etwas dazulernen.«
Das altehrwürdige Haus hatte es in sich!
May Purgess staunte nicht schlecht, wie groß und gut ausgebaut die Souterrainräume waren. Aber sie wußte nicht alles und bekam auch die eigentlichen Geheimnisse nicht gezeigt. Unter diesen Räumen erst befanden sich die eigentlichen Kellerräume, die man nur über einen geheimen Zugang erreichte. Im Mittelalter hatte sich hier, wo das Haus jetzt stand, mal eine Abtei befunden. Entsprechend waren die gewaltigen Gewölbe.
May Purgess sah diese Kellerräume nicht, doch sie fuhr auch so entsetzt zurück, als Parker eine Tür öffnete und Licht einschaltete.
Eine magische Beleuchtung glomm auf, die den Raum in unheimliches Licht tauchte. An einer Wand standen Terrarien, die indirekt beleuchtet wurden. In diesen Terrarien krochen Schlangen, giftig und bunt schillernd, ekelerregend und aggressiv zugleich.
Das Zischeln war deutlich zu hören.
Zu May Purgess’ Entsetzen schickten sich zwei meterlange Reptilien gerade an, über den Rand eines Terrariums zu kriechen.
»Was halten Sie von diesem Schreckenskabinett?« erkundigte sich Lady Simpson freundlich. »Keine Sorge, meine Liebe, diese Viecher sind relativ harmlos, wenn man sie nur richtig behandelt.«
Während sie redete, ging sie auf das bewußte Terrarium zu und griff wie selbstverständlich nach einer Schlange.
May Purgess stieß einen Angstschrei aus und wollte den kleinen Keller fluchtartig verlassen.
*
Der Vampir war zu sich gekommen, rieb den Hinterkopf und brauchte einige Sekunden, bis seine Erinnerung wieder intakt war. Er schaute sich nervös um, entdeckte die Terrarien und zog instinktiv seine Beine an. Dann schob er sich gegen die Wand und stierte auf das wogende Gewimmel in den großen Glasbehältern. Der Vampir sah die beiden überlangen Schlangen, die aus dem Terrarium krochen und stieß einen äußerst grellen Schrei aus. Er kroch zur Tür, richtete sich hier auf, lehnte gegen das Türblatt und hämmerte mit beiden Fäusten verzweifelt gegen das Holz.
»Rauslassen«, schrie er entsetzt. »Laßt mich raus! Hört mich denn keiner? Ich will raus! Hilfe! Hilfe!«
Hinter der Tür rührte sich nichts.
Der Vampir schielte hinüber zu den Terrarien, speziell zu den beiden überlangen Vipern, die sich immer weiter und ausgesprochen zielstrebig aus dem Terrarium schlängelten. Erst jetzt merkte der Vampir, wie stickig heiß es im Keller war, wie sehr es nach abgestandenem, warmen Wasser und nach verfaultem Fleisch roch. Eine Schlangengrube konnte nicht unheimlicher und angsteinflößender sein.
»Hilfe!« brüllte der Vampir und war nur noch ein Häufchen Elend, hämmerte gegen die Tür und schwitzte Blut und Wasser.
»Was kann ich bitte für Sie tun?« hörte er dann zu seiner grenzenlosen Erleichterung eine höfliche Stimme. Eine kleine Klappe in der soliden Tür hatte sich geöffnet, ein Teil von Parkers Gesicht war zu sehen.
»Die Schlangen«, keuchte der Vampir, »sie brechen aus. Lassen Sie mich raus, bitte!«
»Das würde meine Kompetenzen überschreiten«, antwortete der Butler bedauernd. »Mylady hat strikte Anweisung gegeben, Sie in diesem Raum zu belassen.«
»Aber warum denn?« heulte der Vampir.
»Mylady sind, im Vertrauen gesagt, ein wenig rachsüchtig«, erklärte Josuah Parker. »Mylady kann nicht so leicht vergessen, daß sie im Korridor des Filmateliers erschreckt wurde.«
»Aber das bin ich doch überhaupt nicht gewesen! Mein Ehrenwort, das war ich nicht! Lassen Sie mich endlich raus, bitte! Die Biester sind frei.«
»Sie waren nicht der Vampir, der Mylady erschreckt hat?« wunderte sich Parker sichtlich. »Darf ich auf die Requisiten verweisen, die sich in Ihren Taschen fanden?«
»Ich war es nicht!«
»Dann müssen Sie aber identisch sein mit jenem Vampir, der Miß Purgess’ Wohnung einen Besuch abstattete, nicht wahr?«
»Das bin ich gewesen!« Der junge Mann nickte heftig.
