Eva Rossmann

Vom schönen Schein


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davon.“

      „Ich … hab nur etwas Luft gebraucht.“

      „Der Typ sorgt schon dafür, dass alles gut läuft, so hab ich das gemeint. Da bin ich mir wirklich sicher“, rede ich weiter.

      „Ja, tut er, und es ist gut, dass alles geplant ist. Ich weiß, dass so etwas genau geplant sein muss, ich bin kein kleines Mädchen mehr.“ Jetzt hat sie ihr Kinn gehoben. Kampfgeist. Davon hat sie sicher jede Menge, sonst wäre sie nie so weit gekommen.

      „Eben. Versuch es zu genießen. Es ist …“

      Der Seufzer ist, als würde ein Felsen gesprengt.

      „Du magst ihn doch. Daniel, meine ich. Entschuldigung, Sie.“

      „Du ist schon in Ordnung. Ist mir lieber als das ganze Tamtam. Ich bin Tamtam gewohnt, aber nicht dieses. Normal bin ich fokussiert auf das, was ich kann. Und habe Unterstützung bei dem, was ich nicht kann.“

      Es klingt wie ein auswendig gelernter Spruch. „Ist jetzt nicht viel anders.“

      „Ja. Und natürlich mag ich ihn. Sonst würde ich ihn nie heiraten.“

      „Wo ist er?“

      „Der Bräutigam darf die Braut vor der Hochzeit nicht sehen, wissen Sie das nicht?“

      „Ist so ein Brauch. Aber ganz traditionell heiratet ihr ja nicht gerade.“

      „Ich muss hinein, die machen sich sicher schon große Sorgen, ich muss mich noch anziehen. Danke fürs Reden.“

      Ich lächle. Sie ist wirklich lieb. Und ich wünsche ihr alles Gute. Ich werde nett über die Hochzeit schreiben – oder ist das womöglich auch eine Aktion von Sportmanager Kaiser? Quasi Message Control vom Raffiniertesten? Aber so wichtig bin ich wohl nicht. Es gibt andere, auf die er mehr achtgeben muss. Diesen schmierigen Alfi zum Beispiel. „Es ist dein großer Tag, versuch ihn zu genießen!“, rufe ich Daniela noch nach. Es klingt wie aus einem Rosamunde-Pilcher-Film. Kein Wunder bei dieser Kulisse.

      Sie dreht sich abrupt um: „Genießen? Ich werde es genießen, wenn ich wieder ein Rennen gewinne. Da zahlt sich die Anstrengung aus! Das mach ich für mich – und natürlich mein Team!“

      Die Kleine ist ganz schön durch den Wind. Dabei braucht man gerade beim Slalom starke Nerven. „Du schaffst das schon!“

      Sie hebt die Arme und lässt sie wieder sinken. „Ja. – Wenn Sie ihn sehen, dann sagen Sie ihm, wir kriegen das alles hin. Ganz sicher.“

      „Was kriegt ihr hin?“ Unser aller CSO. Fast wie CSI. Wir haben ihn nicht kommen gehört und starren ihn an.

      „Ein … Interview“, antworte ich.

      „Ich glaube das nicht. Sie haben Daniela hier aufgelauert, um ein Exklusivinterview zu ergattern?“ Gar nichts mehr zu spüren von seiner professionellen Freundlichkeit.

      „Unsinn. Es geht nicht um diese Hochzeitssache. Und wir haben uns zufällig getroffen.“

      „Du solltest längst im Haus sein“, bellt der Sportmanager in Danielas Richtung.

      Sie geht davon, gerade, dass sie nicht läuft.

      „Und Sie sollte ich von der Hochzeit ausschließen.“

      Ich sehe ihn einigermaßen spöttisch an. „Sie werden es nicht begreifen, aber so wichtig ist mir die Sache nicht.“

      „Egal. Aber Ihnen ist klar, dass jedes Interview autorisiert werden muss. Es ist zum Besten unserer … Hochzeiter.“

      „Ab morgen ist sie wieder einfach die beste Skifahrerin der Welt. Und soviel ich weiß, hat sie ein eigenes Betreuerteam.“

      „Natürlich. Aber ich habe die Verantwortung. Für das Ganze.“

      „Das Ganze?“

      „Dass man fair mit ihr umgeht. Und mit dem, was sie repräsentiert.“

      „Versprochen.“

      „Noch einmal: Es gibt keine Extra-Interviews von der Hochzeit. Das sind Sie auch Ihren Kollegen schuldig.“

      „Hatte ich nie vor. – Wissen Sie eigentlich, wo Daniel ist?“

      „Sie werden ihn demnächst sehen. Von Ihrem Platz aus, bei der Hochzeit. Ich verlasse mich auf Sie. Ansonsten …“

      Ich lächle. „Ansonsten?“

      „Ich nehme an, Sie haben den Vertrag gelesen, den Sie vor der offiziellen Einladung bekommen haben.“

      Ich hebe den Daumen und gehe in die Richtung, in der ich die Parkplätze vermute.

