eingeschlafen ist, ganz normal in mein Dankbarkeitstagebuch zu schreiben, werde aber immer besoffener, und manchmal, wenn ich richtig besoffen bin, gerät meine Dankbarkeit außer Kontrolle.
Ich fange ganz normal an:
Ich bin dankbar, dass die Welt schön ist und ich in Sicherheit bin.
Ich bin dankbar, dass ich Kinder habe.
Ich bin dankbar, dass die Kinder gesund sind (ich versuche, den Gedanken zu unterdrücken, dass das ein bisschen behindertenfeindlich ist).
Ich bin dankbar, dass die Kinder hübsch sind (ich versuche, den Gedanken zu unterdrücken, dass das lookist ist, schaffe es doch nicht, und lösche das aus meinem Dankbarkeitstagebuch).
Ich bin dankbar, dass ich meinen Freund kennengelernt habe, da er mir das Baby gemacht hat, und das Baby ist perfekt.
Ich bin dankbar, dass mein Exfreund mit mir Schluss gemacht hat, denn nur so konnte ich das Baby machen.
Ich bin dankbar, dass mein Freund jetzt drei Wochen weg ist, so dass ich mit dem Baby alleine eine Bindung aufbauen kann.
Ich bin dankbar, dass die perfekteste Kita aller Zeiten uns abgelehnt hat, weil wir jetzt viel, viel Zeit haben werden, um uns zu binden, wir werden so verbunden sein, wir werden eine Mutter-Kind-Bindung haben, auf die alle anderen Mütter auf dem Spielplatz voll neidisch sein werden.
JA, ICH BIN DANKBAR, DASS WIR KEINEN KITAPLATZ BEKOMMEN HABEN, SO HABE ICH MEHR ZEIT MIT MEINEN KINDERN. ICH BIN DANKBAR FÜR DEN BREXIT, SO LERNE ICH DIE EU RICHTIG KENNEN, RICHTIG ZU SCHÄTZEN, WIRKLICH ZU LIEBEN. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH DICK BIN, DENN JETZT WEISS ICH, DASS MEIN FREUND MICH WIRKLICH WEGEN MEINER PERSÖNLICHKEIT LIEBT UND NICHT WEGEN MEINES KÖRPERS. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH SO VIELE KOHLENHYDRATE ESSE, DASS MEIN BAUCH AUSSIEHT WIE DER EINES NARWALS, DENN DIE SIND MEINE LIEBLINGSWALE. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH ALLEINE BIN IN DEUTSCHLAND, WEIL MENSCHEN MIT FAMILIEN IMMER AN NERVIGEN PICKNICKS UND GRILLPARTYS TEILNEHMEN MÜSSEN UND ICH TOTAL GLÜCKLICH ZU HAUSE BLEIBEN DARF. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH UND DAS BABY DIE OSTERFEIERTAGE TOTAL ALLEINE VERBRINGEN DÜRFEN. ICH BIN DANKBAR, DASS …
Ich höre auf zu schreiben, dass ich dankbar bin, denn ich merke gerade, dass ich aus Versehen aus Langeweile viel getrunken habe innerhalb von zwanzig Minuten und eigentlich ziemlich betrunken bin. Keine Kita, keine Arbeit, keine richtigen Freunde, keine Ziele, Mann, bin ich deprimiert und total undankbar für mein verkacktes Leben. Ich twittere: When I am drunk sometimes the things I write in my gratitude journal can get a bit out of control. Zwei Minuten später schäme ich mich, dass ich das geschrieben habe, aber wenn ich es lösche, werden die Leute wissen, dass ich mich schäme, und solange die anderen Menschen nicht wissen, dass du dich schämst, ist es halb so schlimm, du schämst dich nur theoretisch. Das ist wie wenn ein Baum hinfällt im Wald, aber niemand guckt hin: zählt kaum. Ich threade eine Antwort zu meinem schamvollen Tweet: Schreibe gerade einen Text darüber für morgen bei meiner Lesebühne! Ha, denke ich mir. Jetzt schnell einen Text über Dankbarkeit schreiben, und das Leben kann weitergehen. BITTE SCHÖN!
Der Schmutz soll drinnen bleiben
Schmutz soll drinnen bleiben, drinnen, innerhalb der Wohnung, innerhalb der vier Wände. Es ist kein Zufall, dass man, wenn eine Frau erzählt, dass sie als Kind missbraucht oder als junge Frau belästigt worden ist, ihr sagt, sie solle ihre schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen. Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass auf Deutsch – und auf Englisch – die Beleidigung für eine sexuell zu aktive Frau auch für eine schlechte Hausfrau passt. Auf Deutsch: Schlampe. Auf Englisch: Slut. Schlechte, schlampige Hausfrauen räumen den Schmutz nicht brav weg – sondern sie bringen den Schmutz ans Licht. Hier, guckt, hier. Hier ist Schmutz. Guckt her!
