daß er jemals auf die Experimentalfarm zurückgekehrt ist. Ich glaube, er trieb sich lange zögernd um die Felder der Scholle von Hickleybrow umher; und als dann jenes Quietschen begann, wählte er die Linie des geringsten Widerstandes aus seinen Schwierigkeiten in das Unbekannte hinaus.
Und im Unbekannten, ob in dieser oder der anderen, unerforschten Welt, ist er bis auf den heutigen Tag hartnäckig und ganz unbestreitbar geblieben ...
Die Riesenratten
I
Zwei Nächte nach Mr. Skinners Verschwinden war der Doktor von Podbourne noch spät in der Nähe von Hankey in seiner Chaise unterwegs. Er war die ganze Nacht aufgewesen und hatte einem andern unbedeutenden Bürger in diese unsere seltsame Welt verholfen, und nach vollbrachter Pflicht fuhr er in ziemlich schläfriger Stimmung nach Hause. Es war etwa zwei Uhr morgens, und der abnehmende Mond ging auf. Die Sommernacht war kalt geworden, und es lag ein niedriger, weißlicher Dunst, der die Dinge undeutlich machte. Er war ganz allein – denn sein Kutscher lag krank im Bett – und an beiden Seiten war nichts zu sehen als ein fließendes Geheimnis von Hecken, die durch den gelben Schein seiner Lampen liefen, und nichts zu hören als das Getrappel seines Pferdes und das Knirschen seiner Räder mit dem Echo aus den Hecken. Sein Pferd war so zuverlässig wie er selber, und man wundert sich nicht, wenn er einnickte ...
Man kennt jenes intermittierende Einschlummern, wenn man so dasitzt, das Sinken des Kopfes, das Nicken zum Rhythmus der Räder, dann das Kinn auf die Brust, und mit einem Male das plötzliche Auffahren.
Klipp, klapp, klapp.
Was war das?
Dem Doktor war, als habe er ganz nah ein dünnes, schrilles Quietschen gehört. Einen Moment war er ganz wach. Er sagte ein paar Worte unverdienten Vorwurfs zu seinem Pferde und blickte sich um. Er versuchte sich zu überreden, daß er den fernen Schrei eines Fuchses gehört habe – oder vielleicht ein junges Kaninchen, das von einem Wiesel gefangen war.
Schsch, schsch, schsch, klipp, klapp, schsch – – ...
Was war das?
Er fühlte, seine Phantasie begann zu arbeiten. Er schüttelte die Schultern und sagte zu seinem Pferde, es solle vorwärts machen. Er lauschte und hörte nichts.
Oder war es nichts?
Er hatte einen wunderlichen Eindruck, als habe irgend etwas eben über die Hecke nach ihm gespäht, ein wunderlicher, großer Kopf. Mit runden Ohren! Er blickte scharf aus, aber er konnte nichts sehen.
»Unsinn,« sagte er.
Er setzte sich mit dem Gedanken auf, er sei von einem Alp befallen, gab seinem Pferd einen ganz leichten Schlag mit der Peitsche, sprach zu ihm und spähte wieder über die Hecke. Der Schein seiner Lampe aber machte die Dinge gemeinsam mit dem Nebel undeutlich, und er konnte nichts unterscheiden. Ihm kam in den Kopf, sagte er, es könne nichts dort sein, denn sonst hätte sein Pferd davor gescheut. Aber trotzdem blieben seine Sinne nervös wach.
Dann hörte er ganz deutlich ein weiches Fußtrappeln, das ihn auf der Straße verfolgte.
Das wollte er seinen Ohren nicht glauben. Er konnte sich nicht umblicken, denn der Weg machte gerade da gewundene Kurven. Er gab seinem Pferd einen Schlag und blickte wieder zur Seite. Und dann sah er, wo ein Strahl aus seiner Lampe über ein niedriges Stück Hecke sprang, ganz deutlich den gewölbten Rücken eines – eines großen Tieres – was für eines Tieres konnte er nicht sagen – das in raschen, krampfhaften Sprüngen dahineilte.
Er sagt, er habe an die alten Märchen von Hexerei gedacht – das Wesen war allen Tieren, die er kannte, so absolut unähnlich, und aus Furcht vor der Furcht seines Pferdes griff er die Zügel fester. Obgleich er ein gebildeter Mann war, gibt er zu, fragte er sich, ob dies etwas sein konnte, was sein Pferd nicht sah.
Voraus rückte in der Silhouette vor dem aufgehenden Mond der Umriß des kleinen Ortes Hankey näher, tröstlich, obgleich er kein einziges Licht zeigte, und er knallte mit der Peitsche und sprach noch einmal, und dann waren die Ratten in einem Blitz über ihm!
