Denn wenn keiner weiß, was er den ganzen Tag tun soll, dann raucht er auch viel. Bei »Keller« erfährt man auch die neuesten Gerüchte. Momentan erzählen sie wieder, dass die Transporte nach Russland seit August gesperrt sind. Es kann möglich sein, dass wir hier in der Gegend oder bei den Öltürmen in Arbeit kommen, aber spätestens in einem Jahr sind wir zu Hause. Einerseits sind wir beruhigt, weil es nicht nach Russland geht, aber andererseits bereitet uns die Aussicht auf ein Jahr Lager einige Sorgen.
Nur an einem Tag wird das ewige Einerlei unterbrochen. Schon in der Frühe müssen wir uns am Lagertor aufstellen, dann kommt die Zählung und wir dürfen das Lager verlassen. Fast eine halbe Stunde dauert es, bis wir an eine Ortschaft kommen, in der einige Häuser bombardiert worden sind. Wir haben weiter nichts zu tun, als zwei Ziegelsteine zu nehmen und wieder in das Lager zu bringen.
Es klingt ganz einfach, aber es dauert den ganzen Vormittag, bis alle wieder im Lager sind. Oft müssen wir rasten, weil uns die Beine wehtun und die zwei Steine zu schwer sind. Am Lagereingang werden wir von unserem Kommandanten mit Anhang empfangen. Sie weisen uns den Platz an, wo die Steine hinkommen. Jeder von ihnen hat eine nagelneue Luftwaffenuniform an mit Reithose und Schaftstiefeln. Wohlgenährt und gepflegt sehen sie aus. Kein Wunder, den ganzen Tag sitzen sie vor ihrer Baracke, die mit Sowjetsternen und Stalinbildern geschmückt ist, spielen Schach oder reden über Politik. Mit dem Essen wird es auch nicht so genau genommen wie bei uns.
Es ist wieder einmal Bestandsaufnahme der Bekleidung, ein Zeichen, dass man mit uns etwas vorhat. Ich bin dazu bestimmt worden, beim Fassen der benötigten Sachen zu helfen. Manche von uns haben in den zwei Wochen alles verschachert, was irgendwie ging. Hemden, Unterhosen, Schuhe. Von Mantel und Decken gar nicht zu reden. Die Firma »Keller« hat für alles Verwendung. Es ist klar, dass ich zuerst einmal an mich denke. Ich ziehe einige Garnituren Wäsche an, einen neuen Marinepullover und eine neue Feldbluse kann ich auch brauchen. Für meine Bergschuhe finde ich nichts Besseres. Die Wäsche bringt nun am gleichen Tag abends schon hundert Zigaretten. Diesmal muss es heimlich gehen, weil immer wieder »gute« Kameraden da sind, die einen verpfeifen. Der Pullover findet einen Liebhaber von der Küche für Brot und Suppe. Dafür bekomme ich einen alten von Mäusen zerfressenen Pullover, damit ich einen zum Herzeigen habe, wenn Kontrolle ist. Ich habe noch eine Wattehose, aber die möchte ich behalten, weil ich dann wenigstens nicht auf dem blanken Boden schlafen muss.
Die Gerüchte um unseren Abtransport nehmen immer festere Formen an. Von allen Seiten werden wir beruhigt, wenn wir auf dieses Thema zu sprechen kommen. Sogar der Kommandant versichert uns, dass Transporte nach Russland nicht mehr gefahren werden. Ganz trauen wir ihnen nicht, weil wir in den fünf Monaten, die wir nun Gefangene sind, schon zu oft angelogen wurden. Doch hofft jeder insgeheim, dass es wahr wäre. Ich habe überhaupt nie geglaubt, dass man von der Hoffnung so lange zehren kann, dass man sich daran wieder aufrichten und damit auch anderen wieder Mut machen kann.
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