Sigrid-Maria Größing

Die Genies im Hause Habsburg


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die Familien sollten fest durch eheliche Bande verknüpft werden. Dabei war die kleine Tochter Karls auch kein unbeschriebenes Blatt mehr, denn der Vater hatte das erst zweijährige Kind mit dem Sohn des Thüringer Landgrafen Friedrich II. von Meißen, mit dem jungen Balthasar, verlobt, da ihm eine Verbindung von Böhmen zum Reich erstrebenswert schien. Aber so schnell der Heiratskontrakt geschlossen war, so schnell wurde er wieder gelöst, nachdem es Karl opportun schien, auch im Süden Unterstützung durch die Habsburger zu bekommen. Daher nahm er seine Tochter Katharina gleich nach Seefeld in Niederösterreich mit, wo man die Kinder Rudolf und Katharina als zukünftiges Ehepaar präsentierte. Dass Karl seine kleine Tochter an einen Habsburger verheiraten wollte, sahen freilich besonders die Wittelsbacher mit scheelem Blick, denn sie konnten alles brauchen, nur kein erstarktes Gebiet im Osten.

      Das Treffen in Seefeld diente nicht nur der Verlobung der Kinder, Karl belehnte hier auch Albrecht mit den österreichischen Gebieten, der Steiermark und Kärnten. Dass Katharina nicht mehr nach Hause nach Prag zurückkehren sollte, sondern in ihrer neuen Heimatstadt Wien erzogen werden sollte, berührte den Vater wahrscheinlich herzlich wenig, denn Töchter waren nun einmal zu dieser Zeit nicht viel mehr als eine wichtige Handelsware!

      Ob die beiden Kinder Rudolf und Katharina einander in den nächsten Jahren besser kennen lernten, davon schweigen die Chronisten. Gespielt haben die Kinder wahrscheinlich nicht miteinander, zu sehr sah man in ihnen die kleinen Erwachsenen, die ihre Pflicht zu erfüllen hatten. Für Rudolf setzte auch schon bald ein intensives Lernprogramm ein, die besten Philosophen sollten den jungen Mann lehren, die Probleme der Zukunft zu erkennen und möglichst gut zu lösen. An eine kindliche Entwicklung in unserem Sinn ist dabei kaum zu denken. Die Schriften, die dem erst neunjährigen Rudolf gewidmet wurden, geben Aufschluss über die hohen Ansprüche, die man an den Knaben stellte, sie wären für ein normales Kind kaum verständlich gewesen. Aber es war, als hätte man geahnt, dass Rudolf kein langes Leben beschieden war, sonst hätte man sich vielleicht mit den vielfältigen Instruktionen Zeit gelassen und dem Kind nicht ungewöhnlich früh lesen und schreiben beigebracht.

      Der Vater trachtete außerdem danach, dass Rudolf seine Aufgabe, immer wieder seine Länder zu bereisen und nach dem Rechten zu sehen, schon bald erkannte. Es gab viel zu tun in der nächsten Zeit, die Wirren der kaiserlosen Zeit waren immer noch nicht ganz überwunden, das wussten sowohl Karl IV. als auch Albrecht II. Es gab immer noch ständig Reibereien mit den Schweizern, nur ein starker König wie Karl war in der Lage, sie im Zaum zu halten. Es war kein Wunder, dass der junge Rudolf von seinem Schwiegervater in spe ungewöhnlich beeindruckt war, vor allem, als er mit seinen vierzehn Jahren zum symbolischen Beilager nach Prag reiste. Für die beiden Väter waren damit die verwandtschaftlichen Bande offiziell geknüpft, wenn sich auch unter der Bettdecke keineswegs etwas abgespielt hatte. Rudolf kam in Prag aus dem Staunen nicht heraus, die Stadt mit ihren neuen Bauten erschien ihm wie im Märchen, die Straßen waren gepflastert, sodass man bei Regenwetter nicht mehr im Morast versank, die Häuser schienen sauber und gepflegt, am meisten bewunderte der Jüngling allerdings das Wunderwerk des Veitsdomes und die Universität. Obwohl Rudolf in seinem jungen Leben schon weit herumgekommen war, hatte er so eine Stadt noch nie gesehen, eine wahre Hauptstadt des Reiches! Und er nahm sich vor, auch Wien zu einer modernen Metropole zu machen, zu einem Zentrum im Osten, das Prag in nichts nachstehen sollte!

      Natürlich war sich Rudolf damals schon bewusst, dass er als Herzog von Österreich in keiner Weise die Machtposition erlangen würde, wie sie Karl, zuerst als erwählter römischer König und später als gekrönter deutscher Kaiser, innehatte. Aber er musste einen Weg finden, aus der zweiten Reihe herauszutreten, in die die Habsburger durch die Gesetze der Goldenen Bulle, die 1356 von Karl IV. erlassen worden waren, gestellt waren. Der Schwiegervater hatte nämlich in dem Gesetzeswerk mitnichten die Absicht gehabt, die Habsburger irgendwie aufzuwerten, im Gegenteil, er zog nicht einmal die großen Gebiete, über die sie herrschten, ins Kalkül, als es darum ging, die Herzöge eventuell in die Reihe der Kurfürsten aufzunehmen.

