwetter?«, wollte er wissen.

      »Kennen Sie Herrn Dirk Biss?«, fragte Daschner, anstatt zu antworten.

      »Ja, freilich. Ich kenn den Mann.«

      »Wann haben Sie den zum letzten Mal gesehen?«

      »Das ist scho a paar Wochen her.«

      Wimmer stand auf und trat an den Wandkalender. »Da war der Besuch von der Katharina. Und in der Woche danach. Genau … hier!« Sein Zeigefinger parkte auf einem Montag. An dem Tag war’s so gegen Mittag. Da hat er mich hergefahren, und wir sind friedlich auseinander. Wieso wollen S’ denn des ois wissen?«

      Daschner blickte zu Stimpfle, und der nickte.

      »Herr Biss ist tot. Und Sie hat man gesehen, wie Sie mit ihm durch die Gegend gefahren sind. Verschiedene Leute haben Sie erkannt und fanden das recht sonderbar.«

      »Der Biss ist tot?« Die Nachricht brachte Wimmer tatsächlich aus dem Gleichgewicht.

      »Ja.«

      »Ermordet?«

      »Ja.«

      »Ich hab ja gewusst, dass deine Blutsdetektivspielerei nur Ärger macht!« Karola pumpte sich zu einer Schimpftirade auf. »Nix als Ärger und gefährlich is es aa no. Was hast denn jetzt scho wieder ang’stellt? An was hast da scho wieder gerührt? Kannst ned wenigstens einmal drauf verzichten, mit Leichen umanandzuschmeißen? Wo du bist, fallen d’ Leid um wie d’ Flieg’n. Des muss jetzt aber endlich a End ham! Herrschaftszeiten!«

      Sogar Stimpfle lächelte.

      »Ganz so schlimm isch es, glaub i, dann doch ned, Frau Kirner. Wenn ihr Vater tatsächlich in der Bücherei g’wen isch, dann hat er ja a ganz a solides Alibi. Aber trotzdem müsset mer ihn genau befragen. Sonst tät mer doch unsere Arbeit ned machen, ned wahr?« An Wimmer gewandt, fragte er: »Darf ich Sie bitten, dass Sie uns auf das Polizeipräsidium begleiten? Da könnet mer Ihre Aussage besser aufnehmen.«

      Wimmer seufzte. »Natürlich.«

      »Ach ja … isch Ihre Enkelin auch wieder beteiligt g’wä?«

      Obwohl sie nur in sehr geringem Umfang beteiligt war, bestand Lukas Stimpfle auch bei ihr auf eine Befragung. So wurde die Angelegenheit plötzlich deutlich größer, denn Karola bestand nun ihrerseits darauf, dass nicht nur sie selbst, sondern auch der Anwalt der Metzgerei, Herr Dr. Brauer, bei Annas Befragung anwesend war.

      Dagegen war nichts einzuwenden, aber sehr wohl dagegen, dass die zu Befragenden zusammen im selben Wagen fuhren. Auch Absprachen über Mobiltelefone oder irgendwelche Beeinflussungsversuche galt es zu verhindern. So fuhr Daschner bei Karola und Anna mit, während Stimpfle Wimmer chauffierte.

      Auch im Präsidium brachte man sie in verschiedene Räume. Wimmer saß in Stimpfles Büro, während Anna mit ihrer Mutter ein paar Zimmer weiter im Büro eines verreisten Kollegen wartete.

      Karola war nervös. Da sie nicht über den Fall reden durfte und über nichts anderes reden wollte, rutschte sie unruhig auf ihrem Stuhl hin und her und blickte alle zwei Minuten auf die Uhr.

      Anna war, anders als ihre Mutter, weit weniger aufgeregt. Sie wusste, dass sie sicher nichts falsch gemacht hatte, und auch der Opa nicht. Was immer es war, wofür man sie brauchte, war sicher nicht so schlimm wie die kommende Schulaufgabe. So nutzte sie die Zeit, um Englischvokabeln zu büffeln. Daschner saß ihr gegenüber und half gelegentlich bei unregelmäßigen Verben aus.

      Als Karola zum siebzehnten Mal auf die Uhr sah, stellte sie fest, dass sie schon die Ewigkeit von achtundzwanzig Minuten warteten. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Dr. jur. Brauer, der Anwalt der Familie, trat ein. Er ließ sich kurz von Karola und Daschner auf dem Flur informieren, dann setzte er sich neben Anna und bat um eine kurze vertrauliche Unterredung mit seinen Mandantinnen.

      Nun endlich konnte Daschner Anna befragen. »Du hast es ja schon mitbekommen. Herr Dirk Biss ist gestorben«, begann sie.

      »Ja. Das habe ich mitbekommen.«

      »Man hat vor einiger Zeit deinen Opa gesehen, wie er mit Herrn Biss in Wolnzach herumgefahren ist. Weißt du davon?«

      »Ja, freilich. Der Opa hat mit Herrn Biss a bestimmtes Haus gesucht. Des war ned ganz einfach, weil … sie ham nämlich nur a uraltes Foto g’habt.«

      »Weißt du, warum der Herr Biss das Haus gesucht hat?«

      »Nein. Er hat es gesucht, als Detektiv, weil ein Klient oder Kunde ihn damit beauftragt hat.«

      »Haben die beiden dieses Haus gefunden?«

      »Was meinen S’ wohl? Klar hat der Opa raus’bracht, was des für a Haus war. Es war aber gar ned so leicht.«

      »Hast du bei der Suche mitgeholfen?«

      »Naa, mitg’sucht hab ich selbst ned. Aber i hab dem Opa mit dem Bild a bisserl geholfen, es am Computer vergrößert und so«, und sie berichtete von der Glühbirne als Maßstab.

      Daschner lächelte. Dann fragte sie: »Hast du Herrn Biss selbst kennengelernt?«

      Hier legte der Anwalt Anna eine Hand auf die Schulter. »Meine Mandantin wird sich zu dieser Frage nicht äußern. Ein Arbeiten am Rechner macht sie noch nicht mordverdächtig.