des Studenten im Nebenamt sei, der hier, gerade hier alles oder nichts forderte, jener Geist, der in den Ideen der tiefsten Anarchisten und in christlichen Klostergemeinschaften erwuchs, dieser wahrlich ernste Geist einer sozialen Arbeit, der aber der kindlichen Versuche der Einfühlung in Arbeiter- und Volkspsyche nicht bedurfte, ist in studentischen Gemeinschaften nicht erwachsen. An der Abstraktheit und Beziehungslosigkeit des Objektes scheiterte der Versuch, den Willen einer akademischen Gemeinschaft zu einer sozialen Arbeitsgemeinschaft zu organisieren. Die Totalität des Wollenden fand keinen Ausdruck, weil sein Wille in dieser Gemeinschaft nicht auf die Totalität gerichtet sein konnte.« Die symptomatische Bedeutung der freistudentischen Versuche, der christlich-sozialen und vieler andern ist, daß sie den Zwiespalt, den die Universität mit dem Staatsganzen bildet, mikrokosmisch innerhalb der Universität wiederholen, im Interesse ihrer Staats- und Lebenstüchtigkeit. Sie haben nahezu allen Ego- und Altruismen, jedweder Selbstverständlichkeit des großen Lebens eine Freistatt in der Universität erobert; nur dem radikalen Zweifel, der grundlegenden Kritik und dem Notwendigsten: dem Leben, das dem völligen Neuaufbau sich widmet, ist sie versagt. Es steht in diesen Dingen nicht der Fortschrittswille der freien Studenten gegen die reaktionäre Macht der Korps. Wie es zu zeigen versucht wurde und wie es zudem aus der Uniformität und Friedfertigkeit des gesamten Zustandes der Universität hervorgeht, sind die freistudentischen Organisationen selbst weit entfernt, einen durchdachten geistigen Willen auf den Plan zu führen. In keiner der Fragen, die in dem vorliegenden Versuch zur Sprache kommen, hat sich bisher ihre Stimme entscheidend bemerkbar gemacht. Aus Unentschiedenheit bleibt sie unvernehmlich. Ihre Opposition verläuft in den geebneten Bahnen der liberalen Politik, die Entwicklung ihrer sozialen Prinzipien ist auf dem Niveau der liberalen Presse stehengeblieben. Die eigentliche Frage der Universität hat das freie Studententum nicht durchdacht, insofern ist es bittres historisches Recht, daß bei den offiziellen Gelegenheiten die Korps, die einst das Problem der akademischen Gemeinschaft durchlebten und durchkämpften, als unwürdige Repräsentanten der studentischen Tradition erscheinen. In den letzten Fragen bringt der Freistudent gar keinen ernsteren Willen, keinen höheren Mut auf als das Korps, und seine Wirksamkeit ist fast gefährlicher als die des Korps, weil täuschender und irreführender: indem diese bourgeoise, disziplinlose und kleinliche Richtung den Ruf des Kämpfers und Befreiers im Leben der Universität beansprucht. Das heutige Studententum ist keineswegs an den Stellen zu finden, wo um den geistigen Aufstieg der Nation gerungen wird, keineswegs auf dem Felde seines neuen Kampfes um die Kurist, keineswegs an der Seite seiner Schriftsteller und Dichter, keineswegs an den Quellen religiösen Lebens. Nämlich das deutsche Studententum als solches – das existiert nicht. Und dies nicht etwa, weil es nicht jeweils die neuesten, »modernsten« Strömungen mitmacht, sondern indem es als Studentenschaft all diese Bewegungen in ihrer Tiefe überhaupt ignoriert, indem diese Studentenschaft ständig und ständig im Schlepptau der öffentlichen Meinung, in ihrem breitesten Fahrwasser dahinzieht, indem sie das von allen Parteien und Bünden umschmeichelte und verdorbene Kind ist, von jedem gelobt, weil jedem irgendwie gehörig, aber ganz und gar ohne den Adel, der bis vor hundert Jahren deutsches Studententum sichtbar machte und es an sichtbare Stellen als Verteidiger des besten Lebens treten ließ.
