Sigrid-Maria Größing

Die Genies im Hause Habsburg


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den Weg frei für die Universität in Wien, die nach den Vorbildern Prag und Krakau mit vier Fakultäten – der theologischen, der medizinischen, der juristischen und einer Artistenfakultät – ausgestattet sein sollte. Rudolf hatte eingehend die Privilegien studiert, die Professoren und Studenten an den bestehenden Universitäten hatten, und kam zu dem Schluss, dass die geistige Elite der Stadt und des Landes in einem eigenen Viertel, wo sie einer speziellen Sozialordnung und einer gesonderten Rechtsprechung unterliegen, wohnen sollte. Schon auf der Anreise nach Wien garantierte der Herzog den Wissenschaftlern Freiheit und Schutz, außerdem wurde für sie ein eigenes Erbrecht geschaffen.

      Der für die Welt der Wissenschaft und für die geistige Zukunft des Landes so ausschlaggebende Tag der Gründung war der Namenstag des Heiligen Gregors, der als Schutzpatron der Lehrer gilt. Die beiden Urkunden, von denen eine in deutscher und eine in lateinischer Sprache abgefasst ist, wurden von Rudolf und seinen beiden Brüdern Albrecht III. und Leopold III. unterzeichnet. Es war für die Zeit etwas ganz Besonderes, dass Rudolf die deutsche Sprache sowohl als Amts- als auch als Urkundensprache verwendete, was natürlich manchmal Probleme aufwarf, denn das Wort »Rektor« lässt sich nun einmal schwer ins Deutsche übersetzen. Der Herzog wählte für diesen Ausdruck die eher kuriose Bezeichnung »obrist Maister der egenannten Phaffheit«.

      Erst am 18. Juni 1365 kam der endgültige Sanctus durch eine Bulle des Papstes, indem er die Gründung der Universität Wien genehmigte, zunächst allerdings ohne theologische Fakultät. Was der erst 26-jährige Herzog damals nicht ahnen konnte, war die traurige Tatsache, dass er die »Volluniversität« nicht mehr erleben sollte, da seine Tage bereits gezählt waren.

      Ob Rudolf IV. in seiner nur siebenjährigen Regierungszeit, die angefüllt war von Reformen, der Umsetzung von zukunftsorientierten Ideen, mit Streitereien und Fälschungen, in der er rast- und ruhelos versuchte, seine Ziele zu verwirklichen, ahnte, dass ihm nicht viel Zeit blieb, kann man nur vermuten. Denn auch die Sozialreformen, die er in Wien und in seinen Ländern durchführen ließ, waren von einer Schnelligkeit, die beinah unvorstellbar war. Überall, wohin er auf seinen Reisen kam, versuchte er der Wirtschaft Impulse zu geben, wobei er vor allem und immer wieder den Klerus im Auge hatte. Hier war auch für ihn Geld zu holen. Denn seiner Meinung nach hatte man schon zu lange den Besitz der »toten Hand« toleriert – Kirchenbesitz, der durch Schenkungen zustande gekommen war. Bis in seine Tage waren nämlich Klöster und Kirchen von jeglicher Steuer ausgenommen gewesen. Das sollte anders werden! Jetzt war unter ihm das Zeitalter der Geldwirtschaft angebrochen, er hatte die Münzprägung, die sein Vater Albrecht II. begonnen hatte, fortgeführt, sodass auch die Klöster Abgaben in Form von Goldgulden leisten mussten. Und um alles genau im Auge zu behalten, ließ Rudolf Grundbücher einführen, durch die die fälligen Zinssätze genau überprüft werden konnten, vor allem weil die Menschen plötzlich mobil geworden waren und vom Land in die Städte zogen, da sie sich hier mehr Möglichkeiten für ihr Fortkommen und vor allem mehr Schutz erhofften. Der Herzog hatte nämlich per Gesetz den einengenden Zunftzwang aufgehoben und eine Art Gewerbefreiheit eingeführt. Jeder sollte nach seinen Fähigkeiten den Beruf ausüben können, zu dem er sich befähigt fühlte. So modern diese Anschauung auch war, so stieß sie doch vonseiten der Handwerker vielfach auf Kritik, denn die etablierten Meister ihres Faches fürchteten die Konkurrenz, die von außen kam.

      Aber Rudolf ließ sich in seinen Reformen nicht von Misstönen beirren: Er kümmerte sich selber um alles. Da er der Meinung war, dass Brot und Fleisch zu den Grundnahrungsmitteln des einfachen Mannes gehörten, erließ er eine »Fleischhackerordnung« für die Stadt Wien, in der nicht nur der Ort des Schlachtens beim »roten Turm«, sondern auch die Entsorgung der Abfälle direkt in die Donau festgelegt wurden.

      Natürlich stammten die Ideen für diese revolutionierenden Neuerungen nicht alle von Rudolf selber: Tüchtige Berater, von denen der hochintelligente Bischof von Gurk eine besondere Stellung einnahm, unterstützten den Herzog in seinem Tun. Außerdem hatte Rudolf in seinem Schwiegervater einen genialen Lehrmeister, sodass er sich vielfach an der Umsetzung der modernen Zeitströmungen am Prager Hof orientieren konnte. Auch die Verordnungen der Stadt Nürnberg enthielten für den Herzog zukunftsweisende Ideen, die ins Konzept des Habsburgers hervorragend passten.