Eine Frau, die sich Hausfrau nennt, unterdrückt sich selbst. Sie ist schuld, wenn ihr Mann ihr nicht im Haushalt hilft, denn sie selbst will das so. Eine Frau, die sich nicht Hausfrau nennt, aber früh aufsteht, alles fertigmacht für die Kinder, arbeiten geht, nach Hause kommt, schnell putzt, während ihr Mann fernsieht? Sie ist frei. Sie lässt sich nicht unterdrücken. Sie befreit sich selbst aus der Hausarbeitsfalle.
Man findet Hausarbeit eklig, langweilig und eklig. Deswegen, vielleicht, findet man Hausfrauen lächerlich. Wer Schmutz wegputzt, muss vielleicht Kacke anfassen. Wer darüber spricht, gibt zu, dass er Kacke angefasst hat. Niemand möchte sich blamieren, deswegen tun alle so, als ob die Hausarbeit von alleine gemacht würde.
Hausarbeit und Putzen sind kein ernsthaftes Thema, mit dem man sich beschäftigen sollte. Es ist kein wichtiges Thema. Die Menschen, die sich damit beschäftigen, sind nicht so intelligent wie die, die sich nie darüber Gedanken machen.
Schmutz, wie auch die Frau, soll drinnen in der Wohnung bleiben. Es soll keine Kacke an die Hände kommen, oder Periodenblut auf die Wände. Frauen sollen keine Schlampen sein – sie sollen ordentlich sein und keinen Schmutz produzieren. Vielleicht denken Männer immer noch, unterbewusst, dass Frauen so eklig sind wegen der Periode, und deswegen alleine für das Putzen verantwortlich sind? Eine Frau, die mit der Hausarbeit nicht klarkommt und offen darüber spricht, sie zeigt ihren Schmutz der Welt. Das ist eklig. Man möchte nicht hingucken. Diese Frauen sollen schweigen. Und sie sollen sich nicht Hausfrauen nennen.
Dirty Bastards
Ich bin eine schlechte Hausfrau. Wahrscheinlich bin ich die schlechteste Hausfrau der Welt. Ich bin eine so schlechte Hausfrau, dass meine Exfreunde mich immer loben mussten, wenn ich ausnahmsweise was Sauberes gemacht habe statt Schweinerei.
Mein Exfreund, der Engländer, zum Beispiel. Er hat mich immer gelobt, wenn er dachte, ich mache Fortschritte.
»Du bist ein braves Mädchen heute«, sagte er zum Beispiel. »Ich bin total stolz auf dich.«
»Ja?«, fragte ich. »Warum? Was habe ich gemacht?«
»Du hast die Handtücher zurück ins Bad gebracht«, sagte er. »Sehr gut.« Oder manchmal: »Du hast die richtige Mülltüte in die Mülltonne getan. Danke schön. Das sieht so gut aus, wenn du das machst.«
Ich weiß nicht, warum ich so eine schlechte Hausfrau bin, aber ich weiß nur, dass ich, wenn ich was putzen muss, sehr spezifische Kopfschmerzen hinter den Augen bekomme. Deswegen kann ich nicht lange putzen. Mein Ex, der Engländer, glaubte, dass ich zu schnell denke, und beim Putzen muss man langsam denken, und deswegen halte ich es nicht aus. Deswegen sprach er, wenn er mir beim Putzen zuguckte, ganz langsam und hypnotisierend mit mir: »Hoch … und runter und … rund, und rund und rund und rund … und jetzt wieder hoch, jetzt den Lappen spülen – sehr gut – und jetzt noch eine Runde – hoch und runter und rund, rund, rund – einmal rund – den Lappen spülen – sehr gut. Sehr gut hast du das gemacht. Toll!«
Aber ich fürchte, dass das alles nur ein Trick gewesen ist, um mich mehr zum Putzen zu bringen.
Ich erinnere mich, wie meine ältere Schwester mit ihrer jüngsten Tochter nach Berlin zu Besuch kam, als mein Teenager Ryan so sieben Jahre alt war.
»Ich bin die schlechteste Hausfrau der Welt«, sagte ich zu ihr.
»Nee«, sagte sie. »Ich bin die schlechteste Hausfrau der Welt!«
»Nein«, korrigierte ich. »Ich bin das.«
Wir fingen an, uns darüber zu streiten, wer von uns die schlechteste Hausfrau der Welt ist. Ich muss sagen, der Schlampenwettbewerb ging echt knapp aus.
»Evie«, sagte sie über ihre zweite Tochter, »wusste nicht, dass man Eierkuchen aus Milch und Mehl und so machen kann, und nicht immer aus dem Fertigmix aus der Packung.«
Ja, dachte ich. Das ist ziemlich beschämend für eine Hausfrau. Aber ich kann das locker toppen.
»Einmal, als ich das Badezimmer geputzt habe und Ryan mir dabei zuschaute, fragte er mich, welche Großeltern uns morgen besuchen würden.«
Meine Schwester lachte.
»Ja, okay«, sagte sie. »Das ist ziemlich gut. Ich meine,