einiger Zeit entschied ich, die ganzen tollen Techniken, die ich gelernt hatte, beseite zu lassen und kehrte zur Essenz der Massage in ihrer Einfachheit zurück, folgte den abenteuerlichen Konturen des Körpers, strich und glitt die Muskeln entlang. Ich spürte die wunderbaren Oberflächen, jede eine interessante Geschichte für sich, während ich nach Knoten und verhärteten Sehnen suchte. Für mich waren das die interessantesten Stellen, und dann habe ich bald gar nicht mehr daran gedacht, mit welcher Technik ich es tat. Stattdessen begann ich mich ganz darauf zu konzentrieren, was ich berührte. Wie fühlte sich das Gewebe darunter an? Wie konnten die Fingerspitzen ihre Suche am meisten genießen? Was würde sich für mich am besten anfühlen, wenn ich dort liegen würde? Wo wollten meine Hände unbedingt hin, und wie?
Ich habe angefangen, nicht an denjenigen zu denken, den ich massierte, sondern mich nur mit den Bewegungen meines eigenen Körpers, meiner Atmung, meiner inneren Entspannung und dem Inneren des Körpers unter meinen Händen zu beschäftigen. Je mehr ich mich auf meinen Körper, meine Hände konzentrierte, desto mehr entspannte sich der Empfänger, und manchmal stieg eine fast hörbare Stille auf. Den Klienten tat es sehr gut, sie fühlten sich tief entspannt, gelassen und erfrischt. Ihr Gefühl von Zeit veränderte sich, eine Stunde körperloser Unendlichkeit.
Je mehr ich bei mir und im Moment war, desto mehr konnte der andere sich entspannen und zu sich zurückkommen. Ich erinnere mich, dass ich mich etwas schuldig fühlte, wenn ich während einer Behandlung nicht mehr an ihre körperlichen Probleme dachte, aber immer, wenn ich es einfach nur genossen hatte, ihre Körper zu berühren, fühlten sich die Leute besser, sogar bereichert. Heute bringe ich meinen Massageschülern bei, sich auf sich selbst zu fokussieren, auf die unschuldige Freude der Berührung und des Gebens ohne Agenda. Aufhören, sich über Techniken den Kopf zu zerbrechen, und einfach mit Liebe und Bewusstheit zu berühren.
Natürlich haben Techniken ihren Wert, aber der Mensch, der die Technik ausübt, ist noch viel wichtiger.
Sich im Körper entspannen
Wenn wir Liebe machen, ist es gut uns selbst wieder in den Mittelpunkt zu rücken, uns auf das, was sich in unserem Körper abspielt, einzulassen und wieder zu lernen, uns tief zu entspannen. Wenn du entspannt bist, entspannt sich dein Partner mehr und umgekehrt. Je mehr wir uns entspannen, desto mehr können wir im Moment sein, und daraus kann die sexuelle Erfahrung spontan entstehen. Die Aufmerksamkeit nach innen zu wenden, darauf, wie feinfühlig die Genitalien während der sexuellen Verbindung eigentlich sind, stärkt das Bewusstsein im Körper. So wird der Körper dann zum Tempel und Sex wird zu einer natürlichen Meditation.
In unserem neuen Ansatz verlagert sich die Aufmerksamkeit vom Kopf in den Körper, deshalb schlage ich Paaren vor, sich auf die eigene innere Welt zu konzentrieren und die Persönlichkeit oder Probleme außen vor zu lassen. Ich habe mich ja selber in diesem Ansatz geschult und für mich hat es gut funktioniert. Die Gedanken gerieten in den Hintergrund und der Körper wurde zu einem Anker, der meine innere Realität gestaltete. Weil die Sinne und Empfindungsfähigkeit durch Bewusstheit sehr verstärkt werden und weil Liebe nun mal mit dem Körper gemacht wird, müssen wir lernen, unsere Empfindungen und die damit verbundenen Gefühle bewusster wahrzunehmen. Was geschieht in unserem Körper? Und wo?
Denk daran, es geht darum, deine Aufmerksamkeit von der Pheripherie ins Zentrum zu lenken. Die Aufmerksamkeit nach innen auf den Körper zu richten statt aufs Außen und auf deine Gedanken. Was fühle ich und wo fühle ich es? Wie fühlt es eigentlich wirklich an? Wo genau fühle ich, dass mein Körper lebendig wird?
Ich schlage Paaren am Anfang eines Seminars oft vor, im Innern ihres Körpers nach „einem Ort, an dem es sich wie zu Hause, wie geerdet anfühlt“, zu schauen. Wenn du diesen Ort findest, bleibst du einfach da und ruhst. Gib diesem Platz ein wenig Licht oder Farbe; visualisiere, wie er größer wird. Bekomme ein Gefühl dafür, dass dies ein Ort ist, an dem du dich erden und an dem du Ruhe finden kannst. Es kann der Bauch sein, das Herz, die Genitalien, der untere Rücken, alles, nur nicht der Kopf! Wo es auch ist, bleib dort mit deiner Aufmerksamkeit und lass das Gefühl dafür wachsen. Du kannst jederzeit in dieses Zuhause zurückkehren, wenn du merkst, dass du plötzlich wieder weg bist. Dabei wirst du beobachten, wie oft das eigentlich passiert! Es ist gut, immer wieder in unserem inneren Raum zurückzukehren – und den äußeren einfach zu vergessen.
