Nora Adams

ZwölfUhrTermin


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kä­me wohl nur se­mi­gut an, dach­te sie sich, noch et­was be­lei­digt von sei­ner Ab­fuhr. »Was ist denn?« Mut­los hielt er ihr das Blatt vor die Na­se und schüt­tel­te im­mer­zu den Kopf. »Ei­ne Daten­schutz­er­klä­rung?« Fra­gend blick­te sie ihn an. »Sprich, Cons­tan­tin! Ich kann nicht hell­se­hen!«

      »Nicht bloß ei­ne, das ist die von Marc Eden und fällt dir was auf?« Was mach­te er für ei­nen Auf­stand? Sie war nicht un­ter­schrie­ben, aber das konn­te doch nicht der Grund für sei­nen Aus­bruch sein. Weiter­hin blick­te sie ihn ver­wirrt an. »Da fehlt die Un­ter­schrift!«

      »Ja«, rea­gier­te An­ni zö­ger­lich auf das Of­fen­sicht­li­che.

      »Fakt ist, ich darf oh­ne die­sen un­ter­schrie­be­nen Wisch kei­ner­lei Daten spei­chern und ver­ar­bei­ten. Ich brau­che sie, wenn ich sei­ne Geld­an­lagen be­rech­nen will und eben­falls Fakt ist, dass ich da­mit schon be­gon­nen ha­be. Weil wie­der­um ein drit­ter Fakt ist: Ei­nen Marc Eden lässt man nicht war­ten! Ka­pierst du das?« Sein Ge­sicht war feu­er­rot, wäh­rend er sei­ne Hän­de kne­te­te.

      »Sag ihm halt nicht, dass du be­reits an­ge­fan­gen hast«, fuhr sie ihn ver­ständ­nis­los an. Bei je­dem an­de­ren Kun­den wür­de er kei­nen Auf­stand ma­chen. Sie kann­te ih­ren Mann gar nicht so pro­mi­fo­kus­siert. Auto­ma­tisch frag­te sie: »Gehts dem Un­ter­neh­men schlecht?« Gott, das war ih­re Exis­tenz, wenn die Fir­ma auf der Kip­pe stand, konn­te sie es doch plötz­lich nach­voll­zie­hen.

      Cons­tan­tin blick­te sie an, als hät­te sie ei­nen fet­ten Her­pes auf der Lip­pe. »Was?«, frag­te er bloß und vern­ein­te ent­geis­tert mit ei­nem Kopf­schüt­teln.

      »Na, ich kann lei­der nicht ver­ste­hen, wa­rum du bei Eden so ei­nen Auf­riss machst!«

      Es dau­er­te ge­fühl­te Mi­nu­ten, bis er re­de­te – ru­hig, be­dacht und wie­der ganz fo­kus­siert. »Pass auf, wie du mit mir sprichst, An­ni. Wir sind hier auf der Ar­beit und ich bin dein Boss, ver­giss das nicht.« Un­fass­bar, jetzt strit­ten sie sich we­gen ei­ner be­scheu­er­ten Daten­schutz­er­klä­rung. Wie konn­te es nur so weit kom­men, dass so viel Feind­se­lig­keit zwi­schen ih­nen lag? Re­si­gnie­rend schloss sie die Augen, immer­hin hat­te sie im Ge­fühl, dass jeg­li­che Art, das Gan­ze jetzt an­zu­spre­chen, zum Schei­tern ver­ur­teilt war. Sie griff sich das Blatt aus sei­ner Hand und steu­er­te die Gar­de­ro­be in ih­rem Büro an. »Was tust du?«

      »Ich wer­de zu ihm fah­ren!« Ih­ren Man­tel zu­ge­knöpft, leg­te sie die Daten­schutz­er­klä­rung an­schlie­ßend schnell in ein Ku­vert, rief Marc Eden in der Daten­bank auf, schrieb so­wohl die Adres­se des Fir­men­sit­zes, als auch sei­ne pri­va­te auf und er­griff ih­re Ta­sche.

      »An­ni …« Er hielt sie am Arm fest, be­vor sie den Raum ver­las­sen konn­te.

      »Was, Cons­tan­tin?« Sie wuss­te, dass ih­re Stim­me et­was zu laut war und doch woll­te sie ih­ren Frust nicht un­ter­drü­cken.

      »Ich woll­te dich eben nicht so an­fah­ren, aber das ist ein über­aus wich­ti­ger Kun­de. Es tut mir leid.«

      »Ich ha­be es be­grif­fen und jetzt lass mich los, wir sind hier schließ­lich auf der Ar­beit«, sprach sie, wohl­wis­send, dass sie ge­ra­de sei­ne ver­nich­ten­den Wor­te be­nutz­te, die sie eben ver­letzt hat­ten. Heu­te soll­te er sie bloß in Ru­he las­sen.

      »Pass auf dich auf, es wur­de ein Schnees­turm an­ge­kün­digt. Viel­leicht nimmst du lie­ber die Bahn, da­mit du pünkt­lich zum Abend­es­sen da bist. Adres­se schick ich dir per Mail«, rief er, als sie die Tür schon er­reicht hat­te, al­lem An­schein nach voll­kom­men ein­ver­stan­den da­mit, dass sie sich jetzt auf den Weg mach­te, um ihn zu ret­ten, höhn­te ihr In­ne­res. Oh­ne zu rea­gie­ren, ver­ließ sie das Büro.

