Patricia Vandenberg

Sophienlust Box 16 – Familienroman


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Flug haben und heil ankommen. Seine Stimmung besserte sich erst, als Bonny ihm einen sündhaft starken Kaffee brachte.

      »Danke, Bonny. Du bist und bleibst ein Engelchen.«

      »Kommt mir gar nicht so vor. Eben hat mich ein dicker Kerl gefragt, ob ich morgen Abend mit ihm im Hotel bleiben will. Auf den scheine ich einen durchaus irdischen Eindruck zu machen.«

      »Unverschämter Bursche. Soll ich ihm Bescheid sagen?«, bot er an.

      »Nicht nötig. Ich habe ihm erklärt, dass ich bei meiner Großtante übernachten müsse. Sein dummes Gesicht hättest du sehen sollen, Alex. Wahrscheinlich bildet er sich ein, dass er mit ein paar hundert Dollar die Welt erobern kann.«

      Der Co-Pilot tat Zucker in seine Tasse und rührte um. »Du versäumst die besten Chancen, Bonny«, spöttelte er. »Möglicherweise ist er ein Millionär und würde dich heiraten.«

      »Kann schon sein«, erwiderte sie schulterzuckend. »Aber ich würde ihn nicht heiraten. Und da zum Heiraten bekanntlich zwei gehören …«

      Als Bony das Cockpit verlassen hatte, sagte der Co-Pilot leise: »Sie ist ein prima Mädchen.«

      Diesmal war Alexander ganz und gar seiner Meinung. »Das ist sie«, antwortete er mit Überzeugung.

      *

      »So – fertig!« Befriedigt betrachtete Nick sein Werk. Alexa stand neben ihm. Beide befanden sich im Augenblick im Wald von Sophienlust.

      »Steht wirklich mein Name darauf?«, fragte die Kleine.

      »Natürlich, Lexi. Jedes Kind, das in Sophienlust wohnt, bekommt einen solchen Baum mit seinem Namensschild. Wir nennen unseren kleinen Wald hier den Märchenwald. Zuerst gab es mal einen Waldbrand. Dadurch entstand die kahle Stelle. Und dann kam uns die Idee mit den Namensbäumchen. Gefällt dir dein Baum?«

      »Er ist sehr schön. Aber es gibt sehr viele Bäume hier. Wo sind die Kinder denn alle geblieben?«

      »Leider bleiben sie nicht immer hier, Lexi«, erklärte Dominik der kleinen Neuen mit einem Seufzer. »Wenn es nach mir ginge, würden sie alle für immer bei uns bleiben. Denn es gibt bestimmt keinen Platz auf der Welt, an dem es schöner ist als in Sophienlust.«

      »Ja, es ist wunderbar hier«, stimmte Alexa, die inzwischen von allen Kindern Lexi gerufen wurde, ihm aus vollem Herzen zu. »Ich bleibe bestimmt für immer, denn meine Mutti ist im Himmel und meine Omi auch. Mein Vati aber muss immerzu mit dem Flugzeug fliegen. Er hat nicht viel Zeit für mich. Deshalb gehe ich auch nicht fort.«

      »Hm, wir behalten dich gern.«

      »Glaubst du eigentlich, dass mein Vati mich überhaupt mag? Er war auf einmal da. Mutti sagte, ich sollte hingehen. Da wusste ich noch gar nicht, dass er mein Vati ist. Dann kam das Fest mit den vielen Blumen, und jetzt ist er mein Vati. Ob er mich lieb hat – so wie euer Vati euch?«, zweifelte sie besorgt.

      »Bestimmt hat er dich lieb. Ich habe ihn gesehen und verstehe mich auf die Leute. Er ist ein prima Kerl, sonst wäre er bestimmt nicht Flugkapitän.«

      »Das Fliegen ist mir ziemlich wurscht«, erklärte Lexi matt. »Mit so einem Flugzeug kann man nicht einmal in den Himmel fliegen – ich meine, in den richtigen Himmel, wo meine Mutti ist.«

      Die Kinderstimme schwankte verdächtig. Doch der Fünfzehnjährige verstand sich auf solche Fälle. Er warf einen letzten Blick auf das frisch gepflanzte Bäumchen im Märchenwald und hob die kleine Lexi dann auf seine Arme.

      »Komm, ich trage dich huckepack. Du sagst hüh und hott, und ich trabe zum Gutshaus zurück. Dort darfst du dann noch ein bisschen auf einem der Ponys reiten bis zum Abendbrot.«

      »Ja, Nick, das ist fein.« Schon war Lexi getröstet. Sie lachte und jauchzte, während Nick mit ihr durch den Wald trabte. Unterwegs trafen sie den alten Oberförster Bullinger, der sich eine Weile mit Nick unterhielt.

      »Warum nennt er dich junger Herr, Nick?«, wollte Lexi wissen, als sie weiterzogen.

