tion>
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2020
Umschlagfoto vorne:
Am 19. Mai 1948 wurde der 500.000. deutsche Kriegsgefangene in der sowjetischen Entlassungsstelle in der Hornkaserne bei Frankfurt/Oder entlassen.
Umschlagfoto hinten:
Holztransport von Kriegsgefangenen im russischen Lager Panovka, 1948
© 2020 Edition Förg GmbH, Rosenheim
Titelfoto:
© vorne: Bundesarchiv, Bild 183-S78938
© hinten: Willy Steinberg, München
Satz: Edition Förg GmbH, Rosenheim
Bildbearbeitung: Fotoweitblick Raphael Lichius, Bad Aibling
Lektorat: Hans Demberger und Richard Prechtl, Rosenheim
eISBN 978-3-96600-010-9 (epub)
Worum geht es im Buch?
Klaus G. Förg
Hinter rotem Stacheldraht
Als Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg war der deutsche Soldat Josef Sedlmeier in unterschiedlichen sowjetischen Gefangenenlagern untergebracht. In diesem Buch berichtet er von Hungersnot, Diebstahl und kräftezehrendem Arbeitsdienst, aber auch von Freundschaft, Zusammenhalt und schönen Momenten.
Inhalt
Unbeschwerte, später furchtbare Kriegsjahre
Heiliger Abend 1945
Ostern 1946
Das Lager Georgijewsk
Rückkehr nach Georgijewsk
Weihnachten 1946
Pjatigorsk
1. Mai 1947
Die Hoffnung wächst
Verlegung in ein neues Lager
Waldlager in Maikop
Weihnachten 1947
Das Lager bei Mineralnyje Wody
Baldige Heimkehr
Das letzte Arbeitslager
Meine langersehnte Heimkehr
Ankunft in Frankfurt/Oder
Meine Jugendjahre in München
Die 1920er-Jahre waren in Südbayern so beschaulich wie vermutlich fast überall im deutschen Reich. Meine Eltern hatten sich eigentlich in einem kleinen oberbayerischen Dorf kennengelernt, aber geboren wurde ich dann doch im Jahre 1921 in München. Für uns Kinder war es eine schöne Zeit, auch wenn wir in einer kleinen Mietwohnung hausten und wenig Geld zur Verfügung hatten. Aber ich kannte ja nichts anderes und war glücklich und zufrieden. Die Vormittagsstunden verbrachte ich mehr oder weniger interessiert in der nahegelegenen Volksschule und am Nachmittag rannte ich mit meinen Schulfreunden in den Straßen herum oder haute mit den Füßen auf etwas Ballähnliches. Einen richtigen Fußball konnte sich keiner leisten. Durch Pferdefuhrwerke oder gar Autos wurden wir übrigens beim Spielen selten gestört.
Ich als Taferlbub
Zum Glück hatten wir in Giesing in der Nähe des Grünwalder Stadions einen Schrebergarten. Zu diesem wanderten meine Eltern zusammen mit mir, meinen drei Brüdern und meiner Schwester Elisabeth am Wochenende und an so manchem Sommerabend. Der Standort für den Schrebergarten war für meinen Vater, der übrigens Postler war, wichtig, denn er war glühender Fan des TSV 1860 und konnte somit die Fußballspiele des Vereins ansehen. Mutter pflegte einstweilen ihr Gemüse im kleinen Gärtchen.
Dann sollte mein älterer Bruder Ludwig Zither spielen lernen. Der Unterricht wurde im Vorhinein bezahlt. Aber Ludwig war ein derartiger Striezi und Umtreiber, dass an Zither spielen nicht zu denken war. Er wollte einfach nicht. Deshalb hat mein Vater bestimmt, dass eben ich Zither spielen lernen soll, damit das Geld für den Unterricht nicht verfällt. Also musste eine Zither gekauft werden. Aber es war wieder mal kein Geld da. Schließlich hat meine Mutter so viel Geld zusammengekratzt, dass es für die Anschaffung einer Zither gereicht hat. Der Unterricht machte mir überraschenderweise Freude, und ich spielte später gerne mit meinem Vater sowie auf der einen oder anderen Berghütte.
Mit Beendigung der Volksschule war das Münchner Lausbubenleben weitgehend aus, der berühmte »Ernst des Lebens« begann mit der Aufnahme einer Tapeziererlehre in einem kleinen Münchner Familienbetrieb. Nach dieser Lehre hatte ich das Gefühl, einen zweiten Beruf erlernen zu müssen, weil mir bewusst wurde, dass Tapezierer keine allzu guten Berufsaussichten hatten. Also lernte ich Polsterer und hatte Glück mit meinem Chef, der ein lieber Kerl war, sodass mir das Arbeiten Freude machte.
Josef Sedlmeier als Sechzehnjähriger
Mittlerweile war der furchtbare Krieg in vollem Gange, viele Soldaten kämpften an verschiedenen Schauplätzen in Europa, es gab unzählige Meldungen von Männern, die ihr Leben verloren hatten. Leid und tiefe Trauer waren plötzlich ganz nah, in unserem direkten Umfeld. Von meinen Brüdern gab es leider keine Nachrichten, nur den Funken Hoffnung, dass sie noch lebten. Eine große Belastung für meine Eltern. Herzliches und befreites Lachen wurden zur Seltenheit.
Josef Sedlmeier im Winter 1940/41 in Frankreich
Unbeschwerte, später furchtbare Kriegsjahre
Dann brachte der Briefträger ein Schreiben, das an mich gerichtet war. Ein Standardschreiben, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich mich zum Reichsarbeitsdienst einfinden musste. Der Spaten sollte mein ständiger Begleiter werden. Wir schaufelten, was das Zeug hielt. Schützengräben, immer wieder Schützengräben.
Der Reichsarbeitsdienst war ohne Spaten undenkbar.
Und natürlich hatten wir uns mit dem Karabiner zu beschäftigen, reinigen, zerlegen, zusammenbauen, Schießübungen. Der Karabiner war ja die angebliche »Braut« des Soldaten. Meine Braut habe ich mir allerdings ganz anders vorgestellt. Aber in meiner Jugendzeit dachte ich logischerweise sowieso nicht ans Heiraten, vielmehr beschäftigte mich die Unsicherheit der nahen Zukunft.