      Wie immer sich die Stimmung zwischen diesen beiden hochbegabten Männern entwickelte, so fühlte sich Rudolf sicherlich hintangestellt. Er musste also versuchen, irgendetwas aus der Tasche zu ziehen, um Karl zu beweisen, dass er nicht nur der kleine Herzog aus den Alpenregionen war. Auf den Reisen, die er mit dem Schwiegervater unternommen hatte, hatte Rudolf genug Gelegenheit gehabt, den Charakter des Luxemburgers kennenzulernen, vor allem aber auch seine tiefe Religiosität, die sich darin zeigte, dass Karl, wo er nur konnte, die Skelette von Heiligen ausgraben ließ, um sich entweder einen Schädel oder einzelne Knochen als Reliquien nach Böhmen mitzunehmen, wo er sie in kostbaren Gefäßen zur Schau stellte. So machte Karl seinem Schwiegersohn ein besonderes Geschenk, von dem er glaubte, es würde den jungen Mann erfreuen: Er schenkte ihm eine Reliquie des Heiligen Pelagius.

      Viele Kunstschätze ließ Karl nach Karlstein in Böhmen bringen, wo auch die Reichsinsignien aufbewahrt wurden. Der Kaiser war von diesen Kostbarkeiten so hingerissen, dass er einen eigenen Tag bestimmte, an dem den Insignien gleichsam besondere Ehren erwiesen werden sollten.

      Im Jahr 1356 war es schließlich offiziell so weit, dass die Ehe zwischen Rudolf und Katharina in Wien vollzogen wurde. Vorher aber mussten noch die finanziellen Angelegenheiten geregelt werden, da Katharina als Mitgift 10 000 Schock großer Prager Pfennige bekommen sollte, dazu eine jährliche Rente von 1000 Schock sowie als Morgengabe 15 000 Schock. Aber erst als der Kaiser 4000 Schock in bar aus seinen Geldtruhen holen ließ und die Stadt Laa an der Thaya und eine böhmische Festung verpfändet waren, durfte Rudolf mit Katharina das Brautbett besteigen. Der Herzog von Österreich wollte auf Nummer sicher gehen!

      Weder Rudolf noch Katharina war es vergönnt, längere Zeit gemeinsam zu verbringen, denn auf Rudolf, der nach dem Tod seines Vaters am 20. Juli 1358 nicht nur die österreichischen Gebiete, die Steiermark und Kärnten geerbt hatte, warteten in den Vorlanden, im Elsass und im Sundgau große und vor allem schwierige Aufgaben. Vielleicht wäre es dem jungen Mann gar nicht möglich gewesen, all die Probleme, die sich auch aus der Ferne der Schweizer Städte, die ständig um ihre Freiheit kämpften, zu lösen, hätte er nicht als junger Reichslandvogt eine mit allen politischen Wassern gewaschene Frau als Beraterin gehabt: seine Tante Agnes, die einstige Gemahlin des früh verstorbenen letzten Arpadenkönigs Andreas III. von Ungarn. Nach dem Tod ihres Mannes war Agnes in den Westen gezogen, wobei sie freilich vorausschauend genug war, ein kleines Vermögen mitzunehmen. Als Johann Parricida, ihr Cousin, König Albrecht I. im Jahre 1308 heimtückisch umgebracht hatte, ging Agnes’ ganzes Trachten dahin, Rache an dem Königsmörder zu nehmen. Da sie einsah, dass ihr dies im Diesseits kaum gelingen konnte, sann sie auf die Vergeltung Gottes im Jenseits. Sie stiftete das Doppelkloster Königsfelden sowie das Kloster Töss, wo ein erstes Opfer ihrer übergroßen Religiosität ihre Stieftochter Elisabeth wurde, die keineswegs davon begeistert war, für immer den Schleier nehmen zu müssen.

      So sehr Agnes von den Eidgenossen mit scheelen Blicken betrachtet wurde, so sehr man sie auch mit unflätigen Ausdrücken bedachte – die Schweizer bezeichneten sie gar als »listiges Weib«, vor dem man sich in Acht nehmen müsste, oder als »alte Trugnerin« –, so erfolgreich war sie als Helfershelferin ihrer habsburgischen Verwandten. 1333 schloss sie den »Landfriedensbund«, ein einmaliger diplomatischer Erfolg in den Vorlanden, da in den nächsten Jahren die Waffen schweigen würden.

      Wahrscheinlich erkannte der junge Rudolf sehr schnell, wie wichtig seine Tante in den westlichen Teilen seiner Länder war, die ihm als Reichslandvogt unterstanden, sie glich einem Schutzschild, an dem alles abprallte. Deshalb reiste er im Jahr 1357 zusammen mit seiner jungen Ehefrau Katharina nach Königsfelden, um nicht nur politische Probleme mit Agnes zu besprechen, sondern auch persönliche Gespräche mit ihr zu führen. Mit jedem Tag erstaunte Agnes den jungen wissbegierigen Mann mehr, denn sie war eine hochgebildete Frau, die in bestem Kontakt mit den bedeutendsten Wissenschaftlern ihrer Zeit stand. Der große Meister Eckhart widmete ihr das Buch »Liber benedictus«, damals eine hohe Auszeichnung für eine Frau. Durch die Tante beeinflusst, bekam Rudolf, der selber tief religiös war, Zugang zu den mystischen Strömungen im Lande, wenngleich er sich auf der anderen Seite als krasser Realist gegen einen zunehmenden politischen Einfluss der Kirche aussprach. Als Privatperson akzeptierte er es voll und ganz, dass seine Schwester Katharina, die das »Büchlein von der göttlichen Weisheit« des Mystikers Heinrich Seuse besaß, in das Rudolf selbst in seiner Geheimschrift den Satz