Er hatte ein Gatter passiert, und in dem Moment sprang die vorderste Ratte in den Weg herüber. Das Vieh sprang aus der Unbestimmtheit in die äußerste Helle auf ihn los; das scharfe, gierige, rundäugige Gesicht, der lange Rumpf, der durch seine Bewegung übertrieben wurde; und was ihm besonders auffiel, die rosigen vorderen Schwimmfüße der Bestie. Was ihm die Sache damals am grauenhaftesten gemacht haben muß, war, daß er keine Ahnung hatte, daß das Vieh eins von den Schöpfungstieren war, die er kannte. Wegen der Größe erkannte er es nicht als Ratte. Sein Pferd machte einen Satz, als das Vieh neben ihm auf den Weg sprang. Die kleine Gasse erwachte vom Knall der Peitsche und dem Rufen des Doktors zum Tumult. Die ganze Geschichte kam plötzlich in Bewegung.
Klipp, klapp, krach, klapp.
Der Doktor, scheint es, stand auf, rief seinem Pferd zu und peitschte es mit aller Kraft. Die Ratte wand sich und wich bei seinem Schlage höchst beruhigend aus – im Schein seiner Lampe konnte er sehen, wie sich der Pelz unter der Peitsche furchte – und er peitschte immer von neuem, ohne auf den zweiten Verfolger zu achten und ihn zu bemerken, der ihn auf der anderen Seite einholte.
Er ließ die Zügel fahren und blickte nach rückwärts, wo er hinter sich die dritte Ratte auf der Verfolgung entdeckte ...
Sein Pferd setzte vorwärts. Die Chaise sprang aus einem Gleise hoch. Eine wahnsinnige Minute vielleicht schien alles in Sprüngen und Sätzen zu gehen ...
Es war nichts als gutes Glück, daß das Pferd gerade in Hankey stürzte und weder bevor noch nachdem die Häuser passiert waren.
Niemand weiß, wie das Pferd stürzte, ob es stolperte, oder ob die Ratte rechts es wirklich mit einem ihrer reißenden Zahnhiebe von oben nach unten packte (sie führte sie mit dem vollen Gewicht ihres Körpers aus); und der Doktor entdeckte erst, daß er selber gebissen war, als er im Hause des Ziegelmachers stand; viel weniger noch entdeckte er, wann der Biß geschah, aber gebissen war er, und zwar arg – ein langer Riß, ähnlich dem Riß eines Doppeltomahawks, der ihm zwei parallele Fleischbänder aus der Schulter gerissen hatte.
Er stand einen Moment aufrecht in seiner Chaise, und im nächsten war er zu Boden gesprungen, und obgleich er es nicht wußte, hatte er sich die Knöchel arg verstaucht, und er hieb wütend auf eine dritte Ratte ein, die direkt auf ihn losschoß. Er entsinnt sich des Satzes kaum, mit dem er oben über das Rad gesprungen sein muß, als die Chaise sich überschlug, so verwirrend heiß und rasch stürzten die Eindrücke auf ihn ein. Ich selber glaube, das Pferd bäumte sich, als ihm die Ratte von neuem nach dem Halse biß, und es stürzte zur Seite und riß die ganze Sache mit; und der Doktor sprang gleichsam instinktiv. Als die Chaise stürzte, explodierte das Bassin der Lampe und goß plötzlich einen Leuchtschein brennenden Öls, einen Strahl weißer Flammen in den Kampf hinein.
Das war das erste, was der Ziegelarbeiter sah.
Er hatte das Getrappel gehört, als der Doktor heranfuhr, und – obgleich des Doktors Erinnerung davon nichts weiß – sein wildes Schreien. Er war hastig aus dem Bett gesprungen, und als er das tat, kam der furchtbare Krach, und außerhalb der sich hebenden Jalousie schoß der Schein auf. »Es war heller als bei Tage,« sagte er. Er stand da, mit der Jalousieschnur in der Hand und starrte zum Fenster hinaus auf eine Alpverwandlung der vertrauten Straße vor ihm. Die schwarze Gestalt des Doktors mit seiner wirbelnden Peitsche tanzte vor den Flammen umher. Das Pferd schlug undeutlich aus, halb von der Flamme verborgen, eine Ratte am Hals. Im Dunkel vor der Kirchhofmauer leuchteten die Augen eines zweiten Ungeheuers. Ein drittes – eine bloße furchtbare schwarze Masse mit rot erleuchteten Augen und fleischfarbenen Händen – klammerte sich unstet auf der Mauer fest, auf die es beim Blitz der explodierenden Lampe gesprungen war.
Man kennt das spitze Gesicht einer Ratte, jene beiden scharfen Zähne, jene erbarmungslosen Augen. Vergrößert gesehen um nahezu sechsmal seine Lineardimensionen, und noch mehr vergrößert durch das Dunkel und den Schrecken und die springenden Launen einer hüpfenden Flamme, muß es für den Ziegelarbeiter – der noch mehr als halb