Sigrid-Maria Größing

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Hand gegenüber dem deutschen König von Tag zu Tag verschlechterten, deswegen beschloss er, vorübergehend das Spiel aufzugeben. Er signalisierte, dass er gewillt sei, seine Länder Böhmen und Mähren als Lehen aus der Hand des deutschen Königs anzunehmen und auf die österreichischen Länder zu verzichten.

      So recht glaubte keiner im Reich an die Unterwürfigkeit des Böhmenkönigs. Allgemein vermutete man eine Finte Ottokars, wodurch Rudolf in Sicherheit gewiegt werden sollte. Denn einen echten Gesinnungswandel traute man dem hinterlistigen Böhmen nicht zu. Und die Zweifler sollten sich nicht irren. Denn während Ottokar sich aller Welt gegenüber friedlich zeigte, rüstete er mit großer Umsicht und Konsequenz sein Heer auf. Eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den beiden ungleichen Männern schien unausweichlich zu sein.

      Offizieller Grund für den Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen den beiden Königen war das Verhalten Ottokars seiner Gemahlin Margarete gegenüber, das der sittenstrenge Habsburger in keiner Weise akzeptierte. Die geschmähte Königin hatte sich an ihn gewandt und als deutscher König fühlte er sich verpflichtet, Beschützer der Witwen und Waisen, der Armen und Schwachen zu sein. Er konnte daher nicht die Augen verschließen, wie König Ottokar Margarete behandelte. Dazu kam, dass der Böhmenkönig nach wie vor in den österreichischen und steirischen Gebieten herrschte, auf die er nach der Trennung von Margarete keinen Anspruch mehr hatte.

      Es war alles andere als ein beeindruckendes Heer, eher ein bunt zusammengewürfelter Haufen, mit dem Rudolf von Habsburg die Donau hinunterzog, aber je weiter er nach Osten kam, desto mehr Männer schlossen sich ihm an, denn viele setzten Hoffnungen in den neuen König. Endlich war einer gekommen, der einen vertrauenerweckenden Eindruck machte und der es vielleicht schaffen würde, die verloren gegangene Ordnung im Reich wiederherzustellen. Übermächtig schien das Heer Ottokars, rekrutiert aus allen möglichen Volksstämmen, doch die wenigsten zogen freiwillig in den Krieg. Man hatte die Taglöhner und Bauern beinahe mit Gewalt hinter ihrem Pflug hervorgeholt und sie zu den Waffen gezwungen. Daher war die Kampfesmoral innerhalb der einzelnen Truppenteile alles andere als hoch.

      Am 26. August 1278 kam es in Niederösterreich zwischen den beiden Orten Dürnkrut und Jedenspeigen zur Schlacht der großen Kontrahenten. Und was niemand erwartet hatte, war, dass der Böhmenkönig nicht nur die Schlacht und damit die babenbergischen Länder verlor, sondern auch sein Leben.

      Nachdem endlich das stundenlange verbissene Gemetzel in der glühenden Augustsonne aufgehört hatte und der Kampf entschieden war, gab Rudolf von Habsburg den Befehl, das Schlachtfeld abzusuchen, um den Überlebenden Hilfe zukommen zu lassen. Dabei machte man eine schaurige Entdeckung: Inmitten seiner verblutenden Soldaten lag der erschlagene Böhmenkönig. Dabei sind sich die Chronisten bis heute noch nicht einig, ob er tatsächlich in der Schlacht gefallen oder aus Privatrache ermordet worden war. Rudolf hatte vor Beginn des Kampfes an seine Leute die Weisung ausgegeben, das Leben des Böhmenkönigs zu schonen. Aber was niemand voraussagen konnte, geschah wahrscheinlich hinter dem Rücken Rudolfs: Als Přemysl Ottokar die Aussichtslosigkeit seiner Lage erkannt hatte, gab er den Befehl zum Rückzug. Auch er selbst versuchte zu entkommen, wurde aber höchstwahrscheinlich von einem Verwandten Seyfrieds von Merenberg gestellt und mit dem Schwert erschlagen.

      Es waren rein private Motive, die zu dieser Tat geführt hatten, denn der Merenberger war vor nicht allzu langer Zeit von Ottokar bezichtigt worden, Umsturzpläne ausgearbeitet zu haben. Aus diesem Grunde hatte man ihn ins tiefste Verlies geworfen und in aller Heimlichkeit auf Anordnung des Böhmenkönigs ohne Prozess getötet. Dabei hatte sich Ottokar nicht nur eines vermeintlichen Revolutionärs entledigt, sondern auch den sehr unangenehmen Nebenbuhler aus dem Weg räumen lassen. Der attraktive Mann hatte es gewagt, der Geliebten Ottokars, Kunigunde, schöne Augen zu machen, etwas, was den Böhmenkönig aufs äußerste erregte.

      Für Rudolf von Habsburg war die Auseinandersetzung mit Přemysl Ottokar zunächst nur ein Kampf um das Recht gewesen. Unmittelbar nach der Schlacht auf dem Marchfeld nördlich von Wien empfing Rudolf Margarete, um deren Ehre er gekämpft hatte. Aus ihren Händen empfing er das babenbergische Erbe, die Länder an der Donau und in der Steiermark. Plötzlich hatte sich sein Besitz um riesige Gebiete erweitert, die allerdings von seinen Stammlanden weit entfernt lagen, aber in ihrer Bedeutung seinen eigenen Ländern gleichkamen.

