Macht spricht, dann spricht er nie in Worten, die die Welt versteht – doch er spricht unbestreitbar in Worten der Wahrheit. Die selige Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, genießt auf der ganzen Welt und bei Millionen Menschen eine große Verehrung, und zu ihren Ehren sind mehr Bauwerke, Statuen und andere Kunstwerke geschaffen worden als zu Ehren irgendeines anderen Menschen gleich welcher Epoche (mit Ausnahme ihres Sohnes natürlich, der ihrem Dasein ja überhaupt erst diese Bedeutung verleiht).
In krassem Gegensatz zum Geld, zur Macht und zum Ruhm der Welt – flüchtigen, rasch wieder vergessenen und gelöschten Augenblicken – verkörpert und erhellt Unsere Liebe Frau wahrhaftig und für alle Zeiten Gottes ewige Macht. Sie lebt als tägliche Erinnerung, als täglicher Hinweis darauf, dass ihr Sohn Jesus stets derselbe bleibt. Er ist das »Licht der Welt« in einer Welt, die ihre klare Sicht verloren hat. An diese ewige Wahrheit wurde ich erinnert, als ich aus Zufall – oder Fügung – am Grab Jesu in Jerusalem meine Freundin Immaculée Ilibagiza traf und wir den Tag damit verbrachten, gemeinsam auf den Spuren Christi zu wandeln.
In Die Erscheinungen von Kibeho spricht Immaculée die einzige Sprache, die sie beherrscht: die der vollkommenen Aufrichtigkeit. In ihrer offenen und ehrlichen Art, die schon so viele Leser kennen- und schätzen gelernt haben, schreibt Immaculée einmal mehr einen wunderbaren, wahrheitsgemäßen und liebevollen Bericht über die Erscheinungen der Jungfrau Maria im Dorf Kibeho, die 1981 begannen.
Wenn man die verschiedenen Aussagen der Seherinnen und Seher liest, wird man – genau wie Immaculée – unweigerlich in die grenzenlose Liebe hineingezogen, die Unsere Liebe Frau für uns alle und für jeden und jede von uns empfindet. Immaculées intensiver und persönlicher Weg mit Maria, der Muttergottes, den sie vor, während und nach dem Völkermord in Ruanda zurückgelegt hat, hat in ihrer Seele einen wahrhaft unauslöschlichen Eindruck der Liebe zur Jungfrau Maria und zum Geschenk des Rosenkranzes hinterlassen. Mögen die Worte, die Sie erwarten, auch Sie durch das überirdische Licht seiner heiligsten Mutter mit Gottes Frieden, Vergebung und bedingungsloser Liebe beschenken!
Jim Caviezel
(Jesus-Christus-Darsteller im Film Die Passion Christi)
Einleitung
Zeig uns ein Wunder
»Zeig uns ein Wunder! Mach, dass wir glauben!«
Tausende flehender Stimmen drangen aus dem knisternden Lautsprecher des Kassettenrekorders, den unser Priester, Pater Apollinaire Rwagema, mitgebracht hatte.
Pater Rwagema hatte alle Kinder aus dem Dorf am Mittwoch nach der wöchentlichen Schulmesse in die kleine Kapelle eingeladen. Er hatte uns erzählt, er hätte eine große Überraschung für uns, und über zweihundert Kinder waren gekommen und erwarteten irgendetwas Aufregendes. Und wir sollten nicht enttäuscht werden.
Wir lauschten jedem Schrei und jedem Jubelruf. Einige von uns waren fasziniert von dem, was die Stimmen auf der Kassette sagten, andere starrten wie gebannt auf den Rekorder, der in der Mitte des kleinen Raumes auf einem Holztisch stand: So etwas hatten wir noch nie zuvor gesehen. Wir standen im Halbkreis um den Tisch herum und sahen zu, wie Pater Rwagema mit der rechten Hand die Pausen- und Abspieltaste bediente, während die Gesten seiner linken Hand das Gehörte unterstrichen. Er sah aus wie ein Orchesterdirigent.
»Hört jetzt genau hin, Kinder«, sagte er und wies auf das Gerät.
»Wir wollen ein Wunder sehen!«, riefen die Stimmen wieder und wieder. Wir alle waren begierig zu erfahren, was es mit dieser seltsamen Forderung der Menge auf sich haben mochte, doch niemand hätte gespannter sein können als ich.
Pater Rwagema schaltete den Rekorder aus; jetzt hatte er unsere ungeteilte Aufmerksamkeit und somit die besten Voraussetzungen für seinen nachfolgenden Bericht.
