verschwunden und hatte mit den anderen Party gemacht.
Das Hafenviertel lag verlassen vor ihnen. Mehrere Verladekräne ragten hoch in die Luft empor, Schiffscontainer stapelten sich in gigantische Höhen.
»Hoffentlich fallen die nicht um«, sagte Danielle, während sie ängstlich nach oben schaute.
Mason behielt das Display im Auge. »Geradeaus«, dirigierte er Olivia. »Er ist zu den verlassenen Fabrikhallen gefahren. Da, jetzt hält er an.«
Der Hafen war eine Subkultur für sich. Ein Teil davon war längst für die Tourismus-Industrie erschlossen, die mit jedem Jahr wuchs. Im Sommer kamen die Leute, um über die Promenade zu flanieren und den Strand zu genießen, im Winter boomten die Skipisten und mietbaren Bungalows.
Der industriell genutzte Teil des Hafens hatte lange Zeit brachgelegen, bis das Fracking begonnen hatte. Das Verfahren war umstritten, und nicht umsonst wurde der Hafen alle paar Wochen von Umweltschützern belagert, die den Abtransport von verladenem Öl und Gas verhindern wollten.
Randy hatte Mason erklärt, dass Fracking nichts anderes bedeutete, als dass ein Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Zusätzen unter hohem Druck in tief im Erdreich gelegene Gesteinsschichten gepresst wird. Das Gestein würde dadurch aufgebrochen, die darin gebundenen Gas- und Ölvorkommen freigesetzt.
Ein findiger Geschäftsmann hatte gehandelt und einen Vertrag mit der Stadt geschlossen. Weit vor der Küste von Barrington Cove lag das kleine Angel Island. Lange Jahre war die gesamte Insel durch den Zirkus bekannt gewesen, der dort dauerhaft seine Zelte aufgeschlagen hatte. In den 80er Jahren war es jedoch zu einer Katastrophe gekommen, die für die Schausteller alles verändert hatte. Mit dem Zirkus war es bergab gegangen, bis er schließlich seine Pforten schloss. Heute gab es dort nur noch die Ruinen von alten Fahrgeschäften, Tierkäfigen und Wurfbuden.
Auf der anderen Seite der Insel hatte besagter Geschäftsmann in den tieferen Gesteinsschichten jedoch gebundenes Öl und Gas entdeckt. Seitdem wurde Fracking eingesetzt, um die Rohstoffe herauszulösen. Über Spezialtanker wurden sie zum Hafen gebracht und in die größeren Städte verschifft, die per Pipeline an das ganze Land angebunden waren.
Randy hatte sich darüber ziemlich aufgeregt. Vor zwei Wochen hatte er Mason quasi dazu gezwungen, mit ihm ein Transparent zu basteln und sich den Protestlern anzuschließen. Natürlich hatte das nichts gebracht.
»Dort vorne ist die Lagerhalle«, sagte Randy. Der Freund saß neben Danielle auf dem Rücksitz, lugte aber die ganze Zeit über Masons Schulter auf das Pad. Wie ihm das bei Olivias Fahrstil gelang, war Mason ein Rätsel. »Halt hier besser an, Olivia.«
»In Ordnung.« Fast schien es ihr leid zu tun, schon stoppen zu müssen.
Beim Aussteigen umklammerte Danielle ihre Handtasche.
»Willst du die nicht lieber hier lassen?«, fragte Randy.
Sie grinste böse. »Vergiss es. Sicher ist sicher. Da drin habe ich alles, was ich brauche.«
»Jetzt kommt endlich«, sagte Mason. »Am besten teilen wir uns auf.«
»Alter, du solltest mehr Horrorfilme schauen«, bemerkte Randy. »Willst du, dass ich aus dem nächsten Fenster fliege?«
»Randy hat Recht«, sagte Olivia. »Wir bleiben dieses Mal schön zusammen. Und vorzugsweise werden wir nicht entdeckt.« Sie nahm Mason das Pad aus der Hand. »Er ist definitiv in diesem Gebäude. Leider wissen wir nicht, wie es im Inneren aussieht.«
Das Gebäude war eher eine Fabrikhalle, deren ehemals weiße Wände rußverschmiert waren. Die Fenster schauten fast blind in die Umgebung, einige davon hatten Randalierer mit Steinen eingeworfen. Hier war schon jahrelang niemand mehr gewesen – zumindest offiziell.
Gemeinsam schlichen sie zu einer unscheinbaren Tür an der Seite. Sie war verschlossen, doch das Fenster daneben hing nur noch in den Angeln. Mason schob es auf und kroch hindurch. Die anderen folgten dichtauf, wobei Randy bei jedem Geräusch zusammenzuckte. Das schlechte Gewissen machte sich wieder in Mason breit. Am liebsten hätte er den Freund im Auto warten lassen.
