Chile«, sage ich. »Ist ein Mann, übrigens.«
»Und du findest das okay? Jemanden aus der Dritten Welt für so was zu bezahlen?«
»Ist Chile in der Dritten Welt?«, frage ich. Ich versuche gar nicht, klug oder lustig zu sein, ich bin mir wirklich unsicher.
»Das ist so typischer weißer Feminismus von dir!«, sagt mein Kumpel. Es ist übrigens das erste Mal, dass ich höre, wie Pegida-Kevin das Wort »weiß« in einem negativen Kontext benutzt. »Die Unterdrückung outsourcen! Du arbeitest nicht mal wirklich wieder, aber ihr bezahlt trotzdem jemanden, der aus ’nem armen Land kommt, um die Arbeit zu machen, die du nicht machen willst.«
Ich bin jetzt ein bisschen überrascht. Ich finde Kritik am weißen Feminismus echt gut und richtig und wichtig und so, aber ich habe gerade das Gefühl, dass »weiß« hier als Alibiwort für ein ganz normales Feminismus-Bashing benutzt wird. Es kommt mir so vor, als würde hier frauenfeindliche Kackscheiße durch die weiße Hautfarbe irgendwelcher imaginärer Feministinnen gerechtfertigt. Aber vielleicht bin ich gerade zu dumm.
»Schämst du dich nicht?«, fragt mich Kevin.
»Warum soll ich mich schämen?«, frage ich.
»Weil andere Frauen sich das nicht leisten können, vielleicht?«, sagt er.
Hmmmm. Es stimmt, aber es gibt viele andere Frauen auf der Welt, die es sich nicht leisten können, was zu essen, und trotzdem fühle ich mich nicht antifeministisch, wenn ich was esse. Es gibt viele Frauen in England, viele Verwandte von mir, die es sich nicht leisten können, ihre Kinder zur Kita zu schicken, aber ich melde meinen kleinen Sohn trotzdem bei jeder Kita im Bezirk an. Und was ich nicht verstehe: Warum sollte ich als Feministin mich schämen, weil jemand für das Putzen in meiner Wohnung bezahlt wird, mein Freund sich aber nicht? Warum ist Putzen mein Aufgabengebiet, nur weil ich eine Frau bin? Ich glaube, ich weiß warum, und die Antwort ist antifeministisch, nicht antirassistisch.
»Ich putze nicht gerne«, sage ich zu Pegida-Kevin. »Das gebe ich zu. Ich finde es langweilig und anstrengend. Ich finde, es sollte bezahlt werden. Ich finde okay, wenn es bezahlt wird. Denn es ist so anstrengend und nervig.«
Ich glaube, dass Männer in Partnerschaften zu Hause mehr machen müssen als Singles. Mit den Kindern, in der Küche. Klar. Sie sollen mitten in der Familie sein, nicht am Rande. Nur so kann es jemals eine wahre Gleichberechtigung geben. Aber ich finde das Putzen schwer und ich finde es völlig in Ordnung, wenn diese Arbeit bezahlt wird, diese harte körperliche Arbeit sollte mit Geld kompensiert werden. Ich finde nicht, dass das ein Outsourcing der Unterdrückung ist. Vielleicht ist es einfach eine gerechte Anerkennung für eine harte Arbeit.
»Ich putze, bevor der Putzmann kommt«, sage ich. »Ich mache das Schlimmste weg. Sonst ist es mir zu peinlich.«
Es ist schon lustig, irgendwie. Eine schmutzige Wohnung ist immer nur peinlich für die Frau, nicht für den Mann. Und Männer, die gar nicht putzen, sind bessere Feministen als Frauen, die vor der Putzmann-Ankunft putzen. Irgendwas stimmt nicht. Irgendwann mal werde ich verstehen, was genau.
Mental Load
»Hast du den Comic gesehen, den alle gepostet haben?«, fragt meine woke deutsche Freundin.
