Darüber hinaus legte er einen großen Wert auf die Gestaltung der therapeutischen Beziehung in Form der sogenannten »begrenzten elterlichen Fürsorge«. Seine erste Publikation zur »schemafokussierten Therapie« erfolgte bereits im Jahr 1990 (Young 1990).
1.2 Die moderne Schematherapie
Auch wenn dieses erste Modell neue Therapietechniken einsetzte, war es konzeptuell noch stark an die kognitive Therapie angelehnt. In der intensiven Arbeit mit Patienten mit narzisstischen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen sah sich Jeffrey Young gewissermaßen »gezwungen«, sein Konzept zu erweitern. Denn das Schemamodell erwies sich einerseits als zu komplex, andererseits aber auch als zu statisch, um die rasch wechselnden emotionalen Zustände der Patienten optimal zu konzeptualisieren und v. a. praxisorientiert zu operationalisieren. Insbesondere die Borderline-Patientengruppe zeigte in so vielen Schemata auffällig hohe Werte, dass sich mit dem Schemakonzept alleine keine praktikable Fallkonzeption entwickeln ließ. Daraufhin erweiterten Young et al. (2005) das erste Schemamodell zum Schema-Modus-Modell weiter, das stärker auf die im Hier und Jetzt aktualisierten inneren Zustände der Patienten und deren Klärung und Bewältigung abzielt. Das Konzept von einem »Schemamodus« als komplexer Aktivierungszustand, welcher die Gesamtheit der kognitiven und emotionalen Reaktionen sowie die daraus resultierenden Handlungstendenzen zu einem bestimmten Zeitpunkt beinhaltet, stellte eine deutliche Weiterentwicklung des klassischen kognitiven Verständnisses dar und ermöglichte letztendlich die Entwicklung der modernen Schematherapie.
Ein »Meilenstein« in der Entwicklung der modernen Schematherapie stellt die Arbeit von Arnoud Arntz hinsichtlich der Manualisierung (Arntz und van Genderen 2009) und der empirischen Untersuchung (Giesen-Bloo et al. 2006) der Schematherapie für Patienten mit Borderline-Störungen an der Universität Maastricht dar. In den letzten zehn Jahren erfolgten zahlreiche Studien und Wirksamkeitsuntersuchungen, insbesondere in den Niederlanden und in Deutschland. So kann die Schematherapie in ihrer modernen Form als evidenzbasiertes Verfahren zur effektiven Behandlung von Persönlichkeitsstörungen verstanden werden. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird die Schematherapie nicht als eigenständige Methode, sondern überwiegend als ein strukturiertes Konzept innerhalb der Verhaltenstherapie angesehen, welches Techniken aus verschiedenen Methoden konsistent in das Verhaltenstherapie-Paradigma integriert. So wird sie auch in diesem Buch dargestellt.
2 Verwandtschaft mit anderen Verfahren
2.1 Kognitive Therapie
Im Rahmen der sogenannten »kognitiven Wende« in den 1970er Jahren (Beck 1967; Ellis 1969) wurde der kognitiven Informationsverarbeitung und insbesondere automatisch ablaufenden Gedanken und dysfunktionalen Grundannahmen eine entscheidende Rolle in der Verhaltenssteuerung und somit in der Entstehung und Aufrechterhaltung psychopathologischer Symptome zugesprochen. Wie bereits dargestellt entstand die Schematherapie zunächst als Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie. Insbesondere das zentrale Konzept von maladaptiven Schemata kann aus einer theoretischen Perspektive mit dem Konzept dysfunktionaler Grundannahmen in Verbindung gebracht werden. Young legte jedoch einen viel größeren Wert auf die emotionalen und interpersonellen Aspekte als auf die kognitiven.
