du der Hausherr?«, fragte der Soldat, ohne sich vorzustellen oder mir einen guten Tag zu wünschen.
»Ja, der bin ich. Was führt dich zu mir?«
»Der Legat wünscht dich so schnell wie möglich zu sprechen.«
Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Was hatte mein Bruder bloß schon wieder ausgefressen?
»In welcher Angelegenheit?«, erkundigte ich mich. Schließlich war ich kein Rekrut, den man nach Belieben herumkommandieren konnte.
»Das weiß ich leider auch nicht.« Endlich begann die Überheblichkeit des Legionärs etwas zu bröckeln. »Der Legat hat mir aufgetragen dich zu bitten, schnellstmöglich ins Legionslager zu kommen. Mehr weiß ich nicht.«
Bei der Armee hatte man seltsame Vorstellungen von einer Bitte.
»Er hat Glück. Zufällig habe ich heute nichts vor, was ich nicht genauso gut aufschieben könnte«, erklärte ich, denn ich wollte nicht riskieren, dass der Soldat seinem Wunsch Nachdruck verlieh.
Bevor ich aufbrach, rief ich Cicero herbei, um meinen Auftritt im Lager eindrucksvoller zu gestalten.
***
Der Legat – ein drahtiger Mann unbestimmbaren Alters mit Hakennase und arroganter Miene – empfing mich in einem kleinen Raum, dessen rotbraune Wände mit einem unterhalb der Decke umlaufenden Mäander verziert waren. Die spärliche Möblierung bestand aus drei metallenen Klappstühlen und einem runden Metalltisch, auf dem zwei Weinbecher aus feiner roter Keramik mit Rankenschmuck standen.
Kaum war ich eingetreten, bedeute mir der Lagerkommandant, Platz zu nehmen.
Nachdem der Soldat den Raum verlassen hatte, trat ein hübscher junger Sklave mit einer Weinkanne an den Tisch heran und füllte die Becher mit verdünntem Rotwein. Mein rasender Puls verlangsamte sich etwas. Gewöhnlich bewirtete man die Angeklagten nicht, bevor man sie ins Verließ werfen ließ.
»Ich habe dich rufen lassen, weil du letztes Jahr dieses …« Der Legat suchte mit angespannter Haltung nach den richtigen Worten. Durch die Wand drangen die festen Tritte im Gleichschritt marschierender Legionäre und die in den Wind gebrüllten Befehle eines Offiziers. »... dieses hinterhältige Komplott aufgedeckt hast.«
Mein Magen zog sich zusammen. Was hatte der Lagerkommandant vor? Wollte er den Fall noch einmal aufrollen? Darauf legte ich keinerlei Wert, weil mein Bruder Lucius in den Mord an Jucundus verwickelt gewesen war. Während ich bang auf den nächsten Satz wartete, griff der Legat nach seinem Becher und genehmigte sich einen Schluck.
»Leider hat sich schon wieder ein unerfreulicher Zwischenfall ereignet …« Hatte Lucius etwas damit zu tun? »Probus Marcellus aus Mogontiacum ist in Colonia Claudia Ara Agrippinensium unter merkwürdigen Umständen gestorben.« Der Name Probus Marcellus kam mir vage bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht einordnen. »Man munkelt, er sei ermordet worden.«
Der Legat schaute mich scharf an und legte eine Kunstpause ein, doch ich war wenig beeindruckt. Sollte man ruhig tuscheln, mir war es gleich! Als frischgebackener Gutsbesitzer verspürte ich keine Lust zu verreisen und schon gar nicht an einen Ort, dessen Namen so lang war, dass man ihn abkürzen musste. Außerdem traute ich meinem Verwalter nicht über den Weg. Das Landgut hätte in den vergangenen Jahren mehr Gewinn abwerfen müssen. Bestimmt hatte der Verwalter es ausgenutzt, dass sich der damalige Gutsherr nicht für Landwirtschaft interessierte und in die eigene Tasche gewirtschaftet. Leider konnte ich ihn aber nicht einfach durch einen meiner eigenen Sklaven ersetzten, denn sie waren alle eingefleischte Städter. Wahrscheinlich konnten sie noch nicht einmal einen Apfelbaum von einem Birnbaum unterscheiden, geschweige denn den richtigen Zeitpunkt für den Schnitt und das Pfropfen der jungen Obstbäume bestimmen.
