Marisa Frank

Fürstenkrone Box 14 – Adelsroman


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Diana lächelte dem Beamten beruhigend zu. Der Zug hielt mit lautem Quietschen.

      »Steigen Sie nur ein, Durchlaucht. Ich bringe Ihnen Ihre Koffer«, erbot sich der Beamte.

      Der Zug fuhr an. Diana blickte zum Fenster hinaus. Wiesen und Wälder, die zum Besitz des Fürstentums von Buchenhain gehörten, zogen an ihr vorüber.

      Bis nach Hainbach dauerte die Reise fast zwei Stunden. Eine weitere Stunde musste Diana auf den Schnellzug warten, der sie nach München brachte.

      Sie kannte München von zwei kurzen Reisen her, die sie während ihrer Kindheit, kurz bevor sie ins Internat eingetreten war, mit ihrem Vater unternommen hatte, um Verwandte zu besuchen.

      Die Hektik der lauten Großstadt ängstigte Diana, obwohl sie sich diese Angst nicht eingestehen wollte.

      Sie fragte einen Taxichauffeur nach einem guten Hotel, und er nannte ihr drei oder vier Luxushotels.

      »Bringen Sie mich bitte zum ›Bayrischen Hof‹«, bat Diana.

      Im »Bayrischen Hof« mietete sie ein großzügiges Apartment, ohne nach dem Preis zu fragen. Da sie ausspannen wollte, ließ sie sich ein Abendessen auf ihr Zimmer bringen.

      Nachdem sie gegessen hatte, legte Diana sich auf das breite Bett und überlegte, was sie nun zu tun hatte. Morgen früh würde sie versuchen, irgendeine Arbeit zu bekommen.

      Voller Unruhe erhob Diana sich und trat ans Fenster. Fremde Menschen zogen dort unten auf der Straße vorüber. Limousinen hielten vor dem Eingang des Hotels. Gerade flammten die Straßenlaternen auf.

      Diana wollte plötzlich teilhaben an diesem unbekannten Leben auf der Straße. Vielleicht würde sie in dem Gesicht eines der jungen Männer eine Ähnlichkeit mit Hubertus entdecken?

      Hubertus! Von München aus wollte sie nach ihm suchen. Er hatte von einem Kusin berichtet, der in München studierte und mit dem Hubertus zusammen aufgewachsen war. Und wenn dieser Kusin nichts über Hubertus’ Aufenthaltsort wusste, so würde Diana nach anderen Spuren suchen.

      Sie zog ihren warmen Mantel über und verließ das Hotel.

      Ein kalter Herbstwind blies ihr entgegen, als sie auf die Straße trat. Diana schlug den Kragen ihres Pelzmantels hoch.

      Ziellos durchquerte sie mehrere Straßen. Aus einigen Restaurants ertönte Musik.

      Als sie Durst verspürte, betrat sie ein Kellerlokal. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie allein ein Restaurant oder eine Bierstube besuchte. Um was es sich bei dem Ort, in den sie gerade getreten war, handelte, wusste sie zuerst nicht zu sagen.

      Zwei dralle junge Frauen trugen riesige Maßkrüge mit Bier zu den Tischen.

      Es herrschte eine laute Fröhlichkeit, die Diana abstieß. Sie hatte auf einer der Holzbänke Platz genommen und ein Bier bestellt. Ein jüngerer Mann, der eine Lederjacke trug, rückte an sie heran, hob ihr seine Maß entgegen und sagte mit tiefer Stimme: »Auf dein Wohl, Madel!«

      Diana wollte nicht unhöflich sein und hob lächelnd ihr Glas.

      Der Fremde betrachtete ihren Pelzmantel, den Diana nicht ausgezogen hatte, rieb sich dann die Stirn und rückte noch ein Stück näher heran.

      »Bist allein?«

      »Ja – nein…«

      »Na, wirst nicht lange allein sein. Ein so wunderhübsches Madel wie du bist.«

      Abwehr gegen die plumpe Vertrautheit des fremden Mannes stieg in Diana auf.

      Sie suchte in ihrer Handtasche aus Krokodilleder nach einer Münze, fand keine, legte dann einen Geldschein auf den Holztisch. Und ohne auf das Wechselgeld zu warten, verließ sie nach einem hastig gemurmelten Gruß die Bierstube.

      Als sie wieder im Freien war, atmete sie tief die Luft ein. Von einem nahen Kirchturm schlug es zehnmal zu ihr herüber.

