Tantra verbannt die Dunkelheit und bringt Licht ins Leben – und das ist unser Geburtsrecht.
SCHLÜSSEL
Unsere verspannte sexuelle Konditionierung blockiert unser wahres orgasmisches Potenzial.
Entdecke beim Sex die Reise an sich und denk nicht an ein Ziel.
Entschleunigung beim Sex schafft eine zeitlose Qualität, hilft präsent zu sein.
So entdecken die Genitalien ihre ekstatische Intelligenz wieder.
POLARITÄT UND DIE POSITIVEN POLE DER LIEBE
Die größte Einsicht von Tantra, der Grundstein des Tantra sozusagen, sagt, dass männliche und weibliche Energie gleiche aber gegensätzliche Kräfte sind. Sie ziehen sich gegenseitig an und ergänzen einander, so wie Yin und Yang, dynamisch und empfänglich, positiv und negativ. (siehe Abb. 4). Daher kommt es – durch das Zusammenspiel gegensätzlicher Polaritäten, wenn
Abb. 4 Yin und Yang enthalten jeweils ihre gegensätzliche Polarität im Kern
Mann und Frau sexuell verbunden sind – in der Bioenergie der beiden Körper zu einer ekstatischen sexuellen Erfahrung. Und das geschieht, ohne dass wir etwas tun.
Die tantrische Reise beginnt, wenn wir mit den in uns angelegten männlichen und weiblichen Polaritäten Kontakt aufnehmen und mit ihnen in Verbindung treten. Dass Mann und Frau gegensätzliche Polaritäten oder Kräfte in sich haben, ist dabei wesentlich, denn es führt uns zu einer völlig neuen Sichtweise von Sexualität.
Männliche und weibliche Polarität
Unsere sexuelle Konditionierung hat leider unsere natürliche Polarität verschleiert, und Männer und Frauen haben dadurch im Verhältnis zueinander ihre Balance verloren. Wir können uns die Körper als zwei Magneten vorstellen, die die Fähigkeit haben, in Gegenwart des anderen ein anziehendes magnetisches Feld zu bilden. Statt dass die Pole glänzen und strahlen, um lebendig aufeinander zu reagieren, sind unsere Pole verrostet und verstaubt. Das stört das magnetische Feld und den Energiefluss zwischen ihnen. Dadurch, dass unsere Konditionierung uns in Richtung Orgasmus antreibt, ist es beinahe so, als hätten wir die ursprüngliche Polarität oder Ladung in unserem Körper durcheinandergebracht. Diese Störung wirkt nun wie ein Schleier und verdeckt die männlichen und weiblichen Polaritäten.
Mit anderen Worten: Die ganze Mühe und das Tun, das wir üblicherweise in unser Liebemachen investieren, bewirken so etwas wie Hitze durch Reibung – eine Überladung. Man könnte das mit einer statischen Ladung vergleichen, die die Genitalien stört, sodass die sexuelle Energie nicht durch die Polarität antworten kann. Wenn wir beim Liebemachen gegen die in den Genitalien angelegte Polarität agieren, arbeiten wir ungewollt gegen unser eigenes ekstatisches sexuelles Potenzial an.
Machen wir mit Bewusstheit Liebe, können wir uns von dieser energetischen Störung reinigen (dekonditionieren), und unsere Körper werden nach und nach und sehr dankbar zu ihren eigenen männlichen und weiblichen Polaritäten zurückkehren. Die Männer beginnen ihre wahren männlichen Qualitäten zu spüren und die Frauen ihre wahren weiblichen.
Wir sind uns eigentlich nicht bewusst über das Falsche oder die Störung in unseren Polaritäten, weil wir uns so lange in diesem desolaten Zustand befunden haben. Aber es ist heute offensichtlich, dass Frauen immer härter und männlicher werden, während Männer zunehmend zum Macho und aggressiv werden. Sowohl Männer als auch Frauen leiden unter den Auswirkungen durcheinandergeratener sexueller Energie. Wir sind mit diesem Ungleichgewicht auf die Welt gekommen, und sobald wir anfangen, Liebe zu machen, verstärken wir dies noch; es sei denn, man zeigt uns einen anderen Weg.
