(Antonovsky 1988, 1993)
Antonovsky hat sein Konzept des Kohärenzgefühls auf Basis seiner Forschung zu den Folgen des Holocaust entwickelt. Das Koheränzgefühl ist eigentlich mehr als eine Metaressource. Man könnte es als eine übergeordnete Zusammenfassung einer ganzen Reihe von Copingstrategien und Ressourcen und somit als einen Überbegriff der Salutogeneseforschung verstehen. Dementsprechend definierte Antonovsky den Kohärenzsinn als eine generelle Lebenseinstellung (1993).
Das Kohärenzgefühl besteht in einer »Grundorientierung, die das Ausmaß eines umfassenden, dauerhaften und gleichzeitig dynamischen Gefühls des Vertrauens ausdrückt, sodass
• die Stimuli aus der äußeren und inneren Umgebung des Lebens strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind,
• die Ressourcen verfügbar sind, um den durch die Stimuli gestellten Anforderungen gerecht zu werden,
• diese Anforderungen Herausforderungen sind, die ein inneres und äußeres Engagement lohnen (Antonovsky 1993, S. 127)«.
Es wird damit eine Einstellung beschrieben, die drei Komponenten umfasst: Die Vorhersehbarkeit (comprehensibility), die Handhabbarkeit (manageability) und die Sinnhaftigkeit (meaningfulness) der Welt.
Verstehbarkeit und Vorhersehbarkeit (comprehensibility) resultieren aus unserer jeweils subjektiven Bewertung und Probleminterpretation. Die Fähigkeit, das Problem sachlich zu analysieren und zu definieren und eine klare Vorstellung der Krise zu erarbeiten, führt dazu, dass eine Belastung nicht als zufällig und willkürlich interpretiert werden muss. Dies schafft die Basis für eine konstruktive Bewältigung.
Handhabbarkeit (manageability) heißt Vertrauen zu haben, dass ein Problem lösbar ist und die Möglichkeiten zu seiner Bewältigung zur Verfügung stehen. Dies hängt einerseits von den Fähigkeiten und Ressourcen und andererseits von der Unterstützung durch das soziale Umfeld ab.
Sinnhaftigkeit oder Bedeutsamkeit (meaningfulness) sieht Antonovsky als die wesentlichste Komponente an. Im Gegensatz zu den kognitiven Komponenten geht es darum, der Krise einen tieferliegenden emotionalen Sinn zu geben. Sinnhaftigkeit beschreibt das Grundgefühl, dass das Leben auch in schwierigen Phasen lebenswert ist, bzw. die Einstellung, dass Schwierigkeiten selbstverständlich zu unserer Existenz gehören und Herausforderungen darstellen, die bewältigbar sind und die Möglichkeit zur Reifung bieten.
Natürlich sind Belastungen, wie z. B. Verlust oder Krankheit oft nicht vorhersehbar. Entscheidend ist, wie es gelingt, mit den Belastungen umzugehen und wie weit sich das Kohärenzgefühl auch in nicht vorhersehbaren Situationen aufrechterhalten oder rasch wiederherstellen lässt. Dies hängt davon ab, wie weit es Teil der Identität ist und damit Kontinuität im Leben hat.
Abb. 2.4: Eigenschaften des Kohärenzsinns
Abschließend sei auf den vom französischen Philosophen Michel Foucault (1986) geprägten Begriff »Le Souci de Soi« zu übersetzen mit »Die Sorge um sich« hingewiesen. Er bezeichnet damit die Haltung und das Verhalten eines Menschen, der versucht, das eigene Leben zu gestalten, um ihm eine unverwechselbare eigene ästhetische Form zu geben. Dazu ist es notwendig, die eigene Existenz als Prozess zu begreifen und immer wieder die Perspektive zu wechseln. Man nimmt eine Haltung der Achtsamkeit der eigenen Person gegenüber ein und gestaltet und entwickelt beständig einen eigenen Lebensstil. Dies scheint mir eine Einstellung zu sein, die es ermöglicht auch mit den gefährlichen Strömungen des Lebensflusses fertig zu werden.
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