mitnehmen, was dir gefällt«, stimmte Lothar in sein Lachen mit ein.
»Wahnsinn!« Urs wusste selbst nicht, warum er nicht mehr aufhören konnte zu lachen. Es kam einfach über ihn und er lachte und lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen und die Feuchtigkeit durch sein Shirt drang. Es fühlte sich kühl und unangenehm an. Trotzdem konnte er nicht aufhören und lachte, bis er keine Luft mehr bekam.
*
In dieser Nacht wurde Fee Norden von einem Geräusch geweckt, das sie nicht recht einordnen konnte. Zuerst dachte sie, es wäre der Wecker, der sie unbarmherzig aus dem Schlaf riss. Ihr Mann Daniel lag dicht neben ihr. Sein Kinn kratzte an ihrer Schulter und sein Arm lag quer über ihrem Bauch, sodass sie sich erst befreien musste, ehe sie die Hand nach dem Wecker ausstrecken konnte. Als sie ihn aber zu sich heranzog, stellte sie fest, dass es erst kurz nach drei war. In diesem Augenblick begriff Felicitas, dass es ihr Handy war, das in der Tasche klingelte, die sie auf dem Sessel neben dem Schrank abgelegt hatte.
»Müssen wir schon aufstehen?«, brummte Daniel, als er den Lufthauch bemerkte, der ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
»Mein Handy klingelt«, wisperte Fee und tastete sich durch die Dunkelheit in der Hoffnung, sich nirgendwo anzuschlagen.
»Seit wann ruft die Klinik auf deinem Handy an?« Daniel zog die Decke über die Schulter und drehte sich um.
»Keine Ahnung«, gestand Fee. Ohne Unfall hatte sie den Sessel erreicht und setzte sich. Das Klingeln hatte inzwischen aufgehört, aber jetzt wollte sie doch wissen, wer der nächtliche Anrufer gewesen war. Sie zog die Tasche auf ihren Schoß und wühlte darin herum, als das Klingeln von Neuem begann. Das hell erleuchtete Display erleichterte ihr die Suche. Als sie sah, wer der Anrufer war, erschrak sie.
»Urs!«
»Tante Fee … ich wollte sagen Fee!« Seine Stimme war kläglich, und sofort bekam Felicitas einen Schreck.
»Was ist passiert? Geht’s dir nicht gut?«
»Doch … Nein, eigentlich nicht … Du wolltest mich anrufen wegen dem Termin«, stammelte Urs. Ganz offensichtlich war er den Tränen nahe. »Und weil ich nichts mehr von dir gehört hab, hab ich Angst bekommen, dass du doch nichts mit mir zu tun haben willst.«
Trotz der späten Stunde und ihrer Müdigkeit erschrak Fee.
»O Urs, das tut mir leid«, entfuhr es ihr. »Ich bin nach unserem Treffen wieder in die Klinik gefahren. Über einer schwierigen Diagnose habe ich mein Versprechen völlig vergessen.« Das war wenigstens die halbe Wahrheit. Schließlich musste Urs nichts von dem verliebten Abend und den leidenschaftlichen Stunden mit Daniel wissen, die der wahre Grund dafür waren, dass sie den jungen Mann vorübergehend vergessen hatte. »Aber weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
»Ich konnte die ganze Zeit nicht schlafen, weil ich so Angst hatte, dass du mich nicht mehr magst«, schniefte der junge Mann und klang unendlich erleichtert.
Fee lachte leise auf.
»Aber natürlich mag ich dich«, versicherte sie. »Es war sehr schön, dich wiederzusehen. Und ich denke, zusammen kriegen wir das schon alles wieder hin.«
Diese Bemerkung überhörte Urs.
»Dann kann ich morgen zu deinem Mann kommen?«
Fees Worte schienen ihn schnell getröstet zu haben.
Diese Frage konnte die Ärztin nicht einfach so beantworten. Inzwischen hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und sie sah hinüber zum Bett, wo Daniel den Schlaf des Gerechten schlief. Sie überlegte kurz, entschied sich dann aber dazu, ihn zu wecken. Unter allen Umständen wollte sie Urs die Sicherheit geben, die er offenbar so dringend von ihr brauchte.
»Warte mal kurz. Ich bin gleich wieder da! Leg nicht auf«, bat sie ihn und legte den Apparat zur Seite.
Sie schlich hinüber zu Daniel und rüttelte sanft an seiner Schulter.
»Dan, es tut mir leid, aber ich muss dich kurz was fragen«, raunte sie ihm zu.