Wie wir Sex neu (er)lernen
Jahrhundertelang hat es in Sachen Sex wenig Anleitung gegeben. Wenn ich weibliche Klienten frage, wie viel Information sie als Mädchen zum Thema Menstruation bekommen haben, lautet die Antwort immer wieder: keine. Überhaupt keine Information. Viele haben vor der ersten Menstruation nur die praktischen Utensilien bekommen, und das war’s. Dabei ist die monatliche Menstruation für eine Frau nicht zu trennen von ihrer Sexualität und ihrer Fähigkeit zur Fortpflanzung. Dennoch erhalten wir wenig oder gar keine Informationen.
Und was wissen wir als Eltern eigentlich über Sex, das wir unserem Sohn oder unserer Tochter mit auf den Weg geben könnten? Die meisten Männer und Frauen haben selbst keine Information zu diesem Kernthema des Lebens bekommen. Auch mir ging es so, und als ich mich entschlossen hatte, Sex neu zu lernen, hat es einige Zeit gedauert und einiges an Engagement erfordert, die Sensitivität wiederzuerlangen, die ich, ohne es zu merken, verloren hatte. Ich musste lernen, mich zu entspannen und „hier zu sein“ beim Liebemachen, statt etwas zu „tun“ und „dahin“, in Richtung Orgasmus zu gehen.
Der wichtige Schritt für mich bestand darin, meine Polarität zu entdecken und mich immer mehr in sie hineinfallen zu lassen. Ich habe mich darauf fokussiert, „negativer“, d.h. passiver zu werden, Dinge mehr geschehen zu lassen, empfänglicher und bewusster zu sein. Und es hat mich überrascht, dass mein Partner anfing, „positiver“, dynamischer, vitaler zu werden, stärker im „Jetzt“ zu sein. Es war nicht die gleiche „positive“, männliche Kraft, die ich von früher kannte, als Liebemachen ein hartes, drängendes, lineares Ereignis war, das zu einem Höhepunkt führte. Es war fast das Gegenteil davon, die Umkehr des Höhepunktes, und eher wie das Durchschreiten einer Talsohle.
Es war etwas Neues und anderes, tief Berührendes, Kreisförmiges, ekstatisch, unvorstellbar erfüllend. Wann immer ich in mein Höhepunkt- und Entladungsmuster zurückfiel, fühlte ich mich frustriert, unvollständig und nicht mehr eng mit meinem Partner verbunden.
Langsam habe ich gelernt, dass diese neue Art des Liebemachens meinem Leben einen Sinn gab, eine spirituelle Qualität, nach der ich woanders gesucht hatte. Ich fühlte mich, als wäre ich nach einer langen Wanderung durch die Wildnis an einer Feuerstelle zum Ausruhen angekommen. Nach und nach fand ich heraus, dass die Liebe durch meinen inneren Fokus stärker wurde und dass es mehr auf mich und mein Bewusstsein ankam als auf meinen Partner oder darauf, den Fokus im Außen zu haben. Somit lag plötzlich alles in meiner Hand und ich begann zu verstehen, dass ich allein für die Qualität der Liebe in meinem Leben verantwortlich war. Mir fiel auch auf, dass ich selbst viel liebevoller und liebenswerter war, wenn ich bewusst Liebe machte.
Lieben im Energiefeld
Männliche Energie repräsentiert die positive, und weibliche Energie die negative Entsprechung ein- und desselben Phänomens. Jede Hälfte für sich genommen ist unvollständig; sie existiert erst im Bezug zur anderen. Dennoch ist es wichtig, zu verstehen, dass jede Polarität, negativ oder positiv, ihren ganz eigenen gegensätzlichen Pol auch in sich selber trägt.
Der Mann, an sich positiv, hat einen inneren negativen Pol (eine innere Frau), und die Frau, an sich negativ, einen ausgleichenden inneren positiven Pol (einen inneren Mann).
Abb. 5 Männlicher und weiblicher Körper mit den inneren gegensätzlichen Polaritäten und dem Magnetstab
Auf diese Art und Weise sind beide autonom, jeder in sich vollständig, jeweils mit einem positiven und einem negativen Pol. Das verleiht jedem Körper das Potenzial, Energie zu produzieren und sie im eigenen Innern zirkulieren zu lassen. Der männliche Körper trägt den positiven Pol in den Genitalien und den negativen Pol in der Brust- und Herzgegend. Der weibliche Körper trägt umgekehrt den positiven Pol in den Brüsten und im Herzen und den negativen Pol in den Genitalien. Zwischen dem positiven und negativen Pol entsteht ein Magnetfeld, und die sexuelle Energie kann dadurch spiralförmig aufwärts durch den Körper strömen. Dieses Magnetfeld zwischen den beiden gegensätzlichen