      Natürlich brauchte der Herzog wie alle Herrscher zu jeder Zeit Geld, um alles, was ihm vorschwebte, in die Tat umsetzen zu können. Und da durch eine gewaltige Naturkatastrophe in der Silbergrube in Zeiring in der Steiermark der Geldhahn plötzlich abgedreht war, musste Rudolf eine neue Einnahmequelle finden. Er brauchte nicht lang zu suchen, denn die Idee lag für ihn auf der Hand: Er erließ auf alle Getränke, die in Gaststätten konsumiert wurden, eine Art Getränkesteuer in Höhe von zehn Prozent, das sogenannte »Ungeld«, das natürlich bei seinen trinkfreudigen Wienern nicht allzu beliebt war. Aber der Herzog war in dieser Hinsicht gnadenlos, er gab sogar – um auf Nummer sicher zu gehen – Order, das Öffnen der Fässer zu überwachen. Selbst in der Dichtung der Zeit findet das Ungeld seinen Niederschlag, wenn Peter Suchenwirt folgende Zeilen verfasste:

       Den Ungelt auf den Weinen

       Lat ab durch ewer edel Zucht …

       Der gemeine Fluch pringt lützel Frucht.

      Die Einnahmen aus dem Ungeld waren beträchtlich: 30 563 Pfund flossen in die Kassen des Herzogs, was einem Silberwert von achthundert Kilo entsprach. Jetzt konnte Rudolf Münzen mit seinen Initialen prägen lassen, die in allen seinen Ländern, von der ungarischen Grenze bis ins Elsass, allgemeine Gültigkeit haben sollten.

      Geprägtes Geld hatte längst überall Eingang gefunden, wobei das Verleihen größerer Beträge in den Händen der Juden lag, denn es war einem Christen nicht erlaubt, Zinsen zu nehmen. Man war wohl gezwungen, Geld zu leihen, wenn es aber an die Rückzahlung ging, bezeichnete man die Juden als Wucherer und verfolgte sie. Obwohl Rudolf so wie seine Vorgänger immer noch gewisse Ressentiments gegenüber den Juden hatte, verhielt er sich ihnen gegenüber loyal, wenngleich er auch nicht alle Kredite, die er aufgenommen hatte, zurückzahlte. Aber er bemühte sich wenigstens um ein friedliches Nebeneinander, sodass sich die Juden bei Streitigkeiten vertrauensvoll an den Herzog wandten, denn es war bekannt, dass er nach jüdischem Recht sein Urteil fällte.

      Nachdem sich Rudolf mit seinem Schwiegervater nach etlichen schweren Konflikten ausgesöhnt hatte, legte er sein Hauptaugenmerk auf die an seine Länder angrenzenden Gebiete in Oberitalien, vor allem auf das Friaul, wo es immer wieder zu Kämpfen kam. Vielleicht war Italien wirklich das Land seiner Sehnsucht, denn Rudolf ließ sich hier auch aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen zu dem dubiosen Herzog von Mailand Bernabò Visconti in alle möglichen Bündnisse hineinziehen. Bernabò war ein gefährlicher Machtmensch, der eine Unzahl von unehelichen Kindern besaß, die er standesgemäß verheiraten wollte. Jede der Töchter der »Viper von Mailand«, wie Bernabò aufgrund seines Wappentieres genannt wurde, brachte 10 0000 Gulden mit in die Ehe. Eine Tatsache, die vielleicht den Bruder Rudolfs IV. besonders lockte, denn Leopold III. feierte mit Viridis in Mailand eine glanzvolle Hochzeit. Die Hofhaltung Bernabòs beeindruckte die habsburgischen Herzöge zutiefst. Leopold galt zwar sicherlich nicht als besonders attraktive Partie, wenngleich er aufgrund der habsburgischen Hausordnung von 1355 theoretisch die gleichen Rechte wie seine Brüder Rudolf IV. und Albrecht III. haben sollte. Papier war auch damals schon geduldig, denn Rudolf verstand es sehr geschickt, seine Position als Ältester auszunützen, obwohl er anscheinend in diesen Jahren schon von Todesahnungen geplagt war. Da man Jahrhunderte später bei einer Öffnung seines Sarkophags stark verwachsene Schädelknochen feststellte, ist anzunehmen, dass er an einem Hirntumor litt, der sein Gesicht lähmte. Daher regelte er nicht nur seine Nachfolge, sondern setzte noch alles daran, Margarete Maultasch zu überzeugen, dass sie ein reichliches Ausgedinge in Wien finden würde. Rudolf selber holte die Fürstin von Tirol nach dem Tod ihres einzigen Sohnes ab und brachte sie nach Wien. Die jugendliche Witwe Meinhards III. von Tirol Margarete, eine Schwester Rudolfs, musste auf Geheiß des Bruders den abgelegten ehemaligen Ehemann ihrer Schwiegermutter Margarete Maultaschs, Johann von Böhmen, heiraten und verzichtete damit auf Tirol.

      Es war wahrscheinlich dem Einfluss Rudolfs, der den Beinamen »der Stifter« nicht zu Unrecht verdiente, zuzuschreiben, dass allmählich auch die Wittelsbacher sich mit der neuen Situation in Tirol abgefunden hatten und ihre Kämpfe einstellten. Wie allerdings die Zukunft