als auch der Herr Gerichtsvogt erwartet werden. Ich habe schon gestern gesehen, wie sie von den Dominikanern Bierfässer zu den Schwarzhäuptern gerollt haben.«
»Verdammt«, stöhnte Dorn. »Das hatte ich schon ganz vergessen. Das Fest wird doch wohl nicht abgesagt, jetzt, wo ...«
»Ein Mörder in der Stadt herumläuft? Aber das können wir Herrn Freisinger doch gleich fragen.«
Melchior steckte den Kopf zum Fenster hinaus und rief dem Kaufmann Freisinger zu, der Fräulein Hedwig noch sehnsuchtsvoll nachblickte: »Seid gegrüßt, Herr Schwarzhäupter, bleibt nun doch nicht auf der Schwelle stehen, kommt nur in die Apotheke herein, wenn Ihr schon in der Gegend seid.«
»Aber gerne«, erwiderte der Kaufmann von der Straße aus. Er sah noch einmal Hedwig hinterher, wie sie Richtung Rathaus lief und rieb sich schnell die Augen. Dann stieß er die Tür zur Apotheke auf und trat ein, während Melchior ihm bereits einen Becher seines Apothekertrunks einschenkte.
»Ah, der Gerichtsherr ist auch hier, einen guten Morgen«, nickte Freisinger ihm zu.
Melchior konnte nicht behaupten, dass Clawes Freisinger gerade sein Freund sei, dazu waren sowohl sie selbst als auch ihre Lebensweise zu verschieden. Jedoch brachte er diesem groß gewachsenen, südländisch anmutenden Mann Ehrerbietung und Hochachtung entgegen und das nicht nur, weil er als Apotheker zu den Festgelagen der Schwarzhäupter eingeladen wurde, nein. Clawes Freisinger war, so fand Melchior, ein Mann mit Gerechtigkeitssinn, er hatte etwas Edles und Ritterliches an sich, was ihn von den anderen Kaufleuten der Stadt abhob. Freisinger strahlte eine unerklärliche Würde aus, gerade, als sei er ein Adliger. Den Oldermann der Schwarzhäupter umgab auch ein bisschen etwas Geheimnisvolles und eine unerklärbare Kraft, die Melchior noch nie richtig verstanden hatte. Jetzt aber goss Melchior dem Herren Freisinger einen kleinen Becher Apothekertrunk ein und der Gerichtsherr wollte wissen, wer denn da gerade auf der Straße gerufen habe.
»Fräulein Hedwig Casendorpe hätte beinahe Pastor Rode von der Heiliggeistkirche umgerannt«, antwortete Freisinger sachlich. »Niemandem ist dadurch größerer Schaden entstanden.«
»Ah, Fräulein Hedwig war das, aber dann ist doch klar, warum sie den Pastor beinahe umrennt«, prustete Dorn vor Lachen.
»Ich verstehe nicht, was Euch zu der Annahme bringt?«, fragte Freisinger in nun angespannterem Ton.
»Hört mal, die ganze Stadt weiß doch, dass Fräulein Hedwig und Ihr den Pastor bald brauchen werdet, der wie es sich gehört vor dem Altar ...«, raunte der Gerichtsvogt vertrauensvoll und zwinkerte Freisinger zu. »Sagt an, Herr Schwarzhäupter – wann wird der alte Casendorpe für die ganze Stadt das Verlobungsfest ausrichten?«
Freisinger schien solches Gerede aber nicht zu passen. »Das müsst Ihr schon Herrn Casendorpe selbst fragen«, erwiderte er knapp.
Melchior klopfte dem Gerichtsvogt auf die Schulter und lachte. »Tja, unsere Stadt ist eben klein, da bleibt nichts unbemerkt und die Frauen fangen doch gleich an zu tratschen, sobald eine Hochzeit auch nur zu erahnen ist. Nun, auch ich habe gehört, dass der Herr Freisinger bald das fröhliche Leben der Schwarzhäupter hinter sich lassen und ein verheirateter Stadtbürger werden soll, aber erzählt wird eben alles Mögliche, und wenn etwas erzählt wird, gelangen die Gerüchte auch hierher in die Apotheke. Nehmt uns unsere Neugierde also nicht übel, Herr Schwarzhäupter.«
»Ich nehme sie Euch nicht übel, Melchior«, sagte der Kaufmann. »Ihr als verheirateter Mann wisst ja selbst, wie das ist: Man sagt etwas, der Nächste versteht es anders, und Dritte hören eine dritte Variante, und erzählen es Vierten wiederum auf ihre Weise weiter.«
»So ist es, Herr Schwarzhäupter«, stimmte Melchior zu. »Aber was sagt Ihr zu einem süßen Heiltrunk gegen die Halsschmerzen, die Euch letzte Woche erst plagten? Ich habe noch etwas davon übrig und Eurem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde ich sagen, dass die Schmerzen noch nicht ganz weg sind.«
»Es wäre in der Tat Sünde, den Trunk abzulehnen, wenn ich schon hier in der Apotheke bin. Tausend Dank und heute Abend werde ich Euch dann meinerseits bewirten.«