Jene Verfälschung des Schöpfergeistes in Berufsgeist, die wir überall am Werke sehen, hat die Hochschule ganz ergriffen und sie vom unbeamteten schöpferischen Geistesleben isoliert. Die kastenhafte Verachtung des staatsfremden, oft staatsfeindlichen freien Gelehrten- und Künstlertums ist hiervon ein schmerzhaft deutliches Symptom. Einer der berühmtesten deutschen Hochschullehrer sprach vom Katheder über »die Caféhausliteraten, nach denen das Christentum schon lange abgewirtschaftet habe«. Ton und Richtigkeit dieser Worte halten sich die Waage. Deutlicher als gegen die Wissenschaft, die durch »Anwendbarkeit« unmittelbar staatliche Tendenzen vortäuscht, muß eine so organisierte Hochschule ganz und gar mit baren Händen den Musen gegenüberstehen. Sie muß, indem sie auf den Beruf hinlenkt, notwendig das unmittelbare Schaffen als Form der Gemeinschaft verfehlen. Wirklich ist die feindselige Fremdheit, die Verständnislosigkeit der Schule gegen das Leben, welches die Kunst verlangt, deutbar als Ablehnung des unmittelbaren, nicht aufs Amt bezognen Schaffens. Ganz von innen heraus erscheint dies in der Unmündigkeit und Schülerhaftigkeit des Studenten. Vom ästhetischen Gefühl aus ist vielleicht das Auffallendste und Peinigendste an der Erscheinung der Hochschule: die mechanische Reaktion, mit der die Hörerschaft dem Vortragenden folgt. Dies Maß von Rezeptivität konnte nur durch eine wahrhaft akademische oder sophistische Kultur des Gesprächs aufgewogen werden. Davon sind auch die Seminarien durchaus entfernt, die sich hauptsächlich ebenso der Vortragsform bedienen, wobei es wenig verschlägt, ob Lehrer oder Schüler sprechen. Die Organisation der Hochschule beruht nicht mehr auf der Produktivität der Studenten, wie es im Geiste ihrer Gründer lag. Sie dachten den Studenten wesentlich als Lehrer und Schüler zugleich; als Lehrer, weil Produktivität gänzliche Unabhängigkeit bedeutet, Hinblick auf die Wissenschaft, nicht mehr auf den Lehrenden. Wo die beherrschende Idee des Studentenlebens Amt und Beruf ist, kann sie nicht Wissenschaft sein. Sie kann nicht mehr in der Widmung an eine Erkenntnis bestehen, von der zu fürchten ist, daß sie vom Wege der bürgerlichen Sicherheit abführt. Sie kann sowenig in der Widmung an die Wissenschaft bestehen, wie in Hingabe des Lebens an eine jüngere Generation. Und doch ist dieser Beruf: zu lehren – wenn auch unter ganz anderen Formen als den heutigen – mit jeder eigensten Erfassung der Wissenschaft geboten. Solche gefahrvolle Hingabe an Wisenschaft und Jugend muß als Fähigkeit zu lieben schon im Studenten leben und die Wurzel seines Schaffens sein. Dagegen steht sein Leben im Gefolge der Alten, er lernt dem Lehrer seine Wissenschaft ab, ohne ihm im Beruf zu folgen. Er verzichtet leichten Mutes auf die Gemeinschaft, die ihn mit den Schaffenden verbindet und die ihre allgemeine Form allein von der Philosophie her erhalten kann. An einem Teil soll er zugleich Schaffender, Philosoph und Lehrer sein und dies in seiner wesentlichen und bestimmenden Natur. Von hier aus ergibt sich Form des Berufes und Lebens. Die Gemeinschaft schöpferischer Menschen erhebt jedes Studium zur Universalität: unter der Form der Philosophie. Solche Universalität gewinnt man nicht, indem man dem Juristen literarische, dem Mediziner juristische Fragen vorträgt (wie manche Gruppe von Studenten versucht), sondern indem die Gemeinschaft sorgt und von selbst es bewirkt, daß vor aller Besonderung des Fachstudiums (die sich doch nur mit Hinsicht auf den Beruf erhalten kann), über allem Betriebe der Fachschulen, sie selbst, die Gemeinschaft der Universität als solche, Erzeugerin und Hüterin der philosophischen Gemeinschaftsform sei, wiederum nicht mit den Fragestellungen der begrenzten wissenschaftlichen Fachphilosophie, sondern mit den metaphysischen Fragen des Platon und des Spinoza, der Romantiker und Nietzsches. Dies nämlich, nicht aber Führungen durch Fürsorgeinstitute, würde tiefste Verbindung des Berufes mit dem Leben, allerdings einem tieferen Leben bedeuten. Würde die Erstarrung des Studiums zu einem Haufen von Wissen verhüten. Es hätte diese Studentenschaft die Universität, die den methodischen Bestand des Wissens samt den vorsichtigen kühnen und doch exakten Versuchen neuer Methoden mitteilt, zu umgeben, gleichwie das undeutliche Wogen des Volkes den Palast eines Fürsten, als die Stätte der beständigen geistigen Revolution, wo zuerst die neuen Fragestellungen weitausgreifender, unklarer, unexakter, aber manchmal vielleicht auch aus tieferer Ahnung, als die wissenschaftlichen Fragen, sich vorbereiten. Die Studentenschaft wäre in ihrer schöpferischen Funktion als der große Transformator zu betrachten, der die neuen Ideen, die früher in der Kunst, früher im sozialen Leben zu erwachen pflegen als in der Wissenschaft, überzuleiten hätte in wissenschaftliche Fragen durch philosophische Einstellung.
Die heimliche Herrschaft der Berufsidee ist nicht die innerlichste jener Verfälschungen, deren Furchtbarkeit es ist, daß sie alle das Zentrum schöpferischen Lebens treffen. Eine banale Lebenseinstellung handelt Surrogate gegen den Geist ein. Es gelingt ihr, immer dichter die Gefährlichkeit des geistigen Lebens zu verschleiern und den Rest der Sehenden als Phantasten zu verlachen. Tiefer verbildet die erotische Konvention das unbewußte Leben der Studenten. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der die Berufsideologie das intellektuelle Gewissen fesselt, lastet die Vorstellung der Heirat, die Idee der Familie als eine dunkle Konvention auf dem Eros. Er scheint verschwunden aus einer Epoche, die zwischen dem Dasein des Familiensohnes und Familienvaters sich leer und unbestimmt erstreckt. Wo die Einheit im Dasein des Schaffenden und des Zeugenden liegt und ob diese Einheit in der Form der Familie gegeben ist, diese Frage durfte nicht gestellt werden, solange es die heimliche Erwartung der Heirat galt, eine illegitime Zwischenzeit, in der man höchstens Widerstandsfähigkeit gegen Versuchungen trefflich