Elisabeth Swoboda

Sophienlust Staffel 14 – Familienroman


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Tisch, und das Haus war tadellos aufgeräumt. Aber Irene schien sich in einem Zustand ständiger geistiger Abwesenheit zu befinden.

      Otmar dachte, dass der Grund dafür Billie sei und sprach Irene daraufhin an: »Machst du dir Sorgen wegen Billie? Geht es ihm schlecht?«

      »Billie?« Irene schreckte aus ihrem Gedankengang auf. »Ach so, ja, Billie. Dem geht es gut.«

      Da sie ihn nicht ermuntert hatte, das Gespräch fortzusetzen, und das Thema Billie für ihn nur beschämend war, wagte er keine weiteren Fragen. Immerhin wusste er nun, dass es nicht der Hund war, der Irene so beschäftigte.

      Es war Otmar nicht entgangen, dass Irene die Nachmittage außer Haus verbrachte. Und zwar nicht im Garten, der deutliche Spuren von Vernachlässigung aufwies. Das Unkraut wucherte bereits zwischen den Rosen und sogar zwischen den Steinplatten des Weges. Das war ein Zustand, den Irene bisher nie geduldet hatte. Doch diesmal schien sie ihn gar nicht zu bemerken. Deshalb machte Otmar sich an einem Wochenende selbst an die Arbeit, während Irene in ihr Auto stieg und davonfuhr, ohne zu sagen, wohin.

      Die Verrichtung der Gartenarbeit ließ Otmar genügend Muße zum Nachdenken. Bisher war immer er derjenige gewesen, der Irene an den Samstagen und Sonntagen allein gelassen hatte. Sogar den Urlaub hatte er ohne sie verbracht, und ihre Klagen darüber waren ihm nur lästig gewesen. Jetzt begann er einzusehen, dass sie berechtigt gewesen waren. Er hatte Irene schlecht behandelt, nun ging sie ihrer eigenen Wege. Wenn er nur wüsste, wo sie sich aufhielt! Ihre Freundin Erika war in Urlaub gefahren. Bei ihr konnte Irene nicht sein. Aber mit wem war Irene beisammen?

      Da Otmar es von Anfang an mit der ehelichen Treue nicht allzu genau genommen hatte, gab es für ihn auf diese Frage nur eine Antwort: Irene hatte einen Mann kennengelernt. Zugleich wunderte er sich, mit welcher Erbitterung ihn dieser Gedanke erfüllte. Irene gehörte zu ihm, und zu niemandem sonst.

      Otmar warf die Grasschere, mit der er die wuchernden Graseinfassungen entlang den Blumenbeeten gestutzt hatte, fort und ging ins Haus. Das Glas Whisky, das er sich an der Hausbar eingoss, gewährte ihm nur geringen Trost. Es war ihm klar, er musste etwas unternehmen. So konnte es nicht weitergehen. Zuallererst musste er herausfinden, wo und mit wem Irene ihre freie Zeit verbrachte. Zu diesem Zweck würde er ihr am nächsten Tag heimlich nachfahren.

      Am Abend – Irene kam erst ziemlich spät heim – flammte beinahe ein Streit zwischen ihnen auf. Denn Otmar konnte es sich nicht verkneifen zu sagen: »In letzter Zeit bist du mehr unterwegs als zu Hause. Ein Glück, dass du keine Kinder hast. Sonst müsstest du deinen Unternehmungsgeist wohl etwas dämpfen.«

      Irene erwiderte gereizt: »Das soll wahrscheinlich wieder einmal ein versteckter Vorwurf sein. Aber wir wollen die Sache ein für alle Mal klarstellen: Meine Schuld ist es nicht, dass wir keine Kinder haben.«

      »Nein?«

      »Ich war oft genug beim Frauenarzt. Er hat mir jedes Mal erklärt, dass ich vollkommen gesund und bei mir alles in Ordnung sei.«

      Otmar gab darauf keine Antwort, sondern zuckte nur die Schultern.

      »An mir liegt es also nicht«, fuhr Irene fort. »Aber es muss doch nicht unbedingt die Frau diejenige sein … Ich meine, es gibt Fälle, wo der Mann …«

      »Willst du andeuten, dass ich an unserer Kinderlosigkeit schuld sei?«

      »Nun ja …«

      »Schlag dir das aus dem Kopf.«

      »Bitte, sei nicht gleich zornig. Ich will dich ja nicht beleidigen. Aber du warst doch noch nie beim Arzt. Ich meine, aus diesem Grund …«

      »Das ist nicht notwendig.«

      »Aber wie willst du wissen …« Irene konnte aus Verlegenheit nicht weitersprechen.

      »Soll ich dir einen Beweis dafür liefern, dass ich sehr wohl fähig bin … Ach, zum Kuckuck, lass dieses Thema fallen. Es führt zu nichts.«

      Otmar verließ schnell den Raum, noch bevor Irene weitere Einwände vorbringen konnte.