      Das habsburgische Heer nahm die Verfolgung der Gegner bis weit nach Böhmen hinein auf. Schon bald aber musste man erkennen, dass beide Seiten kriegsmüde geworden waren und sich das Blutvergießen nicht mehr auszahlte. Die leidgeprüfte Bevölkerung hörte voller Freude endlich die Friedensglocken läuten. Man feierte nicht nur das Ende der Kämpfe, es zeichnete sich auch noch ein neuer Lichtstreifen am Horizont ab: Zur endgültigen Aussöhnung zwischen dem Habsburger und den Böhmen schloss man einen Heiratsvertrag, wobei der zweitgeborene Sohn Rudolfs, der den gleichen Namen wie der Vater trug, die Tochter von Přemysl Ottokar, Agnes, ehelichen sollte und die Tochter Rudolfs, Guta, den böhmischen Thronerben Wenzel.

      Der Friede zwischen den Familien schien gesichert, und da sich die bedeutendsten Reichsfürsten nicht in die Kämpfe zwischen dem Habsburger und dem Böhmen eingemischt hatten, konnte Rudolf jetzt ohne große Probleme mit den österreichischen und steirischen Ländern schalten und walten, wie er wollte. Dazu kam, dass es ihm im Westen gelungen war, verschiedene Landstriche durch Kauf zu erwerben, um so seine Hausmacht auch hier zu erweitern.

      Weihnachten 1282 war für König Rudolf von Habsburg ein ganz besonderes Fest. In einer feierlichen Zeremonie belehnte er seine beiden älteren Söhne Albrecht und Rudolf »zur gesamten Hand« mit Österreich, Steiermark und Krain. Er hatte die Vorstellung, dass die beiden Brüder diese Gebiete gemeinsam verwalten und beherrschen sollten. Schon bald zeigte sich aber, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, die Länder gemeinsam zu regieren. Zu unterschiedlich waren die Auffassungen und Vorstellungen von Albrecht und Rudolf. Daher entschloss sich der Vater, König Rudolf, nach langen Beratungen und Überlegungen, sich an die sieben Kurfürsten zu wenden, um ihr Einverständnis zur Änderung der seinerzeitigen Bestimmungen zu erlangen.

      Zu Rudolfs Überraschung trat das Unerwartete ein: Die Kurfürsten gaben ihren Sanctus für eine Alleinregierung Albrechts, was im Vertrag von Rheinfelden, den man am 1. Juni 1283 unterzeichnete, offiziell dokumentiert wurde. Auch die österreichischen Ministerialen entschlossen sich, dem Vertrag zuzustimmen. Allerdings bereuten sie schon nach kurzer Zeit diesen voreiligen Schritt. Damit der Frieden zwischen den Brüdern und deren Familien erhalten blieb, sollte Rudolf für seine verloren gegangenen Rechte eine große Summe als Abfindung und Entschädigung erhalten, eine Bestimmung, die allerdings zunächst nur auf dem Papier bestand und die man nicht sonderlich genau nahm. König Rudolf konnte damals noch nicht ahnen, dass gerade dieser Passus in den Verträgen zwischen den Brüdern zu einer Katastrophe innerhalb der Familie führen sollte.

      Albrecht erwies sich schon in jungen Jahren als starker Mann, der mit ungewöhnlichem Elan und Konsequenz vorging. Er war zusammen mit seinen neun Geschwistern in einer harmonischen Familie im Aargau aufgewachsen, liebevoll betreut von der Mutter Gertrud von Hohenberg. Als zweites Kind seiner Eltern 1255 geboren, war ihm mehr als die übliche standesgemäße Erziehung zuteil geworden. Denn genauso wie seine Brüder und Schwestern lernte er nicht nur lesen und schreiben, er wurde auch in der lateinischen Sprache instruiert, wodurch ihm die Welt der Antike eröffnet wurde. Wenig Wert wurde allerdings auf das Erlernen der französischen Sprache gelegt, was für Albrecht später von Vorteil gewesen wäre. Wie alle adeligen Knaben zu dieser Zeit wurde auch Albrecht in die große Palette der ritterlichen Tugenden eingeweiht, sodass er schon sehr bald überall, wohin er kam, durch seine ungewöhnlich sorgfältige Erziehung auffiel. Von der Mutter hatte er einen gewissen Hang zum Übersinnlichen geerbt. Gertrud befragte immer wieder Leute, von denen sie annahm, dass sie mit überirdischen Wesen in Kontakt stünden, über die Zukunft ihrer Familienmitglieder. Und vieles, was ihr vorhergesagt worden war, soll auch eingetreten sein. So war ihr prophezeit worden, dass sie königliche Würden zu erwarten hätte, wenn sich ihr Gemahl vor Sünden hütete. Mit Sünden waren in der damaligen Zeit Übergriffe auf das Kirchengut gemeint. Rudolf hatte die Zeichen der Zeit verstanden und ließ tatsächlich seine Hände von geistlichen Besitztümern. Gertrud war stets eine Frau des Ausgleiches gewesen, die man wegen ihres mildtätigen Wesens besonders schätzte. So soll sie auch nach Aussagen von Zeitgenossen das Purpurtuch gestiftet haben, mit dem man den nackten, von