      Was soll man über eine Hochzeit wie diese sagen? Natürlich waren Braut und Bräutigam da. Danielas weißes Kleid hat vielleicht an den Schultern ein wenig gespannt, aber sie hat auch mehr Muskeln als die meisten Bräute, die in solchen Spitzen-Spitzenroben heiraten. Daniels Gesichtsausdruck war eher konzentriert als glückselig, aber dafür hat sie gestrahlt. Sein Vater war sein Trauzeuge. Nicht, weil er keine Freunde hat, sondern weil sein Vater sein bester Freund ist. Und sein Coach noch dazu. Kleine Mädchen in lila Kleidchen haben Veilchen und weiße Rosenblätter gestreut. Der Duft war nahezu berauschend, kann sein, man hat mit Aroma nachgeholfen. Die Trauung wurde von jenem Bischof zelebriert, der die Öffentlichkeit schon zu seiner Zeit als Dompfarrer geliebt hat. Man muss die frohe Botschaft zu den Menschen bringen, ist sein Leitsatz. Egal, ob über WhatsApp oder Radio Maria. Und die Botschaft war froh, Daniela und Daniel haben sich getraut. Vergessen die Aufregung davor, auch Sportmanager Kaiser lächelt zufrieden. Das chinesische Kamerateam ist längst für die schönen Bilder rundum in den Weingärten unterwegs, noch immer scheint die Sonne. Ich habe Daniela einmal verstohlen und aufmunternd zugenickt. Sie hat getan, als kenne sie mich nicht. Wahrscheinlich hat sie mich nicht gesehen.

      Ich weiß, worüber ich scheiben werde: die Hochzeit als perfekte Inszenierung. In diesem Fall nicht nur als angeblich glücklichster Tag zweier Menschen, sondern als Feierstunde einer ganzen Nation und ihrer Vorzüge: schöne Landschaft, begabte Menschen, Gastfreundschaft, Romantik. We are from Austria. Wenn Christoph Kaiser einmal nicht mehr Sportmanager sein sollte, kann er sofort als Hochzeitsplaner anfangen. Damit wird meine Reportage schließen. Das Brautpaar möchte ich mit gebührendem Respekt behandeln. Die beiden sind außergewöhnlich erfolgreiche, hart arbeitende junge Leute mit besonderen Talenten. Man mag sie, weil man ihnen eben nicht nachstreben muss. Niemand verlangt von einem durchschnittlichen Dreißigjährigen, in der Tennis-Weltrangliste nach oben zu klettern, keine Frau wird sich an der Ausnahmeskifahrerin orientieren, wenn es darum geht, Job und Familie zu vereinbaren. Ich habe vor, schon während des Hochzeitsessens zu verschwinden. Nach der Vorspeise sollte ich auch über das Menü schreiben können. Ich nehme an, es ist so überraschungsfrei wie der Typ, der dafür gebucht wurde.

      Während das junge Glück irgendwo für Hochzeitsfotos posiert, werden wir mit einem kurzen Film über ihre größten Erfolge und über ihre Liebe zu Österreich unterhalten. Samt Hinweis, dass dieses Material veröffentlicht werden darf. Man werde es bis morgen um die offiziellen Hochzeitsaufnahmen ergänzen. Nur um Missverständnisse zu vermeiden, müsse die Verwendung von Ausschnitten mit dem Presseteam abgesprochen werden. Ich sehe schon vor mir, wie man in Indien Tränen der Rührung weint, wenn Daniela und Daniel zu den Klängen des Donauwalzers im Prunksaal des Schlosses einander die Ringe anstecken. Bollywood könnte auf Ideen kommen. So geht Erfolg. So geht Liebe. Und der nächste Urlaub in die Wachau.

      Die Band spielt außergewöhnlich gut, das macht selbst diese Musikmischung erträglich. Internationale Lovesongs, Austropop und etwas, das man Hits der Klassik nennen könnte. Bolero, Vier Jahreszeiten und Kleine Nachtmusik mit E-Gitarre und Schlagzeug. Ich stehe an der Bar und gönne mir ein Glas gespritzten Weißwein.

      „Nicht schlecht für eine Bauerntochter und einen Migrantenbuben“, murmelt der Typ neben mir. Ich sehe auf seinen Badge. Er ist vom Blatt, der größten, aber kaum besten Zeitung in unserem Land. Ganz so ist es nicht, dass wir uns völlig frei zwischen den geladenen Gästen bewegen können. Wir haben unsere eigene Bar, unseren eigenen