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stand. Olivia setzte sich auf den Rand des Schreibtisches, während er selbst auf und ab ging. »Das kann doch alles nicht sein.«

      »Immer mit der Ruhe«, sagte Olivia. »Fassen wir zusammen, was wir wissen.«

      »Brian Bruker hat Mason die Drogen ins Schließfach gelegt«, begann Randy. »Damit er von der Schule fliegt.«

      »Aber das ist nicht alles«, fügte Danielle hinzu. »Die wollen auch, dass er verhaftet wird. Die Polizei kennt kein Pardon, wenn es um Black Flash geht. Das Zeug verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Der Pfleger im Altenheim meiner Granny hatte es auch intus.«

      »Aber warum ich?« Mason verstand es einfach nicht. »Habe ich während meiner Zeit als abgehobener Profisportler jemandem derart auf die Füße getreten, dass der sich jetzt rächen will?«

      »Das ist eine gute Frage«, sagte Olivia. Sie schaute nachdenklich ins Nichts, hatte das Kinn auf die Handballen gestützt. »Noch interessanter ist aber die Frage, wer hinter all dem steckt. Immerhin übt er problemlos Kontrolle über einen gut vernetzten Dealer aus. Er hat also Macht und Geld. Das ist niemals ein anderer Schüler.«

      Ratloses Schweigen.

      »Vielleicht hast du mal jemanden beim Sport fertiggemacht und sein Dad will sich jetzt rächen«, überlegte Randy laut.

      »Echt jetzt?« Mason funkelte ihn an.

      »Ich mein’ ja nur. Keine Ahnung.«

      »Diese Sache ist größer, als wir das alle gedacht haben«, sagte Olivia. »Wenn jemand mit Geld dahintersteckt, wird es schwierig. Bevor wir den Sheriff einschalten können, brauchen wir hieb- und stichfeste Beweise.«

      »Gerade jetzt, wo sein Sohn in der Sache mit drin steckt«, sagte Mason. »Brian ist ein feiges Arschloch. Leider lässt sein Dad nichts auf den Sohnemann kommen. Der könnte das Rathaus in die Luft jagen – und der Sheriff würde ihm auf die Schulter klopfen.«

      Obwohl die Lage deprimierend war, bemerkte Mason, wie er ruhiger wurde. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass er kaum noch etwas zu verlieren hatte, oder einfach die Umgebung auf ihn wirkte: der Geruch nach altem Papier und muffigen Sitzbezügen, die Unordnung und all die Gegenstände aus den 80ern.

      Kurz fragte er sich, wer dieser Billy Tarnowski wirklich gewesen war, wie er gelebt, gearbeitet, gedacht hatte. Sie standen mitten in seinem Allerheiligsten und wussten nichts über den Mann. Trotzdem fühlte Mason sich mit ihm verbunden. Auch Tarnowski hatte ein Verbrechen aufklären wollen. Ihm war es scheinbar niemals gelungen – und natürlich war ein Mord ein ganz anderes Kaliber –, doch er hatte nie aufgegeben.

      »Ich denke, wir werden heute Abend einen kleinen Ausflug machen«, sagte Mason schließlich. »Wer immer dieser Boss von Thompkins auch ist, ich brenne darauf, ihn kennenzulernen.«

      »Wenn wir deinen Namen reinwaschen wollen, brauchen wir aber Beweise«, gab Randy zu bedenken. »Vielleicht sollten wir den Sheriff dazu holen.«

      »Auf keinen Fall«, sagte Danielle. »Dieser Idiot kann sich doch nicht einmal alleine die Schuhe zubinden. Olivia macht die Fotos und dazu benutzen wir ein Richtmikrofon. Das wäre doch gelacht, wenn wir das nicht alleine auf die Reihe bekommen.«

      Sie legten noch ein paar Details fest, dann machten sie sich daran, das benötigte Equipment zu beschaffen.

      *

      Ein wütender Schrei erklang, gefolgt von einem Fluchen. »Meine Manolo Blahniks.«

      Sie hat sich kein Stück verändert, dachte Jamie.

      Mit knallrotem Gesicht, einen Schuh mit abgebrochenem Absatz in der Hand, kam Shannon um die Kurve gestakst. Bei seinem Anblick blieb sie stehen, und für einen Augenblick sah er wieder das sechzehnjährige Mädchen vor sich, mit dem er so viel erlebt hatte. Doch der Moment verging und die Gegenwart legte sich über ihr Gesicht wie ein dunkler Schleier, der jede Freude erstickte. Alles was er heute noch sah, war Hochnäsigkeit und Arroganz, übertüncht durch Dutzende von Schönheitsoperationen. Als sie näher kam, war der alkoholgeschwängerte Atem Shannons zu riechen.

