Lächeln die Hand hin. »So trifft man sich also fern der Heimat.«
»Ja, das ist allerdings ein Zufall!« Astrid lächelte ein wenig gezwungen, denn nun drehte sich auch Christinas Begleiter um, der ihnen den Rücken zugewandt hatte. Und Guido Brambecks Miene zeigte zunächst Verblüffung, dann Verlegenheit, als er sie erkannte.
»Und da ist ja auch das Töchterchen. Guten Tag, Conny!« Christine tätschelte ihre Wange. »Sind Sie schon lange da?«
»Ein paar Tage erst. Und Sie?«
»Wir sind auch erst eine Woche hier. Sie erlauben doch, daß wir uns zusammensetzen?« Ohne Astrids Antwort abzuwarten, die wohl auch kaum hätte ablehnen können, wandte sie sich zu ihrem Mann um. »Guido, Schatz, komm doch bitte her, laß uns bei Frau Hollmann Platz nehmen!«
Das Zucken um seine Mundwinkel verriet, wie ungern er ihrem Wunsch nachkam, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, wenn Christina nicht stutzig werden sollte.
»Das ist mein Mann, und das ist Frau Hollmann nebst Töchterchen Conny. Du erinnerst dich wohl, Frau Hollmann ist für meine Frisuren zuständig«, stellte diese vor. Wie hätte sie ahnen können, wie gut diese beiden Menschen einander einmal gekannt hatten.
»Guten Tag!« Astrid sagte es höflich-freundlich und scheinbar ganz gelassen, obwohl sie innerlich flatterte. Nicht, weil sie die Begegnung mit Guido so durcheinanderbrachte, sondern weil ihr das Verrückte dieser Situation bewußt war.
Und es war das erste Mal, daß Guido seine Tochter sah!
»Guten Tag, Frau Hollmann, es freut mich, Sie kennenzulernen«, murmelte Guido steif. Wie gut sie aussieht! Das war sein erster Gedanke. Aus dem zwar hübschen, aber etwas biederen Mädchen von damals war eine attraktive, elegante junge Frau geworden, deren Haltung in diesem Augenblick bewundernswert war! In ihrem schicken Ensemble sah sie eleganter aus als Christina, die immer so leuchtende Farben bevorzugte und sich selten nach seinem Geschmack zu kleiden pflegte. Während sie außer den Ohrringen und einem Elfenbeinreif am Arm keinerlei Schmuck trug, hatte Christina sich wieder förmlich damit behängt. Wie immer war sie auch stark geschminkt, während Astrid noch nicht einmal, den Lippenstift benutzt hatte.
Dann sah er das kleine Mädchen an, und es durchzuckte ihn förmlich. Wenn er je auch nur den geringsten Zweifel gehabt hätte, sie könne vielleicht doch nicht seine Tochter sein, in diesem Augenblick hätte er ihn aufgegeben. Sie war eine Brambeck, nicht nur wegen der dunklen Haare, die sie zweifellos von ihm hatte, sondern auch was den ganzen Gesichtsschnitt betraf. Unter dem forschenden Kinderblick wurde Guido ganz sonderbar zumute, als er ihr die Hand hinstreckte.
»Du bist also die Conny?« fragte er, um überhaupt etwas zu sagen.
»Richtig heiße ich Constanze«, erklärte die Kleine.
»Ein schöner Name«, murmelte er und ließ sich nun auch nieder. Ihm wurde jetzt bewußt, was für eine seltsame Situation es war.
»Sie ist goldig, nicht?« lächelte Christina. Ein wehmütiger Zug flog über ihr Gesicht, denn sie dachte, daß das kleine Mädchen eigentlich so aussah, wie sie sich ein Kind von Guido selbst immer vorgestellt hatte. Schon als sie Conny zum ersten Male gesehen hatte, hatte sie das denken müssen, doch beide Male war es ihr ganz ohne Arg durch den Kopf geschossen.
»Bitte nicht«, bat Astrid, »es tut Kindern nicht gut, das zu hören. Wenn ich eines nicht mag, dann sind es Kinder, die schon in dem Alter so eingebildete kleine Fratzen sind.«
»Findet ihr meine neuen Hosen und die Bluse auch schön?« fragte Conny kokett, aber es war offensichtlich, daß sie die Bemerkung mehr auf die neuen Sachen bezog.
»Bildschön, richtig fesch schaust du aus«, nickte Christina.
»Die hat mir meine Mami gerade gekauft«, berichtete Conny wichtig, »und da in der Tasche ist ein Kleid für Mami, soll ich es euch auch mal zeigen?« Sie rutschte von ihrem Stühlchen und machte Anstalten, die Tragetasche zu öffnen.
