Diana Richardson

Zeit für Liebe


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dabei zu einer Art Sucht geworden ist –, ist es gut, wenn wir uns gegenseitig darin unterstützen, das Mechanische und das Tun beim Sex zu unterbrechen und loszulassen. Wenn wir an unsere gewohnte „Belohnung“ denken und daran, was wir jetzt aufgeben, wird es schwierig sein, das zu sehen, was wir dabei gewinnen. Oft dauert es eine Weile, also braucht es Geduld und die Bereitschaft, die alten Gewohnheiten aufzugeben. Mit einer spielerischen und offenen Haltung können wir uns auf das Neue einlassen. Am hilfreichsten ist es, wenn beide Partner eine ähnliche Einstellung dazu haben, sich wirklich auf das Erforschen und das Unerwartete einzulassen, denn das macht es erst möglich, zusammenzuarbeiten und Neues zu entdecken. Zum Beispiel kann es eine Herausforderung sein, mitten in der sexuellen Lust und Erregung für Experimente offen zu bleiben. Vielleicht erlebst du plötzlich einen unwiderstehlichen Drang, dich in Richtung Orgasmus zu bewegen.

      In solchen Augenblicken scheint ja nichts wichtiger zu sein! Aber wenn dein Partner dir helfen kann, dich ins „Jetzt“ zurückzubringen, entsteht plötzlich die Möglichkeit, dich zu entspannen und dem zwanghaften Drang nicht nachzugeben – ein Riesenschritt –, und dann wird sich dir das Mysterium des Sex offenbaren. So ist die Unterstützung und Bewusstheit deines Partners wesentlich, um in der Liebe zu wachsen und größere Klarheit in das sexuelle Erleben zu bringen.

      Wenn Paare so miteinander Liebe machen, helfen sie sich gegenseitig und können von- und miteinander etwas lernen. Zusammen entdecken sie den Weg der Entspannung im Sex. Alleine geht das nicht. Wenn einer der Partner immer wieder die Anstrengungen des anderen unterminiert, wird es fast unmöglich, sich von den unbewussten sexuellen Aspekten zu befreien. Ohne gegenseitige Bereitschaft wird es also schwer sein, neues Terrain zu erforschen.

      Offen und verletzlich zu sein, sich einzugestehen, eigentlich nicht wirklich etwas über das Liebemachen zu wissen – selbst wenn ihr es schon tausend Mal getan habt –, das ist der Anfang!

      Eine Frau, mit der ich gearbeitet habe, hat sich vorgestellt, indem sie sagte, sie hätte mindestens dreitausendfünfhundert Mal auf die gleiche Art und Weise Liebe gemacht, und sie wäre jetzt hier, um zu sehen, was noch möglich wäre! Wenn einer der Partner nicht bereit ist, neues Terrain zu erforschen, indem er sich alten Mustern beim Liebemachen stellt, kann das den Raum von Offenheit und Verletzlichkeit stören. Wenn du glaubst, dass du weißt, wie Liebemachen funktioniert und wie diese mysteriöse Energie sich bewegt, dann ist da kein Platz mehr für andere, möglicherweise feinere und tiefgreifende Erfahrungen. Es geht um ein Wollen, ein Bereitsein, alle Gefühle zuzulassen und deine Unsicherheiten und Ängste in Sachen Sex auch zu zeigen. Wenn du in deinem Denken zu festgefahren bist, kannst du das höhere orgasmische Potenzial des Sex nicht anzapfen.

      Keine Regeln im Bett

      Es ist gut, sich stets daran zu erinnern, dass es absolut keine Regeln gibt, wie man Liebe macht. Die Liebesschlüssel zu benutzen ist mehr eine Frage der Bewusstheit. Durch Bewusstheit sind wir in der Lage neue Erfahrungen zu machen und zu lernen, wir bringen uns selbst etwas bei, Regeln aber werden uns von anderen gegeben und früher oder später führen sie zur Rebellion. Der Verstand hat die Tendenz sich starr und fest an Regeln zu halten, besonders, wenn wir uns unsicher fühlen, weil wir nicht wissen, was als Nächstes geschieht.

      Wenn man etwas tun soll, ist es nicht das Gleiche, wie etwas selbst auszuprobieren. „Das stimmt für mich“ ist etwas anderes als „Ich muss“. Es passiert sehr leicht, dass Frauen sich an Regeln orientieren; sie sind meist weniger körperlich aktiv, daher ist es für sie einfacher, im Sex weniger zu „tun“. Ich habe nur allzu häufig Frauen gesehen, die mit erhobenem Zeigefinger ihrem Partner Regeln aufzwingen, anstatt ihre eigene Verletzlichkeit in der Situation zu zeigen. Ein Mann, der sich zurechtgewiesen und in seiner Persönlichkeit bedroht fühlt, wird damit reagieren, dass er rebelliert und sich verweigert.

      Wenn Unsicherheiten bei dieser frischen neuen Art, Liebe zu machen, auftreten, macht Tantra Vorschläge statt Vorschriften. „Versuch es mal so“, können wir zu uns selbst sagen, und indem wir das tun, machen wir eine konkrete Erfahrung. Darauf können wir aufbauen, neue Richtlinien und eine eigene Orientierung finden. Wir arbeiten als Einheit zusammen, wie Wissenschaftler, die mit unstillbarer Neugierde die Missverständnisse aus Jahrhunderten aufdecken. Geduld, Liebe, Respekt und Verständnis sind der tantrische Weg.