»Wenn er keine Wunde aufweist, kann er nur vergiftet worden sein. Aber davon verstehe ich leider nichts«, stellte ich nach einer Schrecksekunde fest. »Man sollte vielleicht besser einen Arzt heranziehen.«
»Auch der fähigste Mediziner könnte kein Gift im Leichnam des Probus Marcellus feststellen, denn man hat ihn kurz nach seinem Tod verbrannt und nur die Asche nach Mogontiacum überführt. Nicht einmal die Witwe hatte man vorher benachrichtigt. Dieses pietätlose Verhalten hat unseren Argwohn geweckt.«
Das stank allerdings zum Himmel.
»Vielleicht war es sein letzter Wunsch, sofort verbrannt zu werden?«, erwiderte ich, da mir nichts Besseres einfiel.
»Das halte ich für unwahrscheinlich, zumal sein Gastgeber, der Decurio Junius Petronius, behauptet, Probus Marcellus sei ganz plötzlich an einem Fieber verstorben.« Der Freund des Verstorbenen war also Mitglied der kommunalen Stadtverwaltung seiner Heimatstadt. Zu den Aufgaben der Decurionen gehörten die Gewährleistung der Sicherheit in der Stadt, die Eintreibung von Steuern und die Organisation von religiösen Festen und Spielen. Wie alle öffentlichen Posten war es ein Ehrenamt, weshalb es nur wohlhabenden Bürgern offen stand.
»Leider liegt CCAA außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs. Also dachte ich, du als Zivilist könntest dich vielleicht diskret der Sache annehmen, selbstverständlich gegen ein angemessenes Honorar.«
Das Wort Honorar hatte einen guten Klang in meinen Ohren, denn ich brauchte Geld, um endlich Rom zu besuchen. Ein Wunsch, den ich schon seit meiner Kindheit hegte.
Etwas zuversichtlicher nippte ich an meinem Wein, den ich bisher nicht angerührt hatte. Er schmeckte ganz passabel, zumindest für einen Rotwein aus Germanien. Falls man ihn jedoch aus Italien importiert haben sollte, so war er keine Ruhmestat.
»War der Tote ein Händler?«, erkundigte ich mich dann.
Wenn er Armeeangehöriger gewesen wäre, so hätte der Legionskommandant mir das bestimmt mitgeteilt. Auch fragte ich mich noch immer, woher ich ihn kannte.
»Er war Geldwechsler.«
Ein unbeliebter Berufsstand, zumal es schwarze Schafe unter den Geldwechslern gab, die zweierlei Waagen für den An- und Verkauf gebrauchten oder Geldstücke beschnitten.
»War er beruflich in Colonia Ara …?«
Mein Versuch, die Stadt am Niederrhein bei ihrem vollen Namen zu nennen, scheiterte kläglich.
»Colonia Claudia Ara Agrippinensium«, ergänzte der Kommandant herablassend. »Das wissen wir nicht, aber vielleicht kann sein Gastgeber dir Auskunft geben.«
Etwas in seiner Stimme verriet, dass ich nicht ablehnen sollte, wenn ich nicht seinen Unmut auf mich ziehen wollte. Ich versuchte, mir meine Besorgnis nicht anmerken zu lassen, und nickte bedächtig.
»Was ist mit der Familie des Toten?«, fragte ich dann in einem sachlichen Tonfall. »Wer erbt nun sein Vermögen?«
»Seine Frau. Ihre jüngere Schwester gehört ebenfalls zum Haushalt. Ich habe der Witwe übrigens bereits deinen Besuch angekündigt.«
Ohne meine Einwilligung abzuwarten? hätte ich jeden anderen gefragt. Ungerührt beschrieb der hagere Legat den Weg zum Haus des Verstorbenen. Als er geendet hatte, fixierte er mich mit einem durchdringenden Blick.
»Wegen des hohen Ranges des Mannes, in dessen Haus Probus Marcellus starb, müssen die Untersuchungen mit äußerster Diskretion durchgeführt werden. Junius Petronius darf auf keinen Fall etwas davon mitbekommen.« Der Legat räusperte sich. »Probus Marcellus hat nicht nur Geld gewechselt sondern auch Darlehen gewährt, und einige meiner Offiziere haben seine Dienste in Anspruch genommen.«
Deshalb interessierte sich der Legat also für den Fall! Vor meinem inneren Auge sah ich verschwenderische Gelage und Spelunken, in denen billiger Fusel getrunken und der Sold verspielt wurde.
»Ich verstehe«, entgegnete ich trocken. »Hatte der Decurio Schulden bei dem Geldwechsler«, fragte ich dann vorsichtig nach, denn nach menschlichem Ermessen konnte ihn nur sein Freund vergiftet haben.
Der Lagerkommandant sah mich perplex an. Dann hob er die Augenbrauen.
»Selbstverständlich nicht! Schließlich ist Junius Petronius ein städtischer Beamter.«
Dadurch