      »Hallo, Jamie«, sagte sie emotionslos.

      »Shannon.« Er nickte.

      Er bedeutete ihr, auf dem Stuhl gegenüber Platz zu nehmen.

      Sie hatten die alte Hütte im Wald als Treffpunkt gewählt. Damals waren sie oft hier gewesen. Erst nach dem Tod von Marietta hatte sich alles verändert. Die Terrasse bestand aus Holz und ragte ein Stück über den See hinaus. Am Ufer wucherte dichtes Unkraut. Der Geruch des brackigen Wassers war nicht angenehm, erinnerte Jamie aber an den Sommer ’83 – der letzte wunderbare Sommer mit all seinen Freunden.

      Shannons Augen wirkten glasig, als sie umherschaute und den Blick wieder auf ihn richtete. »Es ist lange her.«

      »Warum hast du mich angerufen?«

      Sie atmete schwer. Das blondierte Haar fiel ihr in Locken auf die Schultern, die schweren Saphirohrringe baumelten hin und her. »Es geht um Danielle. Doktor Silverman hat heute Morgen angerufen und uns mitgeteilt, dass dein Sohn mit ihr in seiner Praxis war. Scheinbar hatte dieser deutsche Junge einen Unfall.«

      »Ich weiß. Mason hat uns davon erzählt. Sie waren im Crest Point unterwegs.«

      Beim Erwähnen des Steinbruchs verzog Shannon angewidert den Mund. »Meine Tochter war bisher niemals dort und wird es auch in Zukunft nicht mehr sein, verstehen wir uns?«

      Jamie wurde einmal mehr bewusst, dass Shannon mit der Heirat dieses Kotzbrockens Holt nicht nur ihren Namen geändert hatte. Ihr ganzes Wesen war abgeglitten, verlor sich in der Glitzerwelt der Reichen und Pseudoschönen.

      Aber wenn ich ehrlich bin, hat das bereits mit dem Tod von Marietta begonnen, dachte er. Und mit den Ereignissen damals in der Schule. In dieser einen verdammten Nacht.

      Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken abzustreifen. »Du solltest endlich damit aufhören, deine Tochter in einen goldenen Käfig zu sperren.«

      »Sag du mir nicht, was ich tun oder lassen soll«, keifte Shannon. »Meine Tochter wird nicht durch deinen Sohn in diesen Drogensumpf geraten.«

      »Stell dich nicht dümmer als du bist«, sagte er. »Du weiß so gut wie ich, dass Mason nichts damit zu tun hat.«

      »Nicht schon wieder«, seufzte Shannon. »Fängst du jetzt wieder mit deiner Verschwörungstheorie an?«

      »Ich …«

      »Nein!« Sie ballte die Fäuste. »Ich will nichts mehr davon hören, Jamie. Marietta ist seit über dreißig Jahren tot. Es ist vorbei. Ich habe nie verstanden, warum du und Billy nicht einfach aufhört. Aber jetzt … Billy ist tot und Harrison – ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was er heute treibt und es ist mir auch egal! Mir geht es um meine Familie. Ob dein Sohn nun Drogen nimmt, damit dealt oder ein unschuldiges Opfer ist: Danielle wird nicht zum Kollateralschaden!«

      Jamie nickte resignierend. Shannon hatte vor langer Zeit einen Weg gewählt, der sie fort von der Realität brachte. Sie lebte in ihrer kleinen Welt aus Rubinen, Smaragden und Saphiren, Geld und edlen Yachten. Es war ihre Art zu vergessen. Und wo all der Pomp nicht half, kam der Alkohol ins Spiel. Die kleine Danielle tat Jamie leid. Und er vermisste Billy.

      »Ich mache meinem Sohn keine Vorwürfe«, sagte er. »Er hat es schon schwer genug. Wenn du deine Tochter von ihm fernhalten willst, musst du das mit ihr klären.«

      Shannon sprang auf. »Hätte ich mir denken können, dass du das sagst. Noch immer ganz der alte Sturkopf. Aber ich warne dich, mit Geld kann man eine Menge erreichen. Du willst mich nicht zur Feindin haben, Jamie. Wir haben viel gemeinsam erlebt und ich habe diese Jahre nie vergessen. Aber euer Wahn, den Mord an Marietta aufzuklären, hat uns in ein haarsträubendes Abenteuer nach dem anderen geführt. Harrison wäre ’85 beinahe gestorben, als wir versucht haben, Mariettas Spur zu dem Zirkus …«

      Er