Die neurobiologische Forschung relativierte in den letzten Jahren zunehmend die Rolle explizit-kognitiver Prozesse für die Verhaltenssteuerung und zeigte, dass wesentliche Prozesse im Zusammenhang mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen v. a. emotionaler Natur sind und unbewusst reguliert werden (Roth 2001). Die moderne kognitive Therapie versucht diesen Ergebnissen zu entsprechen, indem sie auch »implizite« Kognitionen in die Konzeptualisierung psychopathologischer Symptome einbezieht (Beck et al. 2004). Die Schematherapie geht jedoch konsequent einen Schritt weiter, indem sie die emotionalen, z. T. unbewussten Prozesse durch erlebnisorientierte Techniken direkt aktiviert und sie zu einem zentralen Gegenstand der Therapie macht.
In der Betrachtung des konkreten therapeutischen Vorgehens zeigen sich insgesamt klare Unterschiede. Kognitive Techniken sind häufig primär auf »Inhalte« fokussiert und haben das wesentliche Ziel, ungünstige/unrealistische Kognitionen zu korrigieren. In der Schematherapie achtet man jedoch viel mehr auf den Kontext und die Funktionalität von Kognitionen, insbesondere bei der Betrachtung interpersoneller Konflikte.
2.2 Verhaltenstherapie
Die klassische (sog. horizontale) Verhaltensanalyse mit ihrem Schwerpunkt auf der gegenwartsnahen Bedingungsanalyse konnte das komplexe Verhalten von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen nicht ausreichend erklären. Durch das Hinzufügen einer sogenannten vertikalen Achse im Rahmen der »Plananalyse« und der »Organismus-Variable« entsteht im verhaltensanalytischen Denken der notwendige Raum für komplexe erlernte Muster, welche neben den biologisch-temperamentalen Variablen den Niederschlag früher Beziehungserfahrungen abbilden. Schemata können sehr gut in dieser vertikalen Achse angesiedelt werden. Insgesamt können Schemata und Modi sehr gut aus lerntheoretischer Sicht in deren Entstehung und Aufrechterhaltung erklärt werden (
Das konkrete therapeutische Vorgehen in der Schematherapie integriert zahlreiche verhaltensbezogene Techniken und Prinzipien, wie z. B. das Erlernen konkreter Strategien zur besseren Impulsregulation und das Einüben neuer sozialer Strategien im Rahmen von Rollenspielen (
2.3 Psychodynamische Therapie
Eine der Hauptannahmen der psychodynamischen Theorie lautet, dass sich psychopathologische Symptome auf Konflikte und Motive zurückführen lassen, welche für den Patienten nicht ohne Weiteres bewusst zugänglich sind. Die Schematherapie und ihr Ansatz, im Hier und Jetzt aktualisierte innere Zustände (sogenannte Schemamodi) auf frühe, oft nicht bewusst erinnerte Erfahrungen von Bedürfnisfrustrationen zurückzuführen, weist Gemeinsamkeiten mit psychodynamischen Modellen (einschließlich Internalisierungsprozessen) auf. Auch das Konzept der unbewusst entwickelten Bewältigungsreaktionen (
2.4 Gestalttherapie
Übungen mit einem leeren oder auch mehreren Stühlen werden im Kontext der Gestalttherapie sowie in psychodramatischen Verfahren häufig angewendet. Modus-Dialoge auf Stühlen gehören zu den wichtigsten technischen Elementen in der Schematherapie. Sowohl in der Gestalttherapie als auch in der Schematherapie werden Übungen mit Stühlen v. a. als Möglichkeit der emotionalen Aktivierung und inneren Differenzierung eingesetzt. In beiden Fällen verfolgt die Anwendung dieser Techniken das Ziel, »innere Prozesse« zu externalisieren und durch die Darstellung im »realen Raum« neue Perspektiven zu ermöglichen bzw. Spielräume für neue Lösungen zu finden. Während die gestalttherapeutische Anwendung ganz überwiegend prozessorientiert ist, zeigen sich in der Schematherapie eine klar direktive Rolle des Therapeuten und in den meisten Fällen ein im Voraus angestrebter, zielgerichteter Ablauf der Übung.
2.5 Achtsamkeitsbasierte Therapien und »dritte Welle«