Franziska Franke

Das Wechselspiel von Köln


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großem Fuß leben, auch wenn man es sich eigentlich nicht leisten konnte.

      »Wir haben auch einen Schuldschein gefunden, den dein Bruder unterzeichnet hat. Zwar beläuft er sich auf keine sehr hohe Summe, aber ….«

      Der Rest des Satzes rauschte an mir vorbei. Hatte ich es doch geahnt, dass Lucius wieder einmal in so eine Sache verwickelt war! Langsam wünschte ich, man würde ihn in eine entlegene Provinz abkommandieren.

      »Ich nehme an, man kann in der Schreibstube ein paar Tage auf meinen Bruder Lucius verzichten.« Ich versuchte den Satz nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung klingen zu lassen. »Ich könnte nämlich einen Assistenten gebrauchen.« Wenigstens sollte er die Strapazen der Reise teilen und mir etwas Gesellschaft leisten. Schließlich hatte er mir das Ganze eingebrockt.

      »Meinetwegen«, entgegnete der Legat mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Die Armee kommt mühelos ein paar Tage ohne deinen Bruder aus.«

      Mein Gesprächspartner begann ungeduldig zu werden.

      »Ich könnte einen Vorschuss gebrauchen!«, erklärte ich, bevor er mich herauskomplimentieren konnte. Schließlich war die Armee für ihre schlechte Zahlungsmoral bekannt und ich wollte meinem Geld nicht nachlaufen.

      »Das erledigt der Zahlmeister.«

      Der Kommandant nannte eine Summe, die meine kühnsten Erwartungen übertraf, und ich verabschiedete mich, ehe er es sich anders überlegte.

      Während der Zahlmeister die Münzen gemächlich in einen einfachen Lederbeutel zählte, überlegte ich, wie ich vor dem Gespräch mit seiner Witwe mehr über den Verstorbenen erfahren konnte, und beschloss, mir von Tiberius, dem redseligen Barbier, die Haare schneiden zu lassen.

      Bevor ich das Stabsgebäude verließ, machte ich noch schnell einen Abstecher in die Schreibstube meines Bruders. Als ich die Tür leise aufzog, war er mit konzentrierter Miene über eine Notiztafel mit Zahlenkolonnen gebeugt, die bestimmt nichts mit der Armee zu tun hatten.

      »Addierst du deine Schuldscheine zusammen?«, fragte ich und Lucius fuhr zusammen.

      »Musst du mich so erschrecken? Klopf das nächste Mal gefälligst an!« Er fuhr sich mit der Hand über das kurzgeschorene Haar. »Schön, dich zu sehen, Marcus!«, fügte er dann etwas versöhnlicher hinzu. »Belieferst du die Armee?«

      »Das musst du meinen Verwalter fragen. Mit solchen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab«, knurrte ich zurück, was eine Lüge war. »Der Legat hat mich herzitiert, um mit mir über deine Schulden zu sprechen.«

      »Ich habe keine Schulden!«

      Lucius blickte mich so treuherzig an, dass er einen Steuereintreiber erweicht hätte. Aber ich kannte ihn besser!

      »Probus Marcellus, dein Geldverleiher, ist gestorben.«

      Lucius zuckte gleichgültig mit den Schultern.

      »Ich weiß, aber was kümmert es mich? Er war mir nie besonders sympathisch.«

      Zumindest stritt Lucius nicht ab, ihn zu kennen.

      »Der Lagerkommandant hat mich damit beauftragt, die genauen Umstände seines Todes zu untersuchen. Er hat mir diese undankbare Aufgabe aufbürden können, weil er einen deiner Schuldscheine besitzt.«

      »Ach, der! Den hatte ich ganz vergessen.« Die Stimme meines Bruders klang plötzlich besorgt. »Er ist nur über eine ganz niedrige Summe ausgestellt. Ich kann sie bestimmt nächsten Monat zurückzahlen.«

      »Und was ist das?«

      Ich deutete anklagend auf die Zahlen, die er in die Wachsschicht der Schreibtafel eingeritzt hatte.

      »Ein System zum Bestimmen der Wahrscheinlichkeit, nach der ein bestimmter Gladiator gewinnt.«

      Kein Wunder, dass mein Bruder Schulden hatte.

      »Du änderst dich wohl nie«, kommentierte ich resigniert.