      Die Wahl der Liebesschlüssel

      Im zweiten Teil des Buches sind die Liebesschlüssel unter neun allgemeinen Überschriften aufgeführt: Augen, Atem, Kommunikation, genitales Bewusstsein, Berührung, Entspannung, weiche Penetration, tiefe Penetration und rotierende Positionen. Jeder dieser Liebesschlüssel hilft uns, durch den Körper in den Moment zu kommen. Wenn du die einzelnen Liebesschlüssel durchliest, wirst du sehen, dass in jedem Schlüssel jeweils andere enthalten sind. Jeder Liebesschlüssel gibt praktische Vorschläge, die ihr unmittelbar ins Liebemachen integrieren könnt.

      Diese Kapitel enthalten viel Material, denke also nicht, dass du alle Liebesschlüssel die ganze Zeit anwenden musst, und lass dich nicht von ihnen überwältigen. Schau einfach, welche Schlüssel dich beim Lesen ansprechen, welche sich richtig anfühlen und welche dich neugierig werden lassen. Und mit ihnen fängst du an. Wenn du dich dann nach und nach mit ihnen vertraut fühlst, nimmst du neue dazu. Nach einer Weile des Experimentierens machen die Schlüssel immer mehr Sinn, du wirst mehr und mehr verstehen oder dich für etwas interessieren, was dich vorher nicht angesprochen hat.

      Es ist ein besonderer Tanz, eine Reise, ein Abenteuer. Durch dein Experimentieren wird sich deine Erfahrung vertiefen und damit auch deine Wahrnehmung. Auch wenn du am Anfang nur zwei beliebige Liebesschlüssel auswählst, zum Beispiel, den Augenkontakt halten und tief und langsam zu atmen, wirst du höchstwahrscheinlich eine qualitative Veränderung beim Liebemachen feststellen. Du musst also nicht gleich alles ab sofort miteinbeziehen, sondern kannst dir etwas aussuchen. Es ein Lernprozess, der seine Zeit braucht, denn vor uns liegt kein plötzlicher Bruch, sondern eine Veränderung des Bewusstseins.

      Ich erinnere mich an ein Paar, das ein Jahr nach seinem ersten Workshop erzählte, sie hätten ziemlich viel mit den Liebesschlüsseln experimentiert, würden es aber immer noch genießen, Orgasmen zu haben. Die Liebesschlüssel ermöglichten ihnen, präsenter und liebevoller zu sein und den Liebesakt an sich zu verlängern, was wunderschön war. Am Ende hatten sie dann – sozusagen als „Sahnehäubchen“ – einen Orgasmus. Sie nahmen an einem weiteren Workshop teil und forschten weiter. Dann, zweieinhalb Jahre nach unserem ersten Treffen, sagte die Frau plötzlich am Telefon zu mir: „Weißt du was, keiner von uns interessiert sich mehr für einen Orgasmus! Das ist unglaublich, weil es immer so wichtig gewesen ist. Aber jetzt haben wir langsam herausgefunden, wie wir einfach nur präsent sein können, das ist so viel schöner, wir entspannen uns besser. Wen schert da noch der Orgasmus! Und wir sind so glücklich, so verliebt.“

      Das Schöne ist, wenn erst einmal Bewusstheit in den Sex gekommen ist, wird ein Prozess in Gang gesetzt, der die alten Gewohnheiten oder Muster langsam ganz von selbst aus dem System verschwinden lässt. Es gibt so viele neue Erfahrungen und das Bewusstsein vertieft sich. Habt also keine Angst, einige der Liebesschlüssel auszuprobieren. Versucht es mal mit einem oder zweien, und seht einfach, was passiert. Wenn ihr als Paar experimentiert, besprecht zuerst, welchen der Schlüssel ihr ausprobieren wollt. Es kann die sexuelle Energie verstärken, wenn beide Partner denselben Liebesschlüssel benutzen, wie zum Beispiel die Verbindung der positiven Pole oder das Atmen, aber das ist nicht wirklich wesentlich.

      Auch wenn ihr euch nicht im Voraus entscheidet oder du keinen festen Partner hast, mit dem du experimentierst, fühlst du dich plötzlich dazu inspiriert, etwas auszuprobieren. Und vielleicht erlebst du eine Überraschung. Eine Freundin von mir, die in einem Workshop davon hörte, dass die Liebesschlüssel in Sachen Entspannung auch die Entspannung der vaginalen Muskeln meinen, wollte es nicht recht glauben. In dem Moment sagte sie nichts, aber später dann, als sie mit ihrem Partner Liebe machte, fiel ihr dieser Vorschlag wieder ein und sie entspannte ganz bewusst ihre Vagina. Als die sich weitete und öffnete, konnte der Penis sofort in die Tiefe ihrer Vagina eintauchen, bewegte sich forschend weiter und war fast dankbar vor Vergnügen.

      Wenn du einen besonderen Liebesschlüssel auswählst, lass die Bewusstheit sich