Kurt von Schuschnigg
Der lange Weg nach Hause
Der Sohn des Bundeskanzlers erinnert sich
Aufgezeichnet von
Janet von Schuschnigg
Bildnachweis: Privatarchiv Kurt von Schuschnigg,
Abb. 41 und 43 Österreichisches Institut für Zeitgeschichte,
Wien, Bildarchiv
Lektorat: William C. Eichenberger, Irene Nawrocka
Übersetzung: Douglas Montjoye, Artur Schuschnigg
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© 2008 by Amalthea Signum Verlag, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, verlagsbüro wien
Herstellung: studio e, Josef Embacher
Umschlagfoto: Privatarchiv Kurt von Schuschnigg
Herstellung und Satz: studio e Josef Embacher
Gesetzt aus der 12,5/14,5 Centaur MT
Gedruckt in der EU
eISBN 978-3-903217-15-7
Inhalt
Große Veränderungen in der Familie
Von Feurich zum Haus der Rüstung
Für mein Fräulein Alice
Vorwort
12. März 1938. Die Streitkräfte des mächtigen Deutschen Reiches überrollten Österreich. Entlang der gesamten österreichisch-deutschen Grenze zwischen Bodensee und Donau marschierte die deutsche achte Armee unter dem Kommando von General Fedor von Bock in Österreich ein. Am Morgen war sie in Salzburg, zu Mittag in Innsbruck. Um neun Uhr fünfzehn landeten Einheiten der deutschen Luftwaffe in Wien. Insgesamt überquerten 105 000 Mann die Grenze.
Fünf lange Jahre hatte das Land den nationalsozialistischen Hegemoniebestrebungen widerstanden. Vor allem nach dem Wegfall der italienischen Unterstützung hatte Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg geradezu verzweifelt versucht, die großen westeuropäischen Demokratien für Österreich zu sensibilisieren. Vergebens. Ohne irgendeine Unterstützung von dritter Seite ging der Kampf um die Unabhängigkeit des Landes verloren.
Aufregung allerorten. Straßen und Plätze von jubelnden Menschen gesäumt. Die sah man. Die anderen, die zuhause geblieben waren, sah man nicht. Fahnen flatterten im Wind, der Gleichschritt von Kommißstiefeln hallte durch das Land. Viele hoben den Arm zu dem Gruß, den jene »edlen Krieger« forderten. Frauen warfen ihnen Blumen und Kußhände zu.
Die unkontrollierte Herrschaft der NSDAP, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, konnte beginnen. Unverzüglich begann eine Welle politisch motivierter Verhaftungen.
Verantwortlichkeit
Um 1926, acht Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, sieben nach der Unterzeichnung der Verträge von Versailles und St. Germain, bewegte sich die Welt wieder langsam in Richtung Stabilität und relativem Wohlstand. Auf der anderen Seite des Atlantiks standen die mächtigen Vereinigten Staaten unter der Führung ihres bescheidenen konservativen Präsidenten Calvin Coolidge. Die Arbeitslosenrate lag dort bei nur 1,8 % und die Wirtschaft florierte. Amerikaner stellten sich unglaublichen Wagnissen, wie Admiral Richard Byrd dem Flug zum Nordpol. Die Nation war zwar noch jung, und doch galt sie dem Rest der Welt bereits als Leitstern.
In England saß König George V. auf dem Thron und Stanley Baldwin, der Führer der Konservativen, hatte die Regierung fest im Griff. Aber die Arbeitslosigkeit war groß, und eines Maitages erwachte das Land im Ausnahmezustand, ausgelöst durch einen von Bergarbeitern angeführten Generalstreik.
In dem durch Inflation und einen instabilen Franc geschwächten Frankreich war Ministerpräsident Herriot und sein »Cartel des Gauches« durch die Konservativen unter Poincaré ersetzt worden, und man hoffte auf eine Belebung der Wirtschaft.
Währenddessen zementierte in Italien ein früher linksgerichteter Journalist an der Spitze der einzigen erlaubten Partei, der Nationalen Faschistischen Partei, seine Macht mit harter Hand: Benito Mussolini, der Gründer dieser Partei, wurde von seinem Volk »il Duce«, der Führer, genannt.
Deutschland war durch die Folgen des verlorenen Krieges dramatisch geschwächt. Die Parteienvielfalt, eine