»Aber Schatz, das interessiert doch niemanden!« Hastig nahm Astrid sie ihr fort und hängte sie an die Lehne ihres Stuhls.
Christina lachte amüsiert. »Also, was Unbefangenheit und Natürlichkeit anbelangt, so brauchen Sie sich wegen ihrer Tochter keine Sorgen zu machen.«
Conny, die neben Guido saß, war stehengeblieben und betrachtete die Armbanduhr, die er trug.
»So eine hat Onkel Michael auch«, stellte sie fest.
»So?« Es klang ein wenig verwundert, denn es war eine ziemlich kostbare Uhr. »Und wer ist Onkel Michael?« konnte er sich nicht enthalten zu fragen.
»Das ist mein neuer Freund«, erklärte Conny wenig aufschlußreich.
»Was, ein kleiner Junge trägt schon solch eine Uhr?« staunte er, wohl
wissend, daß das wohl kaum möglich war.
Conny lachte. Niedliche Grübchen bildeten sich in ihren Wangen.
»Michael ist doch kein Junge, sondern ein großer Mann wie du. Wie Sie«, verbesserte sie sich hastig, denn sie kam in das Alter, da man allmählich begriff, daß man nicht alle Erwachsenen duzen durfte.
»Ach so. Aber du darfst ruhig du zu mir sagen«, lächelte er, und sein Herz schlug plötzlich höher. Was für ein entzückendes Geschöpfchen war dieses kleine Mädchen, und es war sein Kind!
»Wie heißt du denn mit dem Vornamen?« wollte sie nun wissen.
Astrid gefiel ganz und gar nicht, was sich da abspielte. Guidos Miene zeigte unverhohlen, wie sehr ihm sein Töchterchen gefiel. Sein Töchterchen? Nein, es war ihr Kind allein, nachdem er sich in all den Jahren nie für sie interessiert hatte! Wäre sie weniger niedlich, hätte er sich wohl kaum so mit ihr befaßt, sie kannte ihn doch!
»Ich heiße Guido«, sagte dieser nun.
»Ach, das ist aber ein komischer Name.«
»Gefällt er dir nicht?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie unschlüssig.
Er lachte kurz auf, hob dann den Kopf und sah Astrid an. Die winzige Falte zwischen ihren Brauen entging ihm nicht. Gefiel es ihr nicht, daß er sich so mit dem Kind befaßte?
»Wo sind Sie eigentlich abgestiegen?« erkundigte sich Christina nun bei ihr und berichtete dann, daß sie hier mit ihrer Segeljacht ankerten.
Astrid konnte nicht verhindern, daß ihr das Blut ins Gesicht schoß, weil sie der Gedanke durchfuhr, ob es wohl noch die war, auf der sie seinerzeit mit Guido geschippert war.
Zum Glück merkte Christina Brambeck ihre Verlegenheit nicht. Aber Guido registrierte ihren Farbwechsel sehr wohl. Daß sie einfach peinlich berührt war, konnte er sich nicht vorstellen. Er glaubte sicher zu sein, daß sie in diesem Augenblick an die Intimität ihres Zusammenseins gedacht hatte. Hatte sie die Tage nie vergessen? War das am Ende der Grund, daß sie nicht geheiratet hatte? Denn so, wie sie aussah, konnte es ihr doch trotz des Kindes kaum an Verehrern gemangelt haben. Es tat seiner männlichen Eitelkeit sehr gut, sich das vorzustellen, zumal er sie jetzt ungeheuer reizvoll fand. Sie war nicht mehr das dumme kleine Mädchen von einst, das war unübersehbar!
»Übrigens, wie wäre es, wenn Sie morgen beide eine Fahrt mit uns machten?« schlug Christina plötzlich vor. »Das wäre doch mal eine hübsche Abwechslung, und ganz sicher auch für uns, nicht wahr, Guido?«
»Das ist sehr freundlich, aber…«, wollte Astrid schon ablehnen, aber Conny fiel ihr ins Wort.
»Bitte, bitte, Mami, laß uns mitfahren!« bettelte sie. »Mit einem Boot wollte ich immer schon mal fahren!«
»Also, dann ist es abgemacht, da können Sie doch gar nicht nein sagen, liebe Frau Hollmann«, entschied Christina. »Wir erwarten sie nachmittags um drei am Hafen und zwar…« Sie beschrieb die genaue Stelle.
Astrid warf Guido einen schnellen Seitenblick zu. Sehr begeistert wirkte er auch nicht gerade. Diese Begegnung heute war unausweichlich gewesen, er hatte das Beste daraus gemacht.