      *

      Irene ahnte nichts von Otmars Entschluss, ihr heimlich zu folgen. Sie hatte ihm noch nichts von Anselm und ihrer Hoffnung, den Jungen zu sich nehmen zu dürfen, erzählt. Sie hielt sich strikt an Denises Rat, nichts zu überstürzen. Solange Anselms Mutter nicht zurückgekehrt war, konnte keine Entscheidung getroffen werden.

      Es wäre Irene nie in den Sinn gekommen, dass Otmar sich dafür interessieren könnte, wohin sie fuhr. Deshalb achtete sie nicht auf die Autos, die hinter ihr fuhren, und wusste nicht, dass Otmar ihr folgte. Sie fuhr wie immer nach Sophienlust, um Anselm abzuholen und mit ihm zum Tierheim zu wandern.

      Die Fahrt dauerte nicht lange. Bei der Ortstafel von Wildmoos verringerte Irene ihr ohnedies nicht übermäßig schnelles Tempo. Als sie bei der hohen Hecke, die Sophienlust umgab, angelangt war, parkte sie ihren Wagen neben der Straße, stieg aus und ging zu Fuß weiter.

      Otmar hielt sein Auto ebenfalls an, fuhr dann im Rückwärtsgang ein Stück zurück und stellte den Wagen neben einigen Büschen ab. Dann schlich er Irene nach, wobei er sich dicht an die Hecke drückte. Doch dieses Manöver war vollkommen sinnlos, denn Irene drehte sich nicht um. Ohne die geringsten Anzeichen von Nervosität oder schlechtem Gewissen ging sie immer geradeaus, bis sie plötzlich aus seinem Blickfeld entschwand.

      Otmar beschleunigte seine Schritte und lief nun beinahe, bis auch er zu dem großen schmiedeeisernen Tor gelangte, hinter dem Irene verschwunden war. Nun sah er sie wieder. Sie ging unbeirrt die Auffahrt entlang, die zu einem großen weißen Herrenhaus führte, stieg die Freitreppe empor und betrat das Haus.

      Otmar zögerte. Bei dem Park und dem Haus handelte es sich zweifellos um einen Privatbesitz, den zu betreten er sich scheute. Er blieb eine Weile stehen und spähte vorsichtig durch das Gitterwerk des Tores. Von Irene konnte er keine Spur entdecken, dafür erblickte er eine Schar fröhlicher Kinder, die hinter einem riesigen, braunweiß gefleckten Bernhardiner herliefen und sich mit ihm auf dem Rasen balgten. Otmar beobachtete sie etwas sehnsüchtig bei ihrem Spiel. Es ging um einen kleinen roten Ball, dessen Besitzverhältnisse unklar zu sein schienen.

      »Komm, Barri, sei ein braver Hund und gib mir den Ball«, lockte eines der Kinder.

      »Nein, Barri, das ist mein Ball!«

      »Lauf nicht weg!«

      »Hierher, Barri, komm!«

      »Brav, Barri! Bist ein braver Hund!«

      »Nein, der Ball gehört mir!«

      »Lauf, Barri, lauf!«

      Als endlich eines der Kinder den Ball endgültig erobert hatte, war nicht mehr viel davon übrig.

      »Barri hat den Ball ganz zerrissen«, sagte ein trauriges Stimmchen.

      »Mach dir nichts daraus. Er war sowieso schon alt.«

      »Ja, und ganz weich. Er ist nicht mehr ordentlich gesprungen.«

      »Aber er war so schön rot.«

      »Du bekommst einen neuen. Der wird viel schöner sein.«

      Da Otmar fasziniert der Balgerei zugesehen hatte, war ihm Irenes Wiedererscheinen entgangen. Sie war schon fast beim Tor angelangt, als er sie bemerkte. Doch beim Anblick ihres Begleiters stockte ihm der Atem. In seiner Verbohrtheit war er fest überzeugt gewesen, dass sich Irene hier mit einem fremden Mann treffe. Doch das, was er jetzt sah, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Das ist doch nicht möglich!

      Irene und der Junge kamen, eifrig miteinander plaudernd, auf ihn zu. Noch hatten sie ihn nicht erblickt. Otmar kämpfte mit sich. Es drängte ihn, seinem ersten Impuls nachzugeben, davonzulaufen, heimzufahren und die Sache zu vergessen. Aber genau das konnte er eben nicht. Wenn er so handelte, war er schlicht und einfach ein gewissenloses Ungeheuer.

      Da sah Irene ihn. Sie blieb überrascht stehen. Doch es war Anselm, der ihn jeglicher weiterer Überlegung enthob.

      »Vati!«, rief der Junge. Er eilte auf Otmar zu und umschlang dessen Knie.

      »Aber