Es ist, als tauchten wir in unseren Körper ein, verschafften uns Raum im Innern und dehnten ihn. Der äußere Raum ist bei den meisten von uns viel größer als der innere, also dehnen wir unsere Grenzen aus und öffnen uns, um das Innere zu vergrößern.
Zu Beginn des Liebemachens, wenn beide Partner sich viel Zeit nehmen und ihre Aufmerksamkeit zuerst auf ihren eigenen Körper lenken, ist es, als würde sich die Luft zwischen den Körpern aufladen – wie ein magnetisches Feld. Du wirst dir deiner Lebendigkeit bewusst, das strahlt nach außen und kommuniziert dann mit der Präsenz deines Partners. Die Wahrnehmung oder innere Aufmerksamkeit auf den Körper ist viel feiner und präziser als der Denkprozess. Wenn unsere Aufmerksamkeit in Ge danken gefangen ist, ist es schwierig, in die Welt des Körpers einzutauchen, um wahrzunehmen, was dort genau vor sich geht. Es ist schwierig, einfach nur im Körper zu „sein“.
Einer der Faktoren, die das so mühsam machen, ist die Gewohnheit, am Anfang des Liebemachens zu schnell zu sein, die Körper viel zu schnell in Kontakt miteinander zu bringen. Wir versuchen dem anderen Lust zu verschaffen und packen das in wenige Sekunden, was sonst ein ausgedehnter, wunderbarer Austausch sein könnte. Das hat den Effekt, dass wir uns gegenseitig aus unserem Zentrum und damit aus unserem Bewusstsein herausreißen. Statt zu spüren, indem wir nach innen gehen und den anderen in uns aufnehmen, statt liebevoll und einfach zu sein, bemühen wir uns noch mehr, etwas zu machen – massieren, reiben, streicheln. Wir sind zu „Machern“ geworden und haben vergessen, wie es ist, einfach nur zu „sein“.
Dem Körper vertrauen
Um mit der Idee von Langsamkeit zu experimentieren, probiere mit deinem Partner die folgende Übung aus:
Bevor ihr Liebe macht, legt euch im Bett einander gegenüber, etwas Abstand zwischen euren Körpern und berührt euch nicht. Lenkt eure Aufmerksamkeit von eurem Partner weg, hin zu eurem eigenen Körper. Schließt die Augen für einen Moment und fühlt, wie ihr eure Aufmerksamkeit von außen nach innen leitet. Ihr könnt euch vorstellen, eure Wirbelsäule Wirbel für Wirbel hinunterzugleiten bis ins Becken, und so die Verbindung mit der Energie im unteren Teil des Körpers und in den Beinen herzustellen.
Bleibt da eine Weile, und lasst euch Zeit. Das macht euch lebendiger, bevor ihr die Körper zusammenbringt. Nach einigen Minuten öffnet ihr die Augen und schaut euch an. Dabei bleibt ihr mit eurer Aufmerksamkeit beim eigenen Körper. Atmet. Entspannt den Kiefer. Nach ein paar Minuten könnt ihr euch ganz langsam, Zentimeter für Zentimeter aufeinander zu bewegen, bleibt aber mit der Aufmerksamkeit bei euch selbst. Umarmt euch, je langsamer, desto besser; am Anfang berühren sich einfach nur die Fingerspitzen. Lasst diese Begegnung mehr „von selbst“ entstehen, als dass ihr etwas „tut“. Seid euch jeder Einzelheit eures Körpers bewusst: der Haut, der Wärme, wenn sie auf den anderen trifft und ihn umschließt.
Wenn ihr lange genug wartet und einfach nur „seid“, werdet ihr feststellen, dass die Körper sich schließlich anziehen wie Magnete. Lasst alle Absicht beiseite, und überlasst euch der Erfahrung, wie ihr dem Menschen, den ihr liebt, näherkommt. Wenn wir mit dem Liebemachen langsam und feinfühlig anfangen, wird unsere Bewusstheit und die unseres Partners sehr viel stärker. Unsere Körperenergie antwortet dann entsprechend lebendig auf diesen langsamen und entspannten Stil des Liebens.
Dies könnt ihr auch ausprobieren, wenn ihr euch nach einer Trennung wiederseht. Bevor ihr euch umarmt, stoppt, steht still und nehmt euch ein paar Sekunden Zeit, um die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken. Erdet euch in eurem Körper, euren Beinen und Füßen. Geht so langsam wie möglich aufeinander zu und umarmt euch. Bleibt entspannt, lasst eure Schultern hängen, es ist keine körperliche Anstrengung nötig – und atmet. Bleibt ganz bewusst in euren Körpern und lasst zu, dass sie miteinander verschmelzen. Die Aufmerksamkeit auf diese Art nach innen zu bringen macht deinen Körper feinfühliger. Du wirst dir Bereichen bewusst, von