      Lucius musterte mich von Kopf bis Fuß. Nachdem er seine

      Prüfung beendet hatte, verzog sich sein Gesicht zu einem Grinsen.

      »Gib doch zu, dass du dich langweilst! Im Grunde deines Herzens fährst du gern nach CCAA, denn du hältst es ohne Arbeit nicht aus.« Lucius wurde wieder ernst. »Wenn du wüsstest, wie ich dich beneide! Ich bin in die Armee eingetreten, weil ich die Welt sehen wollte, und jetzt versaure ich in diesem Büro.«

      »Wo man dir offenbar genug Zeit lässt, um deine Wetten zu organisieren«, ergänzte ich. »Aber damit ist für die nächsten Tage Schluss, denn du wirst mich auf meiner Reise begleiten.«

      Das strahlende Gesicht meines Bruders zeigte, dass mein Versuch, ihn für seinen Leichtsinn zu bestrafen, gründlich misslungen war.

      Lucius wollte etwas erwidern, aber ein junger Soldat trat in diesem Moment ein.

      »Vom Lagerkommandanten.«

      Der Soldat überreichte Lucius eine Order und schloss lautstark die Bürotür, die ich einen Spaltbreit hatte offen stehen lassen.

      Lucius las und blickte dann zu mir hoch.

      »Wir können übermorgen auf einem Patrouillenschiff als Passagiere mitfahren. Der Legat hat dem Decurio Junius Petronius bereits eine Nachricht geschickt, in der er unsere Ankunft ankündigt und ihn bittet, uns zu beherbergen.«

      Einen Augenblick lang meinte ich, mich verhört zu haben.

      »Und das sagst du so ruhig? Wir sollen im Haus eines Mörders wohnen?«

      Lucius lachte.

      »Aber er ist doch ein Freund des Legaten.«

      »Auch Mörder haben Freunde, Mütter, Tanten und Nachbarn!«

      »Der Lagerkommandant würde uns wohl kaum bei Junius Petronius übernachten lassen, wenn er ihn für einen Mörder halten würde! Und vergiss nicht, wir sind schließlich zu zweit!«

      Das war genau das, was mich beunruhigte!

      »Du hast wohl noch nie etwas von vergifteter Rehpastete gehört oder von kerngesunden Menschen, die im Schlaf einen Herzschlag erleiden?«

      »Ich hörte eher von Legionären, die von den Barbaren erschlagen werden.« Lucius warf mir einen belustigten Blick zu. »Wo würdest du denn lieber schlafen. In einer übel beleumundeten Taverne oder unter einer Brücke?«

      »Im Legionslager, dort sind wir sicher.«

      »Ich bin froh, endlich aus dem Lager herauszukommen. Falls er ein Mörder ist, was ich bezweifle, kann Junius Petronius keinen weiteren Todesfall in seinem Haus gebrauchen!«

      Der Vorsteher der Schreibstuben – ein vertrocknetes, dünnes Männlein mit langem Hals und sich lichtendem Haar – trat ein und ich verabschiedete mich von Lucius. Erstens wollte ich ihm keine Schwierigkeiten bereiten und zweitens ließ der Blick des Offiziers keinen Zweifel daran, dass er niemanden in den Amtsräumen anzutreffen wünschte, den er nicht herumkommandieren durfte.

      Reglos wie eine Statue stand Cicero neben dem Eingang der Principia. Bei seinem Anblick realisierte ich erschrocken, dass ich meinen Leibsklaven vor Aufregung völlig vergessen hatte.

      »Ich fahre für ein paar Tage nach CACA. Während dieser Zeit musst du im Haus nach dem Rechten sehen«, informierte ich ihn und bedeutete ihm, mir zu folgen.

      »Nach Colonia Claudia Ara Agrippinensium?«, fragte er mich korrigierend zurück und ich nickte.

      Manchmal erinnerte mich Cicero an die Sklaven in den Komödien, die intelligenter als ihre Herren waren. Deshalb hatte ich ihn auf den Namen des großen Rhetorikers getauft. »Ich lasse mir vorher noch schnell von Tiberius die Haare schneiden. Falls dort die Dienstboten der anderen Kunden herumlungern sollten, versuch doch bitte, sie in ein Gespräch über den verstorbenen Bankier Probus Marcellus und seine Witwe zu verwickeln.«

      Cicero