Franz Hessel

Schöne Berlinerinnen


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er sah die aufgeklebten Stoffblumen an!) – die erinnern an die niedlichen Vorlagen in dem Stickmusterkästchen meiner kleinen Schwester.«

      Und schmunzelnd trank er ihr zu.

      Aus dieser Begegnung wurde eine rechtschaffene Liebesgeschichte zwischen Lisbeth-Nephertete und dem jungen Schlanken, der dem Rolf so ähnlich sah. Aber in Weinstuben gingen die beiden nicht mehr. Denn Rolf II war nicht reich. Er hatte das Studium aufgeben müssen und schrieb Zahlen in einer Bankfiliale. Sie, die selbständige verantwortliche Sekretärin des Chefs der Betongesellschaft m. b. H. war reicher als er, und manchmal brachte sie ihm Zigaretten mit. Und ihre Stelldicheine waren nicht Cafés oder Tanztees, sondern die alte Normaluhr am Potsdamer Platz, die schon so viele Liebende einander finden oder eins das andere vermissen gesehen hat, oder die brave Sphinx auf der Herkulesbrücke überm Kanal oder der bärtige Spielplatzapollo im Tiergarten oder die vier bruchsteinernen Vorgartenmusen der Magdeburger Straße. Am Ufer gingen sie spazieren und am Neuen See, zur Schleuse, zum Rosengarten, nie weiter fort, denn Rolf II liebte nur den alten Westen und den alten Stadtpark. Von ihren Spaziergängen kamen sie dann mit Tütenabendbrot in sein Studentenzimmer, wo viele schöne Bücher herumlagen und – standen, und darin waren Bilder von der Nephertete und anderen fernen Frauen, mit denen dann die neumärkische Lisbeth verglichen und bewundert wurde.

      Ja, es war eine rechtschaffene Liebe ohne Bedingungen und Versprechungen. Und als Rolf II mitteilte, er müsse demnächst weg von Berlin, weil der Freund mit den vielen Beziehungen einen besseren Bankposten in Hamburg für ihn gefunden habe, nahm man das eben hin und beschloss, die letzte Woche noch recht glücklich zu sein. Man war doch verständig und auf niemanden angewiesen, und wenn man auch bei den Eltern wohnte, sein eigner Herr und gar nicht sentimental, auch jung noch, und später würde man sich schon einmal wiedersehen; aber nur keine Treue schwören! Immer nur das bisschen Leben genießen und seine Arbeit tun, wie sich’s für eine vernünftige kleine Berlinerin gehört.

      An Rolfs des Zweiten letztem Abend wollte sein Freund, der freundliche Dicke, teilhaben. Schade, dass man nicht zu zweit bleiben konnte. Immerhin wurde man von dem Freunde zu einem »schönen« Essen eingeladen und in den Lunapark geführt, den Lisbeth doch noch gar nicht kannte.

      Kletterbahn und Eisernes Meer waren lustig und so, dass man sich rühren und aufpassen musste, nicht seinen Gedanken nachhängen konnte. Und der dicke Freund hatte eine drollige Art, den wandernden Verkäufer nachzumachen, der mit großstädtischer Nüchternheit immer wieder »Schokolade, Keks, Nussstangen!« ausrief. Aber das Hübscheste war vielleicht der rote Kinderballon, den Lisbeth geschenkt bekam und an seiner Strippe flattern ließ, als sie dann auf der hinteren Plattform der Straßenbahn standen und zum Lehrter Bahnhof fuhren. Und vielleicht war es wieder gut, dass der Freund als Dritter mitkam und man nicht zuletzt miteinander allein war. Man will doch nicht weinen beim Abschied. Man will sich zusammennehmen, will lustig miteinander sein in diesen sowieso traurigen Zeiten.

      Lange hielten Rolf II und Lisbeth-Nephertete sich an der Hand, und sie sah ägyptischer aus als je zuvor. Der Zug ruckte ein paarmal, ohne abzufahren.

      »Ja, nun muss ich fort«, sagte er. Und sie, indem sie lächelnd seine Stimme von damals nachmachte: »Muss das sein?« Und er, wie damals sie: »Es ist doch schon …«

      Da glitt der Zug weich vor ihren Händen weg. Lisbeths Ballon flatterte, ihr Tüchlein wehte, und sie lächelte tapfer und ergeben Rolf dem Zweiten nach.

      Sanft nahm der Dicke sie dann am Arm und geleitete sie sorgsam die Bahnhofstreppe hinunter. Um sie zu zerstreuen, machte er wieder »Schokolade, Keks, Nussstangen!« nach. Lisbeth-Nephertete lachte.

      »Nun sollten wir eigentlich noch in den Ausstellungspark gehen«, sagte der Dicke, »um unsere Sorgen zu vergessen und weil wir gerade dicht dabei sind.«

      Im ersten Augenblick erschrak sie. Aber dann erinnerte sie sich, dass sie eine selbständige kleine Berlinerin war, verständig und auf niemanden angewiesen, ihr eigener Herr und gar nicht sentimental, und dass es keinen Sinn hat, in diesen so schon traurigen Zeiten sein Kopfkissen nass zu weinen, weil ein Liebster fortreist, und dass man sein Leben genießen muss und seine Arbeit tun.

      »Schokolade, Keks, Nussstangen!«, wiederholte der Dicke, und man ging in den Ausstellungspark.

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