      Na toll! Das auch noch! Sie blick­te zum Himmel und es fiel ihr schwer, ir­gend­et­was zu er­ken­nen, außer die wei­ße, dich­te Flo­cken­pracht, die auf sie nie­der rie­sel­te. Ihr Auto war schon von ei­ner di­cken Schnee­schicht be­deckt und doch ent­schied sie sich für die­sen Weg. In der Stadt wur­den die Stra­ßen recht schnell ge­räumt, so­dass sie op­ti­mis­tisch war. Immer­hin hat­te sie so ei­ne Hei­zung un­term Hin­tern und muss­te sich nicht durch die küh­le Däm­me­rung schla­gen. Wo­mög­lich war es ein­fach nur Trotz, weil Cons­tan­tin ihr ge­ra­ten hat­te, mit den öf­fent­li­chen Ver­kehrs­mitteln zu fah­ren.

      Sie ent­rie­gel­te ihr Auto, setz­te sich seit­lich auf den Sitz und stieß mit ih­ren Stie­feln an­ein­an­der, so­dass der gan­ze Schnee ab­fiel. Dann dreh­te sie sich nach vor­ne, schloss die Tür und hoff­te, dass der Schei­ben­wi­scher den Neusch­nee weg­fe­gen wür­de. Es war zwar viel, aber nicht fest. Et­was ver­lang­samt, den­noch ziel­si­cher, schob er sich über die Schei­be und sorg­te für ei­ne freie Sicht.

      Lang­sam schlän­gel­te sie sich durch Kölns Stra­ßen, immer da­rauf be­dacht, ihr Auto nicht zu schrot­ten. Cons­tan­tin wür­de sie kil­len, nach­dem er ihr vor­hin noch an­ge­ra­ten hat­te, die Bahn zu neh­men. All­mäh­lich frag­te sie sich, ob das so ei­ne gu­te Idee ge­we­sen war, sei­nen Rat zu ig­no­rie­ren. Die Flo­cken­dich­te wur­de immer ge­wal­ti­ger und von ei­nem Räum­dienst war weit und breit kei­ne Spur.

      Es dau­er­te ei­ne knap­pe hal­be Stun­de, bis An­ni end­lich die Adres­se der Fir­ma an­vi­siert hat­te. Ei­nen Park­platz zu be­kom­men, war heu­te mal aus­nahms­wei­se kein Pro­blem, weil alle an­de­ren of­fen­kun­dig ver­nünf­ti­ger waren und ihr Auto bei die­sem Cha­os­wet­ter Zu­hau­se ste­hen­lie­ßen. Oder aber sie fuh­ren aus rei­ner Vor­sicht heim und be­weg­ten sich nicht mehr vor die Haus­tür, was de­fi­ni­tiv sehr ver­nünf­tig ge­we­sen wä­re.

      Ge­ra­de trat sie auf das im­po­san­te und be­rühmte Fähr­haus zu, wel­ches am Rhei­nu­fer stand, als ihr Han­dy klin­gel­te. »Weis­haupt?«, nahm sie das Ge­spräch ent­ge­gen und ver­such­te oh­ne Kno­chen­brü­che ihr Ziel zu er­rei­chen.

      »Das Es­sen heu­te Abend fällt aus. Der Kun­de hat­te ei­ne Auto­pan­ne und hat ab­ge­sagt«, er­klär­te Cons­tan­tin ihr seelen­ru­hig.

      Immer noch leicht an­ge­säu­ert, ant­wort­ete sie kurz an­ge­bun­den: »Dan­ke, dass du Be­scheid gibst! War sonst noch was? Es ist schwei­ne­kalt und ich muss schau­en, dass ich vor­an­kom­me.«

      »Nein, sonst war nichts. Ich schau jetzt, dass ich nach Hau­se komm. Pass auf dich auf, En­gel­chen.«

      An­ni leg­te auf. En­gel­chen? Blöd­mann! Das En­gel­chen steht ge­ra­de mit­ten in ei­nem Schnees­turm, über ei­ne Stun­de von ih­rem Haus ent­fernt, und ver­sucht dem Blöd­mann sei­nen Arsch zu ret­ten. Aber schön, dass Herr Weis­haupt schon mal nach Hau­se fährt. Ist ja auch wirk­lich das Ver­nünf­tigs­te bei dem Wet­ter, wenn man sich nicht auf den Stra­ßen her­um­treibt. Ha! Ha!

      End­lich hat­te sie das war­me Foy­er be­tre­ten und ging zur An­mel­dung. »Ich möch­te ger­ne zu Eden Dy­na­mics«, sag­te sie und war­te­te.

      »Ihr Na­me, bit­te?«, frag­te ei­ne rund­li­che Mitt­vier­zi­ge­rin, wäh­rend sie den Tele­fon­hörer in die Hand nahm.

      »Weis­haupt. Ich ha­be kei­nen Termin«, ge­stand sie, be­vor ihr das Of­fen­sicht­li­che eh gleich mit­ge­teilt wur­de.

      »Ei­ne Frau Weis­haupt, hat kei­nen Termin!« Die Da­me sah An­ni ins Ge­sicht, wäh­rend sie den Hörer weiter­hin ans Ohr hielt. »Was ist