käme wohl nur semigut an, dachte sie sich, noch etwas beleidigt von seiner Abfuhr. »Was ist denn?« Mutlos hielt er ihr das Blatt vor die Nase und schüttelte immerzu den Kopf. »Eine Datenschutzerklärung?« Fragend blickte sie ihn an. »Sprich, Constantin! Ich kann nicht hellsehen!«
»Nicht bloß eine, das ist die von Marc Eden und fällt dir was auf?« Was machte er für einen Aufstand? Sie war nicht unterschrieben, aber das konnte doch nicht der Grund für seinen Ausbruch sein. Weiterhin blickte sie ihn verwirrt an. »Da fehlt die Unterschrift!«
»Ja«, reagierte Anni zögerlich auf das Offensichtliche.
»Fakt ist, ich darf ohne diesen unterschriebenen Wisch keinerlei Daten speichern und verarbeiten. Ich brauche sie, wenn ich seine Geldanlagen berechnen will und ebenfalls Fakt ist, dass ich damit schon begonnen habe. Weil wiederum ein dritter Fakt ist: Einen Marc Eden lässt man nicht warten! Kapierst du das?« Sein Gesicht war feuerrot, während er seine Hände knetete.
»Sag ihm halt nicht, dass du bereits angefangen hast«, fuhr sie ihn verständnislos an. Bei jedem anderen Kunden würde er keinen Aufstand machen. Sie kannte ihren Mann gar nicht so promifokussiert. Automatisch fragte sie: »Gehts dem Unternehmen schlecht?« Gott, das war ihre Existenz, wenn die Firma auf der Kippe stand, konnte sie es doch plötzlich nachvollziehen.
Constantin blickte sie an, als hätte sie einen fetten Herpes auf der Lippe. »Was?«, fragte er bloß und verneinte entgeistert mit einem Kopfschütteln.
»Na, ich kann leider nicht verstehen, warum du bei Eden so einen Aufriss machst!«
Es dauerte gefühlte Minuten, bis er redete – ruhig, bedacht und wieder ganz fokussiert. »Pass auf, wie du mit mir sprichst, Anni. Wir sind hier auf der Arbeit und ich bin dein Boss, vergiss das nicht.« Unfassbar, jetzt stritten sie sich wegen einer bescheuerten Datenschutzerklärung. Wie konnte es nur so weit kommen, dass so viel Feindseligkeit zwischen ihnen lag? Resignierend schloss sie die Augen, immerhin hatte sie im Gefühl, dass jegliche Art, das Ganze jetzt anzusprechen, zum Scheitern verurteilt war. Sie griff sich das Blatt aus seiner Hand und steuerte die Garderobe in ihrem Büro an. »Was tust du?«
»Ich werde zu ihm fahren!« Ihren Mantel zugeknöpft, legte sie die Datenschutzerklärung anschließend schnell in ein Kuvert, rief Marc Eden in der Datenbank auf, schrieb sowohl die Adresse des Firmensitzes, als auch seine private auf und ergriff ihre Tasche.
»Anni …« Er hielt sie am Arm fest, bevor sie den Raum verlassen konnte.
»Was, Constantin?« Sie wusste, dass ihre Stimme etwas zu laut war und doch wollte sie ihren Frust nicht unterdrücken.
»Ich wollte dich eben nicht so anfahren, aber das ist ein überaus wichtiger Kunde. Es tut mir leid.«
»Ich habe es begriffen und jetzt lass mich los, wir sind hier schließlich auf der Arbeit«, sprach sie, wohlwissend, dass sie gerade seine vernichtenden Worte benutzte, die sie eben verletzt hatten. Heute sollte er sie bloß in Ruhe lassen.
»Pass auf dich auf, es wurde ein Schneesturm angekündigt. Vielleicht nimmst du lieber die Bahn, damit du pünktlich zum Abendessen da bist. Adresse schick ich dir per Mail«, rief er, als sie die Tür schon erreicht hatte, allem Anschein nach vollkommen einverstanden damit, dass sie sich jetzt auf den Weg machte, um ihn zu retten, höhnte ihr Inneres. Ohne zu reagieren, verließ sie das Büro.