»Ja, richtig, die Bierprobe«, meldete sich nun Dorn zu Wort. »Sagt nur, sie wird doch nicht ausfallen?«
»Wann ist jemals bei den Schwarzhäuptern ein Fest ausgefallen? Wenn es so ausgerufen wurde und das Bier gebraut ist, findet bei den Schwarzhäuptern das Fest auch statt, und sollten die Stadt hunderte Feinde belagern.«
»Wenn Ihr das sagt, Herr Schwarzhäupter, wenn Ihr das sagt ... Ich wüsste nicht, dass die Schwarzhäupter früher in der Stadt so große Feste gefeiert hätten. Von euch hat man kaum etwas gehört, als ich jung war«, sagte Melchior und nickte. Es hieß, die Schwarzhäupter seien in Reval schon seit ein paar hundert Jahren ansässig, länger als die anderen Gilden, aber das behaupteten nur sie selbst und Melchior erinnerte sich wirklich nicht, dass viel von ihnen die Rede gewesen war, bevor Herr Freisinger in die Stadt kam. Kaum war aber Freisinger in die Stadt gekommen, wurden die Schwarzhäupter auf einen Schlag berühmt. Der junge Kaufmann hatte die Söhne der Kaufleute der Großen Gilde und andere Kaufmänner aus dem Ausland zu den Schwarzhäuptern geholt. Seitdem, schon seit drei Jahren, waren die fröhlichen und vergnügten Schwarzhäupter in der ganzen Stadt bekannt für ihre ausgelassenen Feste und Drunken, Kampfspiele und Turniere. Davor gab es in Reval nur drei alte alleinstehende Kaufmänner, die sich Schwarzhäupter nannten. Diese waren aber schon so alt und gebrechlich, dass mit ihnen auch die Gilde der Schwarzhäupter zu Grabe getragen worden wäre.
Freisinger nippte an seinem Becher und pries den Apothekertrunk, dass er dem Hals wirklich sehr gut tue. »Mit den Schwarzhäuptern ist es in jeder Stadt eben ein bisschen anders«, antwortete er dann auf Melchiors Frage. »Von unseren Bruderschaften gibt es auch nicht sehr viele. Ja, aber Ihr habt vorhin gefragt, ob das Fest ausfallen würde. Warum sollte es denn ausfallen? Ist etwas passiert?«
»Hat der Herr Schwarzhäupter etwa noch nichts über den Vorfall auf dem Domberg gehört?«, fragte Dorn.
»Ich war gerade auf dem Markt und dort ist mir wohl etwas über den Domberg zu Ohren gekommen, aber ich habe nicht genauer nachgefragt. Was ist denn, ist etwa Krieg ausgebrochen? Nur heraus mit der Sprache, Melchior, sicher sind doch auch diese Gerüchte schon in der Apotheke angekommen«, erkundigte sich Freisinger belustigt.
»Soviel ich weiß«, sagte Melchior, »wurde der ehemalige Ordensgebietiger von Gotland Henning von Clingenstain gestern Abend auf dem Domberg um einen Kopf kürzer gemacht.«
»Gotterbarmen, der berühmte von Clingenstain!«, brach es aus dem Schwarzhäupter hervor. »So ist es also wahr! Gütiger Himmel! Wer kann dieses furchtbare Verbrechen nur begangen haben?«
»Der Mörder ist in die Unterstadt geflohen, heißt es«, äußerte der Gerichtsvogt verärgert. »Aber wer es war, das weiß ich nicht.«
Sie stießen an und tranken, so wie es hier in der Stadt Brauch war, wenn man vom Domberg schlechte Nachrichten hörte.
»Hat der Ordensmeister denn schon ein Kopfgeld ausgesetzt?«, fragte Freisinger schließlich.
»Das weiß ich nicht, was der Ordensmeister getan hat oder nicht getan hat, aber das werde ich wohl gleich zu hören bekommen, denn ich bin von hier auf dem direkten Weg auf den Domberg, sobald meine Bauchschmerzen etwas nachgelassen haben«, meinte Dorn. »Nein, über ein Kopfgeld haben die Ordensmänner nichts gesagt. Ach, aber das haben sie erwähnt, dass man dem armen Clingenstain irgendeine Münze in den Mund gestopft hatte und den Kopf an die Wand ...«
»Eine Münze in den Mund gestopft!«, rief Melchior erschrocken.
»Das sagten sie. Dass die ihm aus dem Mund gekullert war, als man ihn fand. An so etwas Widerwärtiges möchte ich gar nicht erst denken.«
»Eine schlimme Sache«, meinte Freisinger nachdenklich. »Je schneller der Mörder gefasst wird, desto besser, sonst wird der Ordensmeister ungehalten, und wenn seine Wut die Stadt treffen sollte ... das würde den Kaufleuten nicht gefallen. Aber erinnert doch den Komtur auf dem Domberg daran, dass auch er heute und übermorgen bei den Schwarzhäuptern als Gast erwartet wird. Übrigens, was hält denn der ehrenwerte