»Hört ihr das?«, frage Olivia leise.
Sie blieben stehen und lauschten. Tatsächlich waren ganz deutlich zwei Stimmen zu vernehmen.
»Da streitet jemand«, flüsterte Randy.
»Das eine ist definitiv Thompkins«, sagte Olivia. »Aber wer ist der andere?«
Sie gingen in Richtung der Stimmen, darauf bedacht, über keines der überall herumliegenden Holzbretter zu fallen oder Zementbrocken zu kicken. Hier würde alles überlaut widerhallen und sie verraten.
Schließlich erreichten sie die Halle und duckten sich hinter ein paar gestapelten Holzpaletten.
»… ich die an der Backe«, sagte Thompkins.
»Verdammt«, flüsterte Randy. »Das ist Brian Bruker.«
Der Sohn des Sheriffs stand mit geballten Fäusten vor dem Dealer und sah so aus, als würde er jeden Moment auf ihn losgehen. »Ich sollte das Zeug nur deponieren«, sagte er. »Und Collister hat es nicht anders verdient! Mit dem Rest will ich nichts zu tun haben!«
Thompkins lachte auf. »Ganz so einfach wird es nicht. Mein Boss will, dass alles hieb- und stichfest ist. Und als Sohn des Sheriffs wird niemand deine Aussage anzweifeln. Es ist ganz einfach: Mit den Drogen hat der Sheriff – dein Dad! – einen Indizienbeweis. Was jetzt noch fehlt, ist eine Aussage. Du erzählst einfach, dass du Mason Collister beim Dealen beobachtet hast. Mehr ist gar nicht notwendig.«
Mason ballte die Fäuste. Randy hielt ihn am Arm fest, damit er nicht losstürmte.
»Du kannst dich natürlich auch weigern. In dem Fall, fürchte ich, wird euer heißgeliebtes Basketball-Team allerdings den nächsten Captain verlieren«, erklärte Thompkins. »Du weißt ja, wie die Schule mit Skandalen umgeht. Und deinem Dad täte es auch nicht gut. Ist nächstes Jahr nicht Wahljahr? Da käme es wirklich blöd, wenn Collister davonkommt, aber stattdessen deine Beteiligung nachgewiesen wird. Nicht einmal dein sauberer Herr Vater kann dann noch etwas für dich tun. Ruhm ist so eine Sache, weißt du. Schau dir Collister an, der war mal ganz oben.«
Brian schnaubte. Zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß er hervor: »Von mir aus. Aber danach ist Schluss.«
»Wunderbar. Geht doch.«
Damit schien das Gespräch beendet. Brian stapfte ohne ein weiteres Wort an ihnen vorbei. Augenblicke später knallte eine Tür. Mason wollte aufspringen und sich jetzt wirklich auf Thompkins stürzen, doch Randy und Danielle drückten ihn wieder zu Boden.
Thompkins zog ein Smartphone aus der Tasche und wählte eine Nummer. »Ja, ich bin‘s. Sheriff junior ist wieder in der Spur. Aussage und Beweis in Kombination bringen Collister in den Jugendknast. Verstehe. Nein, der Kleine hat nur ein paar Schürfwunden, nichts Ernstes. Aber wenn das kein Signal ist … In Ordnung. Heute Abend? Aber … Natürlich, Boss. Ich werde da sein. Bei Dämmerung. Bin ja sowieso fast immer dort. Haha.« Er beendete die Verbindung. »Verdammt!«
Thompkins schob das Gerät in die Hosentasche und rauschte davon.
Entsetzt stand Mason auf und starrte seine Freunde an. »Was geht hier eigentlich ab?«
*
Um kein Risiko einzugehen, fuhren sie auf direktem Weg zurück zum Tarnowski-Haus. Immerhin konnte Thompkins jederzeit zurückkommen, wer wusste schon, ob er nicht ein weiteres Treffen im Lagerhaus vereinbart hatte.
Mason war noch immer stinksauer, was auch Randys beruhigende Worte, dass sie jetzt ja wussten, wer in die Sache verstrickt war und Bruker auffliegen lassen konnten, nicht verhinderten. Dass Brian Bruker ihm die Drogen untergeschoben hatte, war schon schlimm genug, doch bei der Sache schien es sich um weit mehr zu handeln als zuerst angenommen. Hinter Thompkins stand noch jemand, der es auf Mason abgesehen hatte. Aber wer? Und warum?
Sie gingen hinunter in