Na toll! Das auch noch! Sie blickte zum Himmel und es fiel ihr schwer, irgendetwas zu erkennen, außer die weiße, dichte Flockenpracht, die auf sie nieder rieselte. Ihr Auto war schon von einer dicken Schneeschicht bedeckt und doch entschied sie sich für diesen Weg. In der Stadt wurden die Straßen recht schnell geräumt, sodass sie optimistisch war. Immerhin hatte sie so eine Heizung unterm Hintern und musste sich nicht durch die kühle Dämmerung schlagen. Womöglich war es einfach nur Trotz, weil Constantin ihr geraten hatte, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.
Sie entriegelte ihr Auto, setzte sich seitlich auf den Sitz und stieß mit ihren Stiefeln aneinander, sodass der ganze Schnee abfiel. Dann drehte sie sich nach vorne, schloss die Tür und hoffte, dass der Scheibenwischer den Neuschnee wegfegen würde. Es war zwar viel, aber nicht fest. Etwas verlangsamt, dennoch zielsicher, schob er sich über die Scheibe und sorgte für eine freie Sicht.
Langsam schlängelte sie sich durch Kölns Straßen, immer darauf bedacht, ihr Auto nicht zu schrotten. Constantin würde sie killen, nachdem er ihr vorhin noch angeraten hatte, die Bahn zu nehmen. Allmählich fragte sie sich, ob das so eine gute Idee gewesen war, seinen Rat zu ignorieren. Die Flockendichte wurde immer gewaltiger und von einem Räumdienst war weit und breit keine Spur.
Es dauerte eine knappe halbe Stunde, bis Anni endlich die Adresse der Firma anvisiert hatte. Einen Parkplatz zu bekommen, war heute mal ausnahmsweise kein Problem, weil alle anderen offenkundig vernünftiger waren und ihr Auto bei diesem Chaoswetter Zuhause stehenließen. Oder aber sie fuhren aus reiner Vorsicht heim und bewegten sich nicht mehr vor die Haustür, was definitiv sehr vernünftig gewesen wäre.
Gerade trat sie auf das imposante und berühmte Fährhaus zu, welches am Rheinufer stand, als ihr Handy klingelte. »Weishaupt?«, nahm sie das Gespräch entgegen und versuchte ohne Knochenbrüche ihr Ziel zu erreichen.
»Das Essen heute Abend fällt aus. Der Kunde hatte eine Autopanne und hat abgesagt«, erklärte Constantin ihr seelenruhig.
Immer noch leicht angesäuert, antwortete sie kurz angebunden: »Danke, dass du Bescheid gibst! War sonst noch was? Es ist schweinekalt und ich muss schauen, dass ich vorankomme.«
»Nein, sonst war nichts. Ich schau jetzt, dass ich nach Hause komm. Pass auf dich auf, Engelchen.«
Anni legte auf. Engelchen? Blödmann! Das Engelchen steht gerade mitten in einem Schneesturm, über eine Stunde von ihrem Haus entfernt, und versucht dem Blödmann seinen Arsch zu retten. Aber schön, dass Herr Weishaupt schon mal nach Hause fährt. Ist ja auch wirklich das Vernünftigste bei dem Wetter, wenn man sich nicht auf den Straßen herumtreibt. Ha! Ha!
Endlich hatte sie das warme Foyer betreten und ging zur Anmeldung. »Ich möchte gerne zu Eden Dynamics«, sagte sie und wartete.
»Ihr Name, bitte?«, fragte eine rundliche Mittvierzigerin, während sie den Telefonhörer in die Hand nahm.
»Weishaupt. Ich habe keinen Termin«, gestand sie, bevor ihr das Offensichtliche eh gleich mitgeteilt wurde.
»Eine Frau Weishaupt, hat keinen Termin!« Die Dame sah Anni ins Gesicht, während sie den Hörer weiterhin ans Ohr hielt. »Was ist