      »Nun ja, der alte Justus sagt das auch. Es ist, weil Sophienlust eigentlich mir gehört. Aber du musst dir nichts daraus machen, denn ich kann nichts dafür und bilde mir auch nichts darauf ein.«

      »Ich dachte, Sophienlust gehört deiner Mutti.«

      »Nein, meine Urgroßmutter hat es mir hinterlassen. Aber es macht in unserer Familie keinen Unterschied. Alles gehört uns gemeinsam. Ich bin Mutti und Vati dankbar, dass sie bis jetzt das Kinderheim und das Gut so gewissenhaft für mich verwaltet haben und das auch weiterhin tun werden. Ich muss ja noch zur Schule gehen und dann zur Universität, bis ich einmal selbst Herr auf Sophienlust werden kann. Aber so alten Leuten wie dem Oberförster Bullinger oder dem früheren Verwalter Justus, denen kann man die Gebräuche von früher nicht abgewöhnen. Sie wären unglücklich, wenn sie bloß Nick zu mir sagen müssten. Deshalb lasse ich ihnen den kleinen Spaß.«

      »Soll ich auch junger Herr sagen?«

      »Bloß nicht! Die Kinder würden uns beide auslachen.«

      »Was ist eigentlich eine Urgroßmutter?«, erkundigte sich Lexi, als das Herrenhaus schon in Sicht kam.

      »Das ist die Mutter der Großmutter. Also, zum Beispiel die Mutti von deiner Omi im Himmel war deine Urgroßmutter.«

      »Aber die habe ich doch nie gesehen«, wunderte sich Lexi.

      »Ich meine Urgroßmutter auch nicht. Im Biedermeierzimmer hängt ihr Bild. Ich habe nicht einmal meinen richtigen Vati gekannt. Er starb, ehe ich geboren wurde.«

      »Ach so, und jetzt ist Onkel Alexander dein Vati. Es ist komisch, dass er genauso heißt wie mein Vati.«

      »Na ja, das kommt eben vor. So, jetzt wirst du mir zu schwer. Du bist ja schon ein großes Mädchen. Hol rasch deine Reithosen. Ich werde inzwischen das Pony satteln, Lexi.«

      Alexa schoss davon wie ein Pfeil. Wenig später saß sie stolz auf dem kleinen Pony, das Nick an der Leine führte.

      »Du stellst dich geschickt an. Bald kannst du ganz allein reiten«, lobte Nick seine neueste Schülerin.

      »Es macht Spaß, Nick«, sagte Lexi strahlend.

      »Natürlich macht es Spaß«, erklang jetzt eine fröhliche Stimme. Sie kam von Dr. Josefa Klinger, die eben von einem ausgedehnten Spaziergang zurückkehrte. »Du siehst auf dem Pferd aus wie eine Prinzessin, Lexi.«

      »Tante Josi, Nick sagt, dass ich es schon gut mache«, berichtete das Kind voller Stolz.

      »Stimmt das, Nick?«

      »Sie stellt sich besonders geschickt an. Vielleicht haben wir eine Nachwuchsreiterin für unsere Juniorenklasse vor uns.« Nick war ein Pferdenarr und ein begeisterter Reiter, der in Jugendturnieren schon manchen Preis nach Hause gebracht hatte. Gewiss gab er sich auch deshalb so besonders geduldig mit der fünfjährigen Alexa ab, weil er in ihr ein Reitertalent entdeckt zu haben glaubte.

      Die junge Ärztin lehnte sich an die Umzäunung des Reitplatzes und schaute zu, wie Nick mit Lexi die einzelnen Gangarten übte. Das Pony war brav und kannte die einzelnen Befehle recht gut. Trotzdem war nicht zu übersehen, dass Lexi fest und mit angeborenem Talent im Sattel saß.

      Josefa Klinger schaute über sich in den Himmel, wo einsam ein Flugzeug seine Bahn zog. Sie dachte an den Flugkapitän Alexander Rethy, der ihr eine Postkarte aus Los Angeles und eine andere aus Kairo geschickt hatte. Auch an Lexi waren Karten gekommen, aber immer hatten nur ein paar nichtssagende Worte darauf gestanden. Das Schreiben schien nicht seine starke Seite zu sein, und das tat der jungen Ärztin aus Gründen, die sie sich selbst nicht recht eingestehen mochte, von Herzen leid. Er

      hatte doch sicherlich Zeit zu einem Brief! Verdiente sie nicht ein bisschen mehr, als zwei armselige Ansichtskarten mit bunten fremden Marken, die ihr sofort von den Kindern abgehandelt wurden?

      Carola Rennert kam mit ihrem Zwillingswagen vorüber. »Wie geht’s, Josi?«, rief sie der Ärztin zu. »Bist du auch nicht zu weit gelaufen? Frau Dr. Frey sagte mir heute,