»Hmmm.« Mehr Kraft hatte er nicht.
»Hast du morgen Zeit, Urs zu untersuchen? Er hat schlimmen Husten und ich hab ihm versprochen, dass er zu dir kommen kann.«
Es dauerte einen Moment, bis Daniel wach genug war, um den Sinn ihrer Worten zu verstehen.
»Natürlich«, murmelte er endlich. »Er soll sich einen Termin bei Wendy oder Janine holen.«
Doch damit war Fee nicht zufrieden.
»Kann ich ihm nicht gleich irgendwas sagen? Der Junge ist völlig aufgelöst. Und ich bin schuld daran, weil ich vergessen habe, mein Versprechen einzulösen und ihn anzurufen.« Sie klang so deprimiert, dass Daniel ihrer Bitte nicht länger widerstehen konnte. Er rieb sich die Augen und versuchte, sich seine Termine des kommenden Tages ins Gedächtnis zu rufen.
»Lass mich nachdenken«, bat er, als ihm etwas einfiel. »Kommt nicht Dési morgen Nachmittag um vier Uhr zur Nachuntersuchung in die Praxis? Ich habe eine ganze Stunde für sie eingeplant. Mit Sicherheit brauche ich aber noch nicht einmal eine halbe. Wenn er also auch im vier da ist, kann ich ihn dran nehmen.«
»Du bist ein Schatz!« Fee gab ihrem Mann einen Kuss.
»Weißt du das erst jetzt?«
»Natürlich nicht«, versicherte sie, küsste ihn noch einmal und kehrte dann zum Sessel und ihrem Telefon zurück. »Urs, bist du noch dran?«
»Klar. Und ich hab schon gehört. Morgen um vier. Ich werde da sein. Vielen, vielen Dank, Tante Fee.« Er hustete, ehe er sich spürbar zufrieden von ihr verabschiedete.
Und auch Felicitas Norden fühlte sich gut, als sie wieder ins Bett schlüpfte und sich an ihren Mann kuschelte, der schon wieder tief und regelmäßig atmete. Ein paar Minuten später war auch die Ärztin wieder eingeschlafen und erwachte am nächsten Morgen gut erholt und ausgeruht.
*
Es war noch früh am Tag, als Janine Merck gut gelaunt den Gartenweg zur Praxis Dr. Norden hinaufging. Der Nebel hing noch zwischen Ästen voller zartem Grün und wartete darauf, von der Sonne geschmolzen zu werden. Vögel zwitscherten, und die wenigen Menschen, die um diese Uhrzeit schon auf den Straßen unterwegs waren, lächelten einander zu in Erwartung des angekündigten Sonnenscheins.
An diesem Morgen war die ehemalige Krankenschwester früher dran als sonst. Und das hatte seinen guten Grund.
»Bist du aus dem Bett gefallen, oder warum bist du schon hier?«, erkundigte sich Wendy, die, bewaffnet mit einer Gießkanne, aus dem Sprechzimmer des Seniorchefs kam.
»Ach, ich dachte mir, ich komm ein bisschen früher, damit wir Zeit für einen Plausch haben«, gab Janine zurück und setzte eine Unschuldsmiene auf.
Doch Wendy hatte ihre Freundin längst durchschaut.
»Gib doch zu, dass es die Neugier war, die dich jetzt schon hergetrieben hat«, sagte sie ihr auf den Kopf zu. Sie lachte, und die Grübchen tanzten rechts und links auf ihren Wangen. Ein gutes Zeichen, wie Janine befand.
»Ich nenne es Interesse an der wichtigsten Frau in meinem Leben«, erwiderte sie und ging in die Küche, um zwei Tassen Kaffee einzuschenken, den Wendy wie jeden Morgen schon gekocht hatte.
»Nette Umschreibung.« Wendy sah sich um und dachte darüber nach, ob sie alles für die Sprechstunde vorbereitet hatte. »Was willst du wissen?«
»Alles«, entfuhr es Janine, und sie reichte ihrer Kollegin die Tasse. Sie setzte sich auf ihren Stuhl, versetzte dem Boden unter sich einen Schubs und ließ sich zu Wendy herumdrehen. »Wie alt ist Manfred? Wann trefft ihr euch? Seit wann schreibt ihr euch? Und überhaupt…«, purzelte eine Frage nach der anderen aus ihrem Mund. » … Warum tust du so was?«
Lächelnd und mit brennenden Wangen setzte sich Wendy an den Schreibtisch. Um Zeit zu gewinnen, trank sie einen Schluck Kaffee.
»Schwer