»Mit der Mental Load?«
»Ja.«
»Ja.«
»Musste an dich denken, irgendwie.«*
Die Wahrheit ist, seitdem mein ältester Sohn eine ADHS-Diagnose hat, glaube ich, dass ich auch diese Krankheit habe und sie bei mir nur nie diagnostiziert wurde. Mein Sohn lacht mich aus und sagt, ich kann ihn auch nichts alleine genießen lassen, ich will bei allem teilhaben – aber die Wahrheit ist, dass ich mich erkenne in den Büchern, die ich gelesen habe, um meinem Sohn zu helfen.
Die Wahrheit ist, dass mein Freund mir manchmal fast leidtut.
Versteht mich nicht falsch: Es ist nicht okay, wie viel ich arbeiten muss und wie wenig er tut, nur weil er viel verdient und ich kaum was. Er schläft bis 12 oder 13 Uhr, ich bin wach seit 6 oder 7 Uhr, seit einiger Zeit sogar seit 5 Uhr. Dann steht er mittags auf – ich habe schon Frühstück gemacht, wir waren schon einkaufen, wir waren schon auf dem Spielplatz, und er hat die ganze Zeit geschlafen – dann steht er also auf und sagt, dass ich besser hätte putzen sollen. Ich finde das einfach unfair, und wenn es wirklich so ist, dass ich so schlecht geputzt habe, dann hätte er aufstehen sollen und mir die Zeit geben zum Putzen. Ich finde, nichts kann das rechtfertigen, nicht wenn er Millionär wäre und ich total pleite, nichts kann rechtfertigen, dass er ausschlafen darf und ich nicht und dass ich auch noch für das kritisiert werde, was passiert, während er schläft. Aber na ja, er sieht das anders, und das ist unser Problem.
Ich leide körperlich unter seinem Überlegenheitskomplex. Und ich finde es nicht okay.
Aber ich glaube, wenn ich ehrlich bin, dass ich undiagnostiziertes ADHS habe und es nicht immer superleicht ist, mit mir zusammenzuleben. Wenn ich ehrlich bin.
Neulich habe ich eine alte Damenbinde gefunden, voller Blut, nicht superalt, aber alt genug, auf dem Boden im Badezimmer hinter dem Mülleimer. Oops. Ich bin schmutzig. Ich bin schwierig. Es gibt Sachen, die andere Frauen immer tun, die ich einfach vergesse. Ich denke nie an die Geburtstage der Kinder in der Familie meines Freundes. Ich plane nicht, wer den Müll runterbringen soll. Ich treffe keine Entscheidungen über die Bettwäsche. Ich merke nicht, ob die Kissenbezüge für die Kopfkissen zu den Bezügen der Decken passen. Und manchmal schlafe ich ein paar Nächte ohne Bezüge. Warum nicht.
Als ich schwanger war, sagte mein Freund mal: »Bring mir den besten Wischmopp!« Ich brachte ihm den Mopp und er bellte mir voll genervt ins Gesicht: »ICH MEINTE DEN BESTEN WISCHMOPP, DAS HIER IST DER ZWEITBESTE WISCHMOPP!«
Mit eiskalter Stimme fragte er ungeduldig: »Kennst du den Unterschied nicht?«
Ich habe ihm die Wahrheit nicht sagen können: Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass wir überhaupt zwei Wischmopps hatten.
Ich weiß nicht warum – vielleicht ist es ADHS, vielleicht nicht –, aber ich mache einfach nicht mit bei der Mental Load. Ich glaube, dass ich das einfach nicht kann. Aber vielleicht ist die Wahrheit, dass ich das auch einfach nicht möchte. Es verursacht viele Probleme in meinem Zusammenleben mit Männern. Die Männer wollen eigentlich, glaube ich, dass man ihnen sagt, wo der beste Wischmopp sich gerade befindet. Ich glaube, mein Freund will das. Er will eine Frau haben, die sich auskennt mit Wischmopps und Staubsaugern und Wischmoppen und Staubsaugen. Stattdessen hat er mich: total nutzlos. Und er ist genauso unglücklich wie ich.
* https://english.emmaclit.com/2017/05/20/you-shouldve-asked/, abgerufen am 26.06.20
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