»Was ihr hier hört, sind die Stimmen von fünfzehntausend Menschen, manche davon aus unserem Dorf hier, die sich vor einer Holzbühne drängen und den Auftritt eines jungen Mannes verlangen. Schon seit einer Stunde warten sie darauf, ihn sprechen zu hören, doch in Wirklichkeit sind sie nicht daran interessiert, was er sagen wird – sie sind gekommen, um Jesus zu hören!« Pater Rwagema sprach mit dem Feuer eines leidenschaftlichen Predigers, denn genau das war er.
Er schaltete den Kassettenrekorder wieder ein, und die jubelnde Menge rief noch einmal nach einem Wunder, ehe sie plötzlich vollkommen still wurde. Das Einzige, was wir jetzt noch hörten, war das Surren der Kassette, die sich in dem Apparat drehte.
Dann begann ein junger Mann mit sanfter, ehrfürchtiger Stimme zu sprechen. »Ja, Herr, ich habe es ihnen schon so oft gesagt«, sagte er. »Nein, Herr, sie hören nicht zu … sie sagen mir immer wieder, dass sie ein Wunder wollen. Sie werden nicht glauben, dass Du zu mir sprichst, Jesus … nicht, solange sie nicht ein Wunder oder ein Zeichen sehen.« Er legte eine Pause ein, als wartete er auf Antwort, und sprach dann weiter: »Ja, ich werde ihnen sagen, was Du gesagt hast …«
Ehe der junge Mann seinen Satz vollenden konnte, brach aus dem Kassettenrekorder ein so gewaltiger Donner hervor, dass der kleine Tisch erzitterte. Der ganze Raum war mit derselben knisternden Elektrizität aufgeladen, die ich immer spürte, wenn ich mich von meinen Brüdern dazu überreden ließ, meine Zunge an die Batterie eines Transistorradios zu halten.
Jedes Kind im Raum war von dem Donner, der aus dem Lautsprecher des Rekorders dröhnte, aber auch von Pater Rwagemas Gesichtsausdruck wie gebannt. Seine Augen leuchteten vor Inbrunst; er schaute zur Decke hinauf, als könnte er durch sie hindurch und direkt in den Himmel sehen.
Ein zweiter heftiger Donnerschlag ertönte aus dem Gerät und erschreckte die kleineren Kinder, die zu weinen begannen.
»Das ist Gottes Stimme!«, verkündete Pater Rwagema. »Dieser Donner ist unser Herr Jesus Christus, der direkt zu uns spricht, hier in Ruanda! Fünfzehntausend Menschen – viele eurer Freunde, Nachbarn und Eltern – waren mit mir zusammen dort und haben dieses wunderbare Ereignis mit angesehen. Es war ein klarer, sonniger Tag, doch der Donner grollte vom Himmel wie ein Hammer. Hört gut zu, Kinder, denn ich habe jede Sekunde aufgenommen, um sie mit euch zu teilen … hört diesen Donner!
Diese vielen Tausend Menschen wollten einen Beweis, und als Gott ihnen diesen Beweis gab, gerieten sie in Angst und Schrecken. Viele liefen weg, einige wurden ohnmächtig und andere stürzten zu Boden und hielten sich die Ohren zu oder fielen auf die Knie und bekreuzigten sich. Es war ein Wunder!«
Der Donner endete genauso plötzlich, wie er angefangen hatte. Einen kurzen Moment lang herrschte wieder Stille auf dem Band, ehe die Menge in Angstschreie und Jubelrufe ausbrach: »Lob sei Dir, Jesus!« Doch als der junge Mann das Wort ergriff, wurden sie sofort wieder still.
»Jesus sagt, dass ihr keine Angst haben müsst, denn er würde seinen Kindern niemals ein Leid zufügen«, erklärte er der Menge. »Niemand hier ist verletzt worden, schwangere Frauen müssen sich nicht um ihre Kinder sorgen, und auch die mit einem schwachen Herzen werden keinen Schaden nehmen … Ja, Herr, ich werde es ihnen sagen … Jesus sagt mir, dass er euch den Donner geschickt hat, damit ihr auf seine Botschaften hört und nicht um Wunder bittet, die ohne Bedeutung sind.«
»Hört euch diesen Mann an, Kinder«, drängte uns Pater Rwagema. »Er heißt Segatashya, und ich bin ihm letzte Woche begegnet, nachdem er mit Jesus gesprochen hatte. Er ist der letzte der Seher, die Gott erwählt hat, damit die Jungfrau Maria und ihr Sohn durch sie zu uns sprechen. Mag sein, dass ihr Segatashyas Stimme hört, doch seine Worte kommen direkt von Jesus.«
»Unser Herr sagt, wir sollen nicht um Wunder bitten«, fuhr Segatashya auf der Kassette fort, »weil eure Leben Wunder sind. Ein Kind im Mutterleib ist