»Sie wollten Miß Purgess ermorden?«
»Niemals! Ich sollte sie ja nur erschrecken.«
»In wessen Auftrag?«
»Die Schlangen«, erinnerte der junge Vampir und schielte nach den beiden Reptilien, die sich immer weiter aus dem Terrarium herausschoben.
»Die Wahrheit«, erinnerte Josuah Parker höflich.
»Ich kenne unseren Auftraggeber überhaupt nicht«, keuchte der ängstliche Vampir, der sich vor Schlangen fürchtete. »Wir haben die Aufträge immer postlagernd abgeholt.«
»Wer außer Ihnen betätigt sich noch als Vampir?« stellte der Butler seine nächste Frage.
»Zwei Freunde«, gestand der Vampir und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, wobei er wieder nach den beiden armdicken Schlangen schielte.
»Die Namen, wenn Sie so freundlich sein wollen …«
»Les Witman und Peter Lormers.«
»Vergessen Sie Ihren Namen nicht, falls sich das einrichten läßt!«
»Ich heiße Paul Stream«, gestand der Vampir.
»Und wer von Ihnen ermordete nun den Schauspieler Rob Penwood?«
»Keiner von uns, Ehrenwort, Sir! So was würden wir nie machen! Wir sind ja selbst überrascht, daß es überhaupt zu einem Mord gekommen ist. Das war nämlich nicht ausgemacht.«
»Und wer beging den Fehler, Lady Simpson zu erschrecken?«
»Das ist Les Witman gewesen. Auch er wollte sie nicht morden, so glauben Sie mir doch!«
»Ich fürchte, ich werde mich schelten lassen müssen«, sagte Josuah Parker, »aber ich werde dieses Risiko auf mich nehmen. Ich denke, ich werde Sie herauslassen. Wenn Sie sich einen Moment gedulden wollen.«
Der junge Vampir brach fast zusammen, als sich die Tür öffnete. Er drängte nach draußen, zitterte am ganzen Leib und atmete erst auf, als die Tür sich wieder schloß.
»Wenn Sie es wünschen, werde ich Ihnen eine kleine Erfrischung anbieten«, sagte Parker. »Mylady ist im Augenblick nicht anwesend. Sie sollten mir jetzt Ihre Geschichte erzählen, die sicher recht aufschlußreich sein wird.«
Der Vampir hatte sich überraschend schnell von seinem Schock erholt und wollte dem Butler an den Kragen. Es zeigte sich, daß der Vampir ein erstklassig durchtrainierter Sportler war, was der Butler aber bereits im vorhinein vermutet hatte.
Der Vampir schlug mit aller Kraft zu und landete seine Rechte in Höhe von Parkers Magen.
Daraufhin stöhnte der Angreifer beeindruckt auf und starrte in einer Mischung aus Verblüfftsein und rasendem Schmerz auf seine leicht deformierten Fingerknöchel, während der Butler überhaupt keine Reaktion zeigte.
Josuah Parker hatte den harten, fast grausamen Schlag wie selbstverständlich hingenommen, was aber wohl in erster Linie mit der gebogenen Stahlplatte zusammenhing, die sich unter seiner Weste befand. Sie hatte die Wucht des Schlages völlig abgebremst und die Fingerknöchel des Vampirs in echte Verlegenheit gebracht.
»Neben der angebotenen Erfrischung kann ich auch mit einer gut sortierten Hausapotheke dienen«, sagte der Butler gemessen. »Wenn Sie mir jetzt bitte folgen wollen!«
*
Wie Vampire sahen sie nicht aus.
Sie wirkten eingeschüchtert und duckten sich unter dem strengen Blick der resoluten Dame. Die beiden jungen Männer namens Les Witman und Peter Lormers befanden sich seit einer Viertelstunde in der Stadtwohnung von Lady Simpson. Sie waren sofort gekommen, nachdem sie von ihrem Freund Paul Stream angerufen worden waren.
»Wenn es gestattet ist, fasse ich die Tatsachen noch mal zusammen«, sagte Josuah Parker.