      Diana entschloss sich, noch ein wenig die Straßen zu durchwandern und dann in den »Bayrischen Hof« zurückzukehren.

      Sie kam durch eine schmale Gasse. Vierstöckige Häuser erhoben sich zu beiden Seiten. Nur wenige Laternen verströmten ein schwaches Licht.

      Dianas Schritte hallten auf dem Straßenpflaster. Plötzlich hörte sie hinter sich andere Schritte. Nie gekannte Angst ließ sie erschauern. Nun erst nahm sie wahr, dass außer ihr und dem Menschen, der ihr so eilig folgte, kein Fremder zu sehen war.

      Sie begann zu laufen und presste dabei ihre Handtasche an die Stelle, unter der ihr Herz wie rasend schlug.

      Erzählungen von nächtlichen Überfällen fielen ihr ein.

      Auch der Fremde hinter ihr hatte zu laufen begonnen.

      Als die Straße gar nicht enden wollte und Diana erkannte, dass sie dem Menschen hinter sich doch nicht entkommen würde, blieb sie schwer atmend an eine Hauswand gepresst stehen.

      »Aber Madel«, sagte lächelnd der junge Mann gleich darauf, der in der Bierstube neben ihr gesessen hatte.

      »Lassen Sie mich, ich möchte allein sein«, stieß Diana hervor.

      »Aber das glaubst du doch selbst nicht, Madel. Bist doch weggelaufen, damit ich dir nachkomme, nicht? Hast du mir nicht zugelächelt? Aber Madel, komm her.«

      Der junge Mann mit dem grobgeschnittenen Gesicht und dem kurzgeschorenen Haar wollte Diana an sich ziehen.

      Sie stemmte sich mit aller Kraft gegen ihn, wobei sie ihre Handtasche verlor.

      »Lassen Sie mich.«

      »Zier dich nicht.«

      Der junge Mann war viel kräftiger als Diana und presste seinen Mund auf ihre Lippen.

      Schluchzen stieg in Diana auf. Sie fühlte sich beschämt, gedemütigt und beschmutzt.

      »Ich bin die Prinzessin Diana von Buchenhain!«, rief sie, als der junge Mann sie freigab.

      Der bog seinen Kopf nach hinten und begann laut zu lachen. In diesem Augenblick öffnete sich über ihnen ein Fenster. Der Kopf einer älteren Frau erschien.

      »Sind’s sofort ruhig! Es ist Schlafenszeit! Unglaublich! Wenn’s nicht ruhig sind, telefoniere ich nach dem Gendarmen!«

      Diana schluchzte noch einmal auf, dann lief sie an dem fremden jungen Mann vorbei und rannte, so schnell sie konnte, die einsame Straße hinab.

      Erst als sie auf einen hellerleuchteten Boulevard stieß, blieb sie keuchend stehen. Tränen strömten über ihr Gesicht.

      Jetzt erst bemerkte Diana, dass sie ihre Handtasche verloren hatte. Suchend sah sie sich um. War denn niemand da, der sie in die Straße begleiten würde, damit sie ihre Handtasche aufhob?

      In ihrer Hilflosigkeit wandte sie sich an einen älteren Herren mit einem weißen Bart.

      Aber kaum hatte sie das erste Wort gesprochen, als der alte Mann sich empört abwandte. Danach fand Diana nicht mehr den Mut, einen der Vorübergehenden zu bitten, sie zu begleiten.

      Sie kehrte zurück ins Luxushotel »Bayrischer Hof«. Als sie die hellerleuchtete Halle durchquerte, dachte sie voller Scham daran, dass sie nicht mehr das Geld besaß, um ihre Rechnung zu bezahlen. Aber nicht nur ihr ganzes Geld und mehrere Schecks hatten sich in der Tasche befunden, sondern auch ihre Ausweise.

      In ihrem Zimmer überlegte Diana voller Angst, ob sie nicht die Polizei benachrichtigen sollte. Sie war jedoch inzwischen so verunsichert, dass sie sich vor den neugierigen Blicken und Fragen der Beamten fürchtete. So ließ sie den Telefonhörer auf die Gabel zurückfallen und begann nun langsam, sich zu entkleiden.

      Die Welt, das Leben, von dem sie geträumt hatte, war nicht nur herrlich, es war auch erschreckend. Diana war nicht dazu erzogen worden, sich darin zurechtzufinden.

      Spät nach Mitternacht schlief sie endlich ein.

      *